Xebat Andok: Die PDK ist ein Werkzeug der Tyrannen

„Aus Sicht der gesellschaftlichen Kräfte stellte die PDK stets ein Werkzeug der Tyrannen und zugleich deren Kollaborateur dar. Für sie war die PDK immer eine Kraft, die ihr Land und ihre Nation verrät“, erklärt Xebat Andok (KCK).

Die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) verhält sich den Regimeparteien der Türkei immer ähnlicher. Wohin wird ihr Alleinvertretungsanspruch und ihre faschisierte Praxis Südkurdistan führen? Als Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) hat sich Xebat Andok in einem ausführlichen Interview über die Hintergründe der Zusammenarbeit der PDK mit kurdenfeindlichen Mächten, ihre ablehnende Haltung gegenüber der kurdischen Befreiungsbewegung und ihre Versuche geäußert, eine innerkurdische Einheit zu verhindern. Das zweiteilige Interview zeichnet einen kurzen Umriss der Auswirkungen der Politik des Regimes in Hewlêr (Erbil) auf ganz Kurdistan und dechiffriert eine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem türkischen Kolonialismus.

Auf internationaler Ebene galten die Barzanî-Familie und die PDK lange Zeit als einzige Vertreter des kurdischen Volkes. Noch heute empfängt die PDK praktisch wöchentlich internationalen diplomatischen Besuch in Hewlêr. Was hat es mit der Unterstützung für diese Partei durch verschiedenste internationale Mächte auf sich?

Die Annahme, die PDK sei auf internationaler Ebene stets als einzige Vertreterin der Kurden betrachtet worden, stimmt so nicht. Die PDK wurde niemals als ausschließliche Vertreterin der Kurden verstanden. Denn – entgegen der Behauptungen Einiger – weder die Kurden selbst noch die internationalen Verhältnisse sind derart homogen. Es stimmt, dass die PDK von einigen internationalen Kräfte als einzige Repräsentantin der Kurden betrachtet wird. Doch ist diese Haltung nur ein Teil der tatsächlichen Verhältnisse. Wahrheit ist etwas Ganzheitliches. Von dieser Annahme aus betrachtet lässt sich sehr deutlich erkennen, dass die Zahl derer, die die PDK nicht als einzige Vertreterin der Kurden betrachten, viel größer ist. Entscheidend ist an dieser Stelle also, aus welcher Perspektive wir diese Frage betrachten. Ja, es hat stets die Haltung existiert, die Kurden und die PDK als eins zu betrachten und die PDK dementsprechend als einzige Repräsentantin der Kurden zu verstehen. Diese Haltung existiert auch heute noch. Doch wurde sie stets nur von den Staaten, hegemonialen Kräften, Kolonialisten und Imperialisten vertreten. Die PDK wurde also von all diesen staatlichen Kräften, die für die Unterdrückung, Ausbeutung und Tyrannei auf der Welt verantwortlich sind, auf diese Art und Weise betrachtet und bewusst in den Vordergrund gestellt. Denn sie benötigten ein Fundament, also Kollaborateure innerhalb der Kurden, auf die sie sich stützen konnten. Genau das stellt die PDK für die staatlichen Kräfte dar. Deshalb wird sie von ihnen in den Vordergrund gestellt. Diese Haltung existierte bereits vor der Entstehung der PDK. Folglich wird diese Haltung auch so lange bestehen, wie es hegemoniale Kräfte gibt.

Doch im Gegensatz zu den hegemonial-staatlichen, kolonialistischen und genozidalen Mächten haben die gesellschaftlichen Kräfte die PDK nie auf diese Art und Weise betrachtet. Das gilt für die Zeit vor der Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), ebenso wie für heute. Aus Sicht der gesellschaftlichen Kräfte stellte die PDK stets ein Werkzeug der Tyrannen und zugleich deren Kollaborateur dar. Für sie war die PDK immer eine Kraft, die ihr Land und ihre Nation verrät, sich nicht auf ihre eigene Kraft verlässt und am Leben gehalten wird, um sie für die Durchsetzung schlechter Absichten zu benutzen. Die gesellschaftlichen Kräfte haben die PDK als eine feudale Kompradoren-Kraft erkannt, die Komplotte schmiedet und die Kurden und Kurdistan für ihre eigenen, engstirnigen Interessen allen Akteuren zur Verfügung stellt. Und genauso wird die PDK auch heute noch von den gesellschaftlichen Kräften betrachtet. Wir können also erkennen, dass sie auf diese zweischneidige Art verstanden wird.

