Autonomierat warnt vor neuen Angriffen auf Şengal

Der Demokratische Autonomierat Şengals warnt vor neuen Angriffen der türkischen Armee und fordert Bagdad sowie den UN-Sicherheitsrat zu konkreten Maßnahmen für ein Ende der Gewalt in dem ezidischen Siedlungsgebiet auf.

Der Demokratische Autonomierat Şengals (MXDŞ) hat vor neuen Angriffen der türkischen Armee gewarnt. Den siebten Tag in Folge würden intensive Aufklärungsflüge im Luftraum des ezidischen Hauptsiedlungsgebiets im Nordwesten des Irak erfasst, erklärte das Gremium am Sonntag in einer Mitteilung. „Sollten unser Volk oder unsere Verteidigungskräfte erneut zum Ziel von Luftangriffen der Türkei werden, wird die irakische Regierung verantwortlich dafür sein“, so der MXDŞ.

Die ezidische Gemeinschaft überlebte die genozidalen Angriffe der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014, wird seit 2017 jedoch wiederholt von der Türkei angegriffen. „Die internationale Nichtbeachtung dieser Menschenrechtsverletzungen ermutigt Ankara in seinem aggressiven Agieren gegen unsere Gesellschaft im Irak“, resümiert der MXDŞ. „Seîd Hesen, Zerdeşt Şengalî und Merwan Bedel waren nur drei von dutzenden Freundinnen und Freunden, die vom türkischen Staat auf irakischem Boden ermordet worden sind.“

Der MXDŞ betont, dass die Luftangriffe der Türkei in ihrem „Kampf gegen den Terror“ immer wieder auch zivile Opfer forderten, darunter auch Kinder. „Doch eine öffentliche Debatte um ihren Tod gab und gibt es nicht.“ Das laute Schweigen des Iraks ermutige den türkischen Staat zu weiteren Verbrechen, unterstreicht der Autonomierat von Şengal. Das Gremium fordert Bagdad zu „konkreten Maßnahmen“ gegen Ankara auf und appelliert auch an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, seiner Verantwortung nachzukommen und sich geschlossen für ein Ende der Gewalt gegen Şengal einzusetzen.

Türkei bombardiert regelmäßig Şengal und andere Orte im Irak

Türkische Luftangriffe gehören in Südkurdistan und kurdischen Siedlungsgebieten des Iraks zur Routine, werden seit dem Sommer 2020 jedoch intensiviert. Insbesondere Regionen, in denen die Guerilla vermutet wird, aber auch zivile Siedlungsgebiete werden nahezu täglich bombardiert. Die türkische Führung behauptet, lediglich gegen „PKK-Stellungen“ vorzugehen und beruft sich dabei auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta. Zahlreiche Organisationen und Gremien, darunter auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, weisen dagegen auf Verstöße der Türkei gegen das Gewaltverbot hin, da es gar keine Selbstverteidigungssituation gebe. Dennoch ist der von den USA und dem Irak kontrollierte Luftraum für türkische Kampfbomber freigegeben.

Luftangriff auf Krankenhaus in Şengal bleibt ungesühnt

Ins Visier türkischer Kampfbomber und Killerdrohnen gerät auch immer wieder das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal. Die Türkei fühlt sich bedroht von den Selbstverwaltungsstrukturen, die von den Angehörigen der uralten Religionsgemeinschaft unter dem Eindruck des Völkermords der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) von 2014 mühsam aufgebaut wurden, und schreckt selbst vor Luftangriffen auf Krankenhäuser nicht zurück.. Im Juni waren drei Zivilisten bei einem türkischen Drohnenangriff auf Şengal ums Leben gekommen, darunter auch ein Zwölfjähriger. Im Juli wurden im nahegelegenen Tel Afar fünf Menschen durch einen Luftschlag der Türkei getötet. Wenige Tage später bombardierte die türkische Armee von einem Stützpunkt in Südkurdistan aus das Sommerressort im Dorf Perex (Parakh) im Distrikt Zaxo mit vier Artilleriegranaten. Neun Menschen, darunter mehrere Kinder, kamen ums Leben, mehr als zwanzig weitere Personen wurden verletzt.