In Şengal ist mit einer Militärzeremonie der Opfer des Massakers vom 14. August 2007 gedacht worden. Der bis heute folgenschwerste und opferreichste Terroranschlag in der Geschichte des Iraks ereignete sich in den beiden ezidischen Dörfern Til Ezer und Siba Şêx Xidir. Durch vier von Attentätern des Terrornetzwerks Al-Qaida simultan verursachte Explosionen wurden 796 Menschen getötet und 1.562 weitere verletzt. Beide Dörfer wurden nahezu dem Erdboden gleichgemacht.
Ausgerichtet wurde die Zeremonie von Kämpferinnen und Kämpfern der Widerstandseinheiten Şengals YBŞ (Yekîneyên Berxwedana Şengalê) und der autonomen Fraueneinheiten YJŞ (Yekinêyen Jinên Şengalê). Zunächst wurde eine Schweigeminute für die Toten abgehalten, danach richtete Axîn Întîqam einige Worte an die Anwesenden. Die YJŞ-Kommandantin erklärte, dass die ezidische Gemeinschaft in der Vergangenheit überdurchschnittlich häufig zum Ziel von Anschlägen und Angriffen wurde, da sie über keine oder nicht ausreichende Selbstorganisierung verfügt habe. Das Massaker von Til Ezer und Siba Şêx Xidir war aber vermutlich nur deshalb möglich gewesen, weil die in der Region stationierten Sicherheitskräfte ihrer Verantwortung und Pflichten nicht nachgekommen seien. „Sie haben unsere Gemeinschaft nicht beschützt und sind mitverantwortlich dafür, dass Hunderte von uns aus dem Leben gerissen wurden“, sagte die YJŞ-Kommandantin.
Axîn Întîqam
Weitere Reden wurden im Namen der Vereinigung ezidischer Geistlicher und dem Angehörigenrat von Gefallenen gehalten. Die Organisationen sprachen sich für eine umfassende politische und militärische Organisierung der ezidischen Gemeinschaft aus, um Übergriffe jeglicher Art zu verhindern. Richtung Bagdad hagelte es massive Kritik dafür, dass sich etliche Mitglieder von Al-Qaida von der Strafverfolgung entziehen konnten. Zudem wurde die irakische Regierung aufgefordert, die Dokumentation der von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) nach dem genozidalen Überfall auf Şengal am 3. August 2014 angelegten Massengräber mit Ezidinnen und Eziden zu beschleunigen. Zum Ende des Gedenkens wurden die Gräber der Todesopfer besucht und Gebete gesprochen.
Eine Sprecherin des Angehörigenrats von Gefallenen kritisiert Bagdad
Der Anschlag von Til Ezer und Siba Şêx Xidir
In den frühen Abendstunden des 14. August 2007 fuhren in Til Ezer ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen und zwei zu Autobomben umfunktionierte PKWs vor. Der am Steuer des LKWs sitzende Attentäter lockte unter dem Vorwand, Lebensmittel zu transportieren, unzählige Menschen an. Zwei Wochen zuvor hatte Al-Qaida in Mosul in einer Fatwa verboten, den Ezidinnen und Eziden Nahrungsmittel zu verkaufen, wodurch sich die Lebensmittelversorgung in den Dörfern in Şengal dramatisch verschlechterte.
Ein traditionell weiß gekleideter Geistlicher
Vor dem Busbahnhof von Til Ezer zündete der Fahrer des LKWs seine Sprengladung, die im Umkreis von einem Quadratkilometer schwerste Zerstörungen anrichtete. Als sich Bewohnerinnen und Bewohner zum Tatort begaben um Verletzte zu versorgen und Tote zu bergen, rasten die beiden anderen Attentäter in die Menge und zündeten ihre Autobomben, die zu weiteren Zerstörungen und Opfern führten. Etwa zeitgleich sprengte sich ein Selbstmordattentäter in Siba Şêx Xidir mittels Autobombe in die Luft. Kurz darauf schlugen an den Anschlagsorten noch mehrere aus dem Hinterhalt abgefeuerte Mörsergranaten ein.
Für die Sicherheit in Til Ezer und Siba Şêx Xidir sollten damals irakische Streitkräfte sorgen. Diese hatten die vermeintlichen Hilfsgütertransporte jedoch nicht kontrolliert und so das Massaker nicht verhindert. Etwa 2.500 Gebäude der beiden Ortschaften wurden bei dem Anschlag zerstört oder beschädigt, tausende Menschen wurden obdachlos. Der als Initiator des Anschlags geltende Al-Qaida-Führer Abu Mohammed al-Afri, auch bekannt als Abu Jassem, wurde am 3. September 2007 bei einem Luftangriff der USA in der Nähe von Mosul getötet.