Xebat Andok

Die PDK ist das Krebsgeschwür des kurdischen Volkes

Die PDK wird heute sowohl als einzige Vertreterin der Kurden, als auch als Krebsgeschwür des kurdischen Volkes betrachtet. Vor dem Hintergrund der aktuell in der Welt vorherrschenden Verhältnisse macht diese zweischneidige Betrachtungsweise auch absolut Sinn. Denn das Weltsystem ist selbst derart beschaffen. Auf der einen Seite existiert die Welt der hegemonialen Kräfte. Wir nennen diese Welt heute die kapitalistische Moderne. Auf der anderen Seite gibt es die Welt der außerstaatlichen Gesellschaft, die wir als demokratische Moderne bezeichnen. Weil die PDK die Vertreterin der kurdischen kapitalistischen Moderne ist, wird sie von den führenden globalen Kräften als ‚kurdisch‘ und ‚Repräsentantin der Kurden‘ dargestellt. Doch aus Sicht der Kräfte der demokratischen Moderne, die für Demokratie, Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit stehen, ist die PDK der Wurm im Baum, eine Krebszelle und eine kapitulierende Struktur, die die Kurden und Kurdistan anderen überlässt, um ihr beschränktes Streben durchzusetzen. Diese Betrachtungsweise wird im Allgemeinen durch die Bezeichnung des ‚Verräters‘ zum Ausdruck gebracht. Wie zuvor bereits erwähnt, handelt es sich dabei nicht um eine neue Entwicklung. Auch in der Vergangenheit gab es diese verschiedenen Perspektiven. Doch heute sind sie noch deutlicher zu erkennen als früher.

Die PDK wird von den Reichen, den hegemonialen Kräfte, Kapitalisten und den Mächten, die Kurdistan ausbeuten und einem Völkermord unterwerfen, auf eine sehr positive Art und Weise präsentiert. Mindestens genauso sehr wird sie jedoch vom kurdischen Volk und den anti-staatlichen Kräften verurteilt. Auf die diesem Zustand zugrunde liegenden Verhältnisse haben wir bereits einen Blick geworfen. All das hängt mit der Moderne zusammen, die von den jeweiligen Kräften vertreten wird. Die Vertreter der kapitalistischen Moderne hofieren beispielsweise Ministerpräsident Mesrûr Barzanî, den sie als Zukunft der PDK betrachten und sehr positiv darstellen. Sie lassen ihn bei Chatham House oder in Davos sprechen. Im Gegensatz dazu ist es die aus verschiedensten Gründen vor der Regierung Mesrûr Barzanîs nach Europa geflohene Bevölkerung Südkurdistans, die ihn mit Eiern und verfaulten Tomaten begrüßt, ihn als ‚Verräter‘ bezeichnet und ihm Mekap-Schuhe – ein Symbol der Guerilla – entgegenhält. Wir können also am gleichen Ort zwei vollkommen gegensätzliche, grundverschiedene Reaktionen beobachten. Zum einen die Begrüßung durch die Vertreter der kapitalistischen Moderne und zum anderen die Reaktion derjenigen, die für die demokratische Moderne stehen.

Die Barzanîs, die die PDK in eine Familienpartei verwandelt haben, werden in ein ausgesprochen positives Licht gerückt und in den Vordergrund gestellt. Der Grund dafür ist, dass die PKK in Kurdistan, dem Nahen Osten und auf der Welt immer mehr an Einfluss gewinnt. Die PKK verfolgt seit ihrer Gründung eine volksverbundene, sozialistische und unabhängige Linie. Aus diesem Grund wird sie seither von hegemonialen Kräften der kapitalistischen Moderne und dem Kolonialismus angegriffen. In der Vergangenheit führte die PKK auf Grundlage des staatlichen Paradigmas einen nationalen Befreiungskampf. Doch auch damals verlor sie nie ihre Unabhängigkeit gegenüber den Kräften der kapitalistischen Moderne und ließ sich von ihnen nicht instrumentalisieren. Sie verhielt sich stets im Einklang mit den Gründen, die zu ihrer Entstehung geführt hatten, und mit ihrer sozialistischen Ideologie. So gelang es der PKK, ihre unabhängige Haltung zu bewahren. Aus genau diesem Grund wurde sie von den Kräften der kapitalistischen Moderne immer als ‚gefährlichste‘ und ‚terroristische‘ Organisation betrachtet und umfassenden Repressionen unterworfen. Die Auslieferung von Rêber Apo¹ [Abdullah Öcalan] an die Türkei im Rahmen des Internationalen Komplotts erfolgte auch in diesem Zusammenhang. Die PKK stellt also aus Sicht der Kräfte der kapitalistischen Moderne eine Gefahr dar. Diese Gefahr ist noch einmal größer geworden, seitdem Rêber Apo im Jahr 2003 das auf Demokratie, Ökologie und Freiheit der Frau basierende Gesellschaftsparadigma und den auf demokratischer Autonomie fußenden Demokratischen Konföderalismus² entwickelt hat. Durch dieses Paradigma und System ist der Einfluss der PKK in Kurdistan, der Region und auf der gesamten Welt um ein Vielfaches gewachsen.

