Besê Hozat, Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) hat sich im ANF-Interview zu dem seit 25 Jahren andauernden Widerstand gegen den internationalen Versuch zur Eliminierung von Abdullah Öcalan und der kurdischen Freiheitsbewegung geäußert. Wir veröffentlichen den ersten Teil des Interviews.
Was war und ist das Ziel der kapitalistischen Moderne mit der Aufrechterhaltung der Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan? Was wollen sie mit dem von ihnen geschaffenen System der Folter erreichen?
Die Politik der Isolation ist die Fortsetzung des internationalen Komplotts mit einer anderen Methode und dem Beharren auf der Politik des Völkermordes an den Kurd:innen. Das Komplott wird seit fast 25 Jahren in Form von Isolation fortgesetzt. Obwohl Rêber Apo [Abdullah Öcalan] und seine Konzepte einer demokratischen Nation und eines demokratischen konföderalen Systems sowie der gesellschaftliche Widerstand, der sich auf der Grundlage dieser Konzepte entwickelte, das Komplott zum Scheitern brachten, beharren die daran beteiligten Mächte weiterhin auf ihrem Erfolg. Die Liquidierungspolitik geht weiter. Ziel ist es, Rêber Apo, die kurdische Freiheitsbewegung und das widerständige kurdische Volk zur Kapitulation zu zwingen. Weil das nicht gelingt, sollen die Führung, die Bewegung und das Volk durch eine vielschichtige Politik des Drucks, der Gewalt und der Isolation liquidiert werden, um mit einem totalen Völkermordkrieg zum Ziel zu kommen. Die Politik des Völkermordes an den Kurd:innen konzentriert sich auf Imrali und ist mit den am Komplott beteiligten Kräften verbunden. Das kapitalistische hegemoniale System und sein Gendarm im Mittleren Osten, der türkische Staat, begehen seit 25 Jahren Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit einer Politik der Folter und der Inhaftierung, weil sie nicht in der Lage waren, Rêber Apo zu brechen. Die sich von Imrali ausbreitende Folter und Isolation ist eine aktualisierte Methode des Völkermordes.
Nach dem Recht des türkischen Staates und dem internationalen Recht, das er unterzeichnet hat, haben alle, die verhaftet und verurteilt werden, unabhängig von den Gründen für die Verhaftung das Recht auf Kontakt mit einem Rechtsbeistand und mit Familienangehörigen. Sie haben das Recht, Kommunikationsmittel zu nutzen und mit der Außenwelt in Verbindung zu treten. Dieses Recht ist durch Gesetz und Verfassung garantiert. Doch der türkische Staat wendet sein eigenes Recht seit 25 Jahren nicht mehr an. Er wendet nicht nur sein eigenes Recht nicht an, sondern missachtet auch das internationale Recht. Als Rêber Apo nach Imrali gebracht wurde, durfte er sich jahrelang nicht mit seinen Anwält:innen treffen, mit der „Begründung", dass das Schiff, das die Menschen auf die Insel bringen sollte, außer Betrieb sei und dass schlechtes Wetter herrsche. In den letzten Jahren wurden Anwaltsgespräche mit so genannten Disziplinarstrafen verhindert. Disziplinarstrafen sind ein neues Produkt der Sonderkriegsführung des faschistischen, genozidalen türkischen Staates. Mit der Demagogie der Disziplinarstrafen hindert er Rêber Apo daran, sein völkerrechtlich verbrieftes Recht wahrzunehmen, das auch als „Recht auf Hoffnung" bekannt ist. In den Mitgliedsstaaten des Europarats sieht das „Recht auf Hoffnung" die Freilassung aller Verurteilten vor, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden und 25 Jahre im Gefängnis verbracht haben. Der türkische Staat, der Mitglied des Europarats ist, verhindert die Umsetzung dieses Rechts unter dem Vorwand von Disziplinarstrafen. Er versucht, die Welt dazu zu bringen, die sich im Laufe der Zeit ausgebreitete Politik der Eliminierung zu akzeptieren, indem er die von ihm unterzeichneten internationalen Gesetze bedeutungslos macht. Er will den Krieg gegen die Kurd:innen mit einem Völkermord zum Abschluss zu bringen.
Der türkische Staat zielt darauf ab, den Willen des kurdischen Volkes zu brechen und es durch ein Folter- und Isolationssystem in Gefangenschaft zu nehmen. Er zielt darauf ab, in der Gesellschaft Unglauben und Verzweiflung zu erzeugen und den Eindruck zu erwecken, dass man mit Kampf und Widerstand nichts erreichen kann. Der völkermordende Faschismus hat Angst vor Rêber Apos ideologischer und politischer Haltung, vor seiner Denkkraft, und versucht, seine Wirkung auf die Außenwelt zu brechen. Die Isolationspolitik ist eine Konsequenzt des Völkermordes. Der Krieg gegen Rêber Apo ist ein Völkermordkrieg gegen das kurdische Volk. Rêber Apo vertritt den Freiheitswillen des kurdischen Volkes. Er ist die Adresse für eine demokratische Lösung der sogenannten „kurdischen Frage". Jedes Vorgehen gegen Rêber Apo muss als ein Vorgehen gegen das kurdische Volk und gegen eine Lösung der kurdischen Frage verstanden werden.
Eine der wesentlichen Dimensionen des Isolationssystems ist die politische Dimension. Wenn wir es unter diesem Gesichtspunkt betrachten, wie spiegelt sich die Isolation nach außen hin wider, wie soll die Verbindung hergestellt werden?
Die faschistische AKP/MHP-Regierung hat das Folter- und Isolationssystem, das auf Imrali praktiziert wird, zusammen mit ihrer Politik des Völkermords zu einem politischen Instrument ihrer speziellen Kriegsführung gemacht. Sie benutzt das System der Isolation gegen die Kurd:innen und andere Völker als ein Instrument der Bedrohung. Die AKP hat den Prozess der sogenannten „Friedensgespräche" zwischen 2013 und 2015 als Instrument genutzt, um den Staat vollständig zu beherrschen. In diesem Sinne ist der Krieg gegen Imrali das Produkt einer sehr geplanten, programmierten, umfassenden und tiefgreifenden Politik, die auf einer langfristigen Strategie beruht. Die raffinierteste Form der jahrhundertealten Völkermordpolitik wird auf Imrali durchgeführt. In dieser Hinsicht ist sie als rein ideologisch und politisch zu betrachten.
Der türkische Staat hat sogar sein eigenes Recht vollständig abgeschafft, um seinen Völkermordplan gegen die Kurd:innen zu Ende zu bringen. Er hat die Justiz an Erdoğan gebunden und unter sein Kommando gestellt. Diese Justiz ist zu einem politischen Organ geworden, das einen Völkermord zum Ziel hat. Sie führt einen wesentlichen Teil des Krieges gegen die Kurd:innen und hat sich in ein mörderisches Werkzeug verwandelt, das die Anweisungen einer faschistischen Regierung erfüllt. Dieses mörderische Werkzeug schneidet denjenigen die Zunge heraus, die es wagen, den Mund aufzumachen, und lässt diejenigen, die dagegen protestieren, in den Gefängnissen verrotten. Die faschistische Diktatur versucht, die demokratische Opposition mit der Waffe der Judikative einzuschüchtern und zu isolieren. Während der Faschismus politische, soziale, kulturelle, wirtschaftliche, ökologische und militärische Völkermordangriffe in Kurdistan durchführt, hat er auch den Druck und die Gewalt auf die Gesellschaft in der Türkei erhöht, in dem Wissen, dass der völkermörderische Krieg nicht geschwächt werden wird. All dieser Druck hat seinen Ursprung in der auf Imrali ausgerichteten Völkermordpolitik.