Die PKK hat den IS besiegt

In allen vier Teilen Kurdistans ist es der PKK gelungen, eine Vertiefung und Ausweitung der Gesellschaft zu ermöglichen und die Kurden zu einer demokratischen Nation zu machen. Um diese Entwicklung zu verhindern hat der Kolonialismus – angeführt von der Türkei – die PDK noch stärker in den Vordergrund gestellt und als seinen Ansprechpartner genutzt.

Die PKK hat die mächtige IS-Miliz besiegt und auf der Grundlage der Mentalität der demokratischen Nation im vollständig zerstückelten Nahen Osten die Rojava-Revolution unter Beteiligung aller dortigen Völker, Kulturen, Glaubensgemeinschaften und Frauen vollbracht. Um diesen Einfluss der PKK zu brechen, haben die reaktionären Kräfte in der Region und der globale Kapitalismus die PDK ins Feld geführt und ein Bild eines zuverlässigen Partners erzeugt.

Das Paradigma und die Philosophie Rêber Apos entfalten einen immer größeren Einfluss auf die gesamte Menschheit. Die Rojava-Revolution zeigt zugleich jedem, wie diese Ideen praktisch umgesetzt werden können. Die globalen kapitalistischen Kräfte stellen Barzanî und die PDK immer stärker in den Vordergrund und versuchen das Bild eines starken Akteurs zu zeichnen, um den Einfluss von Rêber Apo und der PKK zu brechen.

Bei einem genauen Blick fällt schnell auf, dass Rêber Apo und die PKK der entscheidende Grund dafür sind, dass die PDK und die Barzanîs als Ansprechpartner in Kurdistan positioniert wurden und ihnen ständig neue Türen zur Welt der hegemonialen Kräfte geöffnet werden. Um Rêber Apo und der PKK den Weg zu versperren und als System nicht noch stärkere Verluste zu erleiden, wird versucht, die PDK und die Barzanîs auf den Beinen zu halten. Sonst könnten sie sich niemals auch nur erträumen, derart stark als Partner genutzt zu werden. Ihr einziger Trumpf ist es, dass sie gegen die PKK und Rêber Apo eingesetzt werden können, was natürlich nichts Anderes bedeutet, als zu kollaborieren und Verrat zu begehen.

Insbesondere seit dem vergangenen Jahr führt die PDK an der Seite des türkischen Staates einen offenen Krieg gegen die Freiheitsbewegung Kurdistans. Mehrere Mitglieder der Guerillaorganisationen HPG (Volksverteidigungskräfte) und YJA Star (Verbände freier Frauen) fielen 2021 in Hinterhalten von PDK-Milizen. Was erhofft sich die PDK von ihren Angriffen und der Zerschlagung der Freiheitsbewegung?

Diese Frage lässt sich in zweierlei Hinsicht beantworten. Erstens, wie jeder andere Kollaborateur auch, ist die PDK in keiner Weise unabhängig. Sie ist keine Partei, die selbstständig über ihre Handlungen entscheidet. Kurz nach ihrer Gründung mag dies noch in begrenztem Ausmaß möglich gewesen sein, doch wir wissen sehr genau, dass die PDK seit Beginn der 1960er Jahre auch diese eingeschränkte Unabhängigkeit eingebüßt hat. Die PDK ist eine Kraft, die vollständig unter der Kontrolle Israels, des Irans und seit der Entstehung der PKK in den 1970er Jahren auch von GLADIO³ steht. In der Vergangenheit stand sie auch unter der Kontrolle des irakischen Saddam-Regimes. Diejenigen, die über die PDK bestimmen, sind also äußere Kräfte. Das ist der Grund dafür, dass sie die ihr zugesprochene Rolle spielt und an sie übertragenen Aufgaben ausführt. Die besagten Kräfte verfolgen gegenüber den Kurden eine Völkermordpolitik und die PDK ist bereit dazu, sich in diesem Rahmen benutzen zu lassen. Dadurch werden die PDK und die Barzanîs zu einem Werkzeug, das für den Völkermord an den Kurden instrumentalisiert wird. In Bezug auf die Kurden spielen sie also eine entscheidende Rolle dabei, alle Formen der genozidalen Vernichtungspolitik zu legitimieren. Dadurch geraten sie in eine Position, die noch schlimmer und zerstörerischer ist als die des eigentlichen Völkermörders. Genau das ist auch der Grund dafür, dass Barzanîs von der Bevölkerung in allen vier Teilen Kurdistans als ‚Verräter‘ bezeichnet werden.

In den Jahren 2021 und 2022 hat die feindliche Haltung der PDK gegenüber der Freiheitsbewegung Kurdistans einen neuen Höhepunkt erreicht. Das hängt mit der Aufgabe zusammen, die ihr gegeben wurde. Denn aus den erwähnten Gründen wollen der globale Kapitalismus und der völkermörderische Kolonialismus Rêber Apo und die PKK ausschalten beziehungsweise zerschlagen. Diese Kräfte wissen, dass sonst im Nahen Osten und auch weltweit entscheidende Niederlagen drohen: die Niederlage der PDK und damit zugleich von Kollaboration und Verrat, die Niederlage der faschistischen AKP/MHP-Regierung und damit des völkermörderischen Kolonialismus und ebenso die Niederlage des globalen Kapitalismus. Um zu verhindern, dass die PKK noch größere Erfolge erzielt und der AKP/MHP-Faschismus – das effektivste Mittel für den Völkermord an den Kurden – sein baldiges Ende erlebt, intervenieren diese Kräfte umfassend und verstärken ihre Angriffe. Als sich Mesûd Barzanî und Joe Biden im August 2016 in Ankara aufhielten, wurde die Türkei dazu veranlasst, die nordsyrische Stadt Cerablus zu besetzen. Damit begann eine Phase der Erneuerung des Internationalen Komplotts. Diese Phase soll bis zum Jahr 2023 abgeschlossen werden. Von daher sind die besagten Ziele für das Jahr 2023 nicht nur die Ziele der AKP/MHP-Regierung, sondern zugleich der PDK und des von den USA angeführten globalen Kapitalismus. Sie alle arbeiten darauf hin, die PKK zu zerschlagen und auf diese Weise alle Hindernisse für den Völkermord an den Kurden aus dem Weg zu schaffen. Das ist der Grund dafür, dass die PDK aktuell noch intensiver mit dem völkermörderischen und kolonialistischen türkischen Staat kollaboriert.

Im Krieg gegen die PKK

Zweitens, die PDK führt einen offiziell nicht erklärten Krieg gegen die PKK und unterstützt die Türkei in diesem Rahmen auf jede erdenkliche Weise. Die PDK tut dies, weil sie davon ausgeht, dass durch die Zerschlagung der PKK all das ihr selbst zufallen wird, was im Namen der Kurden und Kurdistans heute existiert. Sie betrachtet sich als Besitzerin der Kurden und Kurdistans und versteht zugleich die PKK als größtes Hindernis für die Durchsetzung dieses Anspruchs. Daher versteht die PDK die Zerschlagung der PKK als eine Frage des Seins oder Nichtseins. Wir können also eindeutig sagen, dass die PKK und die PDK auch ontologisch betrachtet, zwei vollständig unterschiedliche paar Schuhe sind.

Im Einklang mit dem Arbeiterbegriff in ihrem Parteinamen stellt die PKK eine Partei der arbeitenden Menschen, der Dorfbevölkerung und der Werktätigen dar. Die PDK aber ist im Gegensatz zu dem Demokratiebegriff in ihrem offiziellen Namen eine durch und durch feudale Partei einer Kompradorenbourgeoisie, von Landbesitzern und Feudalherren.

Entsprechend der gesellschaftlichen Basis, die sie vertritt, stützt sich die PKK auf das Volk selbst. Die PDK hingegen stützt sich auf die mächtigen Staaten dieser Welt. Während also die PKK das Prinzip vertritt, sich auf die eigene Kraft zu verlassen, setzt die PDK auf Kollaboration.

Die PKK setzt auf das System der demokratischen Autonomie, auf die Diversität der Gesellschaft und das Prinzip einer demokratischen Nation, also darauf, dass alle Teile der Gesellschaft sich entsprechend ihrer jeweiligen Eigenheiten organisieren und gemeinsam zusammenleben können. Im Gegensatz dazu verlässt sich die PDK auf das nationalstaatliche Prinzip, mit dem alle Unterschiede homogenisiert und folglich einem Genozid unterworfen werden.

Die PKK hat die Freiheit der Frau zum Ziel und ist fest davon überzeugt, dass sich alle gesellschaftlichen Probleme auf der Grundlage des auf Demokratie, Freiheit der Frau und Ökologie basierenden Gesellschaftsparadigmas lösen lassen. Doch die PDK vertraut voll und ganz auf die Hegemonie des Mannes und den Staat, der die am umfassendsten organisierte Institution der Ideologie des hegemonialen Mannes darstellt.

Während die PKK auf eine kommunal organisierte Ökonomie setzt, deren Zentrum eine durch ökologische Prinzipien begrenzte Öko-Industrie und gesellschaftliche Solidarität darstellen, stützt sich die PDK auf das System unbegrenzten Profits, auf Kapitalismus und Individualismus.

Kurz gesagt, es bestehen all diese ontologischen Unterschiede, auf die man noch detailreicher eingehen könnte. Aufgrund dieser Unterschiede unternimmt die PDK alles in ihrer Macht Stehende, um die PKK zu zerschlagen. Die PDK tut dies seit der Entstehung der PKK. Dementsprechend sind ihre heutigen Maßnahmen nichts Neues. Die PDK handelt heute auf die gleiche Weise wie schon in der Vergangenheit, nur auf eine deutlich offenere und intensivere Art. Denn ihre Herren verlangen das von ihr.

In Südkurdistan selbst, insbesondere in der Region Behdînan, übt die PDK enormen Druck auf alle kritischen Stimmen aus. Viele Journalisten sitzen in Haft, ebenso zahlreiche Aktivisten. Immer wieder kommt es in dem von der PDK kontrollierten Gebiet zu Morden an Oppositionellen. Auch kurdische Geflüchtete aus Nordkurdistan werden dort massiv unter Druck gesetzt. Wie ist die Situation der Bevölkerung in Behdînan und den anderen von der PDK beherrschten Gebieten?

Während die PDK versucht, in allen vier Teilen Kurdistans direkt oder mithilfe ihrer Ableger zur Alleinherrscherin zu werden, hat sie Südkurdistan in einen völlig zersplitterten Zustand gebracht. Nach der Gründung der YNK im Jahr 1975 hat sich die PDK hin zu einer Kraft entwickelt, die nur in der Region Behdînan über Einfluss verfügt. Doch selbst dort errang sie die Kontrolle nicht mit der Zustimmung der lokalen Bevölkerung. Gesellschaftlich ist Behdînan von den lokalen Stämmen geprägt. Die PDK konnte in dieser Region nur an Macht gewinnen, indem sie jeden einzelnen der Stämme zwang, sich ihr zu unterwerfen. Die Barzanîs selbst sind kein Stamm, sondern stützen sich auf die deutlich schwächere Institution des Scheichtums. Jeder weiß daher, dass die PDK nur mithilfe massiver Tyrannei, Unterdrückung, Massaker und Morden in ihre heutige Machtposition gelangen konnte. Daher ist es wichtig zu betonen, dass die aktuelle Unterdrückung, Folter und Tötungen keine neuen Herrschaftsmethoden der PDK sind, sondern eine lange Tradition haben. Es ist auch allseits bekannt, dass die PDK große Unterstützung vom Saddam-Regime in Anspruch nahm, um die großen Familienverbände und politischen Kräfte in der Region ihres Einflusses zu berauben. Das führte so weit, dass die Hauptstadt Hewlêr, die sich ursprünglich unter der Kontrolle der YNK befand, von der PDK erobert wurde, indem sie mit Saddam kollaborierte und an der Seite seiner Panzer dort einmarschierte. Zusammengefasst gilt zu sagen, dass sich schon in der Vergangenheit deutlich gezeigt hat, dass die PDK bereit ist alles dafür zu tun, um an die Macht zu gelangen und ihre Konkurrenten auszuschalten.

Eigene Bevölkerung für türkische Interessen enteignet

Der Grund dafür, dass die PDK in den letzten Jahren insbesondere in der Region Behdînan den Druck deutlich erhöht hat, liegt in ihrem massiven Machtverlust. Trotz ihres unvorstellbaren Betrugs und antidemokratischer Maßnahmen ist es der PDK bei den letzten Wahlen gerade einmal gelungen, 15 Prozent der Stimmen in Südkurdistan zu erhalten. Die PDK ist sich sehr genau darüber bewusst, dass eine weitere Schwächung ihrer Macht die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mit großer Gewalt unterdrückte und enteignete lokale Bevölkerung sie zur Rechenschaft ziehen wird. Sie hat das Land der Lokalbevölkerung dem türkischen Staat zur Verfügung gestellt beziehungsweise es an ihn veräußert. Die PDK hat daher große Angst vor einem möglichen Aufstand der Bevölkerung und davor, dass die Menschen wie damals in Şîladizê gegen die Militärstützpunkte des türkischen Besatzerstaates vorgehen. Sie fürchtet sich davor, dass sie für die Geschichte ihrer Kollaboration zur Rechenschaft gezogen wird. Ebenso sind die Barzanîs darüber besorgt, was ihnen geschehen wird, wenn Recep Tayyip Erdoğan seine Macht verliert. Weil sie nur zu genau wissen, dass schon der kleinste Fehler eine Existenzfrage darstellen kann, befinden die Barzanîs sich heute in höchster Anspannung. Leider glauben sie, dass sie ihr Überleben durch eine immer autoritärer werdende Herrschaft und noch größere Kollaboration garantieren können, statt Selbstkritik zu leisten und ihre schmutzigen Beziehungen mit dem Kolonialismus zu beenden. Die Barzanîs sind eine Schicksalsgemeinschaft mit Erdoğan und und dessen Partner Devlet Bahçeli eingegangen. Es ist deutlich zu erkennen, dass sie stark von deren Erfahrungen und Denkweise zehren. Die PDK hat heute ein Regime gegen ihre eigene Bevölkerung in Behdînan aufgebaut, das sehr stark dem Erdoğan-Regime in der Türkei ähnelt. Dies führt dazu, dass die Liste der Verbrechen der PDK immer länger wird und die Wut der Bevölkerung stetig steigt, die PDK immer weiter in eine ausweglose Lage gerät und von immer größeren Ängsten geplagt wird.

All das tut die PDK der Bevölkerung in der Region also an. Hinzu kommen ihre Verbechen dem Geflüchtetencamp Mexmûr gegenüber. Dort leben kurdische Patrioten, die aufgrund der genozidalen Kurden-Politik des türkischen Staates nach Südkurdistan geflüchtet sind. Sie wurden zu Geflüchteten, weil ihre Dörfer verbrannt und sie selbst vertrieben wurden, und sie suchten Schutz bei der bereits existierenden kurdischen Regierung. Die PDK dagegen behandelt alle Einwohner des Lagers als potentielle Verbrecher, nur weil sie aus Nordkurdistan kommen. Viele dieser Menschen sind von der PDK in das von der YNK kontrollierte Gouvernement Silêmanî deportiert worden. Während das die hauptsächliche Politik der PDK in den vergangenen Jahren darstellte, können wir seit 2020 erkennen, dass kurdische Patrioten nun direkt angegriffen und ermordet werden. So fiel zuletzt im Mai dieses Jahres der Patriot Mehmet Zeki Çelebi in Silêmanî einem gezielten Anschlag zum Opfer. Er hatte erst kurz zuvor öffentlich in den Medien erklärt, dass er vom MIT bedroht wird. Kurz darauf wurde er in Silêmanî erschossen. 2021 war es bereits zu ähnlichen Anschlägen gekommen. Bei einem dieser Angriffe wurde der Genosse Şükrü Serhat auf dieselbe brutale Art und Weise ermordet. Er hatte fast 40 Jahre seines Lebens in den Reihen der Befreiungsbewegung Kurdistans für die Freiheit des kurdischen Volkes gekämpft. In all diesen Fällen flohen die Mörder direkt nach ihrer Tat nach Hewlêr. Das zeigt deutlich, wo und vor allem von wem diese Morde geplant wurden. All diese Anschläge und Morde wurden gemeinsam vom MIT und Parastin geplant und ausgeführt.

Die Haltung der PDK gegenüber den mehr als 10.000 kurdischen Patrioten im Geflüchtetencamp Mexmûr gleicht der Haltung des völkermörderischen türkischen Staates. Sie betrachtet alle Menschen in dem Lager als Feinde und unternimmt alle erdenklichen Maßnahmen der Spezialkriegsführung, um die Flüchtlingsgemeinschaft auseinander zu treiben. Mithilfe einiger gebrochener Personen, die bewusst von der PDK in diese Lage gebracht wurden, gelangt sie an Informationen aus dem Camp. Diese Informationen leitet die PDK an den türkischen Staat weiter und sorgt so dafür, dass Patrioten, die eine führende Rolle innerhalb der dortigen Gesellschaft spielen, mithilfe türkischer Drohnen ermordet werden. Die PDK erlaubt es keinem einzigen Bewohner von Camp Mexmûr, nach Hewlêr zu gelangen. Gleichzeitig hat sie Hewlêr in ein Zentrum des völkermörderischen türkischen Staates verwandelt, das als Ausgangsbasis für verschiedenste Angriffe gegen Kurden gilt. Genau das ist es, was die PDK für die Bevölkerung Behdînans und die vor der faschistischen Türkei geflohenen Patrioten aus Nordkurdistan für angemessen hält. Sie vertritt ihnen gegenüber eine Haltung, die absolut der des türkischen Staates gleicht.

Der zweite Teil des Interviews erscheint am 18. Juni 2022.


[1] Wegweiser oder Anführer Apo; Dieser Begriff wird häufig von Mitgliedern und Sympathisanten der Freiheitsbewegung Kurdistans verwendet und drückt den Respekt gegenüber Abdullah Öcalan und die starke Verbundenheit mit ihm aus.

[2] Für einen Überblick über die grundlegenden ideologisch-politischen Ideen der Freiheitsbewegung Kurdistans, u.a. Demokratische Nation, Demokratische Autonomie und Demokratischer Konföderalismus, empfiehlt sich folgendes Interview: https://kck-info.com/interview-feb2421-video/

[3] Während des Kalten Krieges baute die NATO in verschiedenen Ländern Westeuropas sogenannte Stay-Behind-Armeen auf, die im Fall eines Angriffs der Sowjetunion den Widerstand leiten sollten. Die NATO sprach in diesem Zusammenhang von der „Operation Gladio“. Im Zuge dessen wurden in Ländern wie Deutschland, Italien oder der Türkei faschistische Kreise innerhalb der jeweiligen Staaten organisiert, die zahlreiche Anschläge auf Zivilisten oder Politiker in ihren Ländern durchführten. Vertreter der Freiheitsbewegung Kurdistans verwenden diesen Begriff weiterhin, um auf dementsprechende Aktivitäten der NATO aufmerksam zu machen, die auch heute noch stattfinden.

[4] Aufgrund des starken Drucks der NATO, aber auch unter aktiver Beteiligung Israels und Russlands, wurde Abdullah Öcalan am 9. Oktober 1998 gezwungen, Syrien zu verlassen. Nach einer mehrmonatigen Odyssee, die ihn unter anderem nach Griechenland, Russland und Italien führte, wurde Abdullah Öcalan am 15. Februar 1999 in der kenianischen Hauptstadt Nairobi entführt und in die Türkei gebracht. Seitdem ist er auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert. Die kurdische Gesellschaft bezeichnet diesen Großangriff auf ihre Bewegung als „Internationales Komplott“.

[5] Patriotische Union Kurdistans

[6] Aus Protest gegen die andauernden Angriffe des türkischen Staates stürmten am 26. Januar 2019 hunderte Bewohner der südkurdischen Stadt Şîladizê den türkischen Militärstützpunkt Sirê. Der Sturm auf die Basis erfolgte in Reaktion auf den Tod von kurdischen Zivilisten bei Luftangriffen der Türkei.

[7] Türkischer Geheimdienst

[8] Geheimdienst der PDK