Die AKP/MHP-Koalition regiert die Türkei wie eine faschistische Diktatur. Aus Angst, dass die Kurd:innen davon profitieren könnten, hat sie nicht den kleinsten Rest von Demokratie und Recht bestehen lassen. Sie hat einen bedeutenden Teil der türkischen Gesellschaft militarisiert und sie mit rassistischem Nationalismus vergiftet und verfaulen lassen. Die Konvention des Türkentums, die auf der Grundlage der Kurdenfeindschaft geschaffen wurde, ist zum einzigen Gesetz und zur einzigen Verfassung der Türkei geworden. Der Faschismus hat mit der Ideologie einer türkisch-islamischen Synthese einen tiefen Riss in der Gesellschaft verursacht und das Gewissen, die Moral und die politische Haltung der Menschen isoliert. Der faschistische Staat führt Krieg nach innen und außen, im Inland und in der Welt, um seine Existenz zu sichern.
Haben der faschistische türkische Staat und die internationalen Mächte mit dem internationalen Komplott und der anschließenden 25-jährigen Isolation das erreicht, was sie wollten, und wenn nicht, was sind die Gründe dafür?
Die Isolation, die Rêber Apo 25 Jahre lang auferlegt wurde, hat der Bevölkerung der Türkei nichts als große Zerstörung gebracht. Die auf der Politik des Völkermords beruhende Isolation hat die Kluft, die für eine Lösung der kurdischen Frage überwunden werden muss, vertieft und die Türkei völlig von Demokratie, Recht und Gesetz entfernt. Die Kriegspolitik hat die Gesellschaft verarmt, ihre moralischen und politischen Werte zerstört, einen tiefen Verfall der Gesellschaft bewirkt und alle wirtschaftlichen Ressourcen des Staates aufgezehrt. Die gesamten wirtschaftlichen Ressourcen der Türkei wurden für den Krieg gegen die Kurd:innen ausgegeben. Seit 25 Jahren regnen Bomben auf die Berge, Ebenen und Städte Kurdistans nieder. Zehntausende Banden und Kontras wurden gefüttert, um kurdisches Blut zu vergießen. Hunderte von Millionen Dollar werden für Spionage ausgegeben. Milliarden von Dollar werden für Waffen und Lobbys ausgegeben, um eine anti-kurdische Stimmung zu fördern. Die Türkei bricht Rekorde beim Drogenkonsum und -verkauf. Der Grund dafür ist der Krieg. Mit dem Drogenhandel wird einerseits der gesellschaftliche Verfall vorangetrieben und andererseits werden die Kriegskosten gedeckt. Die Türkei ist eines der Länder, in denen sich die Bandenorganisation am stärksten entwickelt, sie steht sogar an der Spitze der Weltrangliste. Sie führt mit allen Formen der Bandenorganisation Krieg gegen die Kurd:innen. Der Hauptgrund, warum der Putschmechanismus in der Türkei ununterbrochen funktioniert, ist eine auf Verleugnung und Vernichtung beruhende Politik und das Ausbleiben einer politischen Lösung der kurdischen Frage.
Nach 25 Jahren ist der Punkt erreicht, dass die Isolationspolitik für den türkischen Staat und die Gesellschaft der Türkei außer der Zerstörung durch die faschistische Diktatur kein Ergebnis gebracht hat. Der türkische Staat wollte Rêber Apo durch die Isolationspolitik zur Kapitulation zwingen, was ihm jedoch nicht gelang. Der Widerstand von Rêber Apo verbreitete sich in der Gesellschaft und hat eine globale Dimension angenommen. Der türkische Staat wollte mit seiner Isolationspolitik den Einfluss von Rêber Apo unterbinden, was ihm ebenfalls nicht gelang. Heute werden Rêber Apos Ideen und Thesen in der ganzen Welt diskutiert, und sie werden als demokratische Lösung zur Überwindung sozialer und systemischer Probleme angesehen und begrüßt. Der türkische Staat hingegen ist mit seinem faschistischen Charakter von den Völkern der Welt isoliert. Er hat vergeblich versucht, den Willen des kurdischen Volkes zu brechen. Das kurdische Volk wuchs in seinem Widerstand für die Freiheit, und mit der Frauenrevolution in Rojava wurde es zu einer Hoffnung für die Völker der Region und der Welt. Mit dem Slogan „Jin, Jiyan, Azadî" brachte diese Hoffnung den Menschen und insbesondere den Frauen auf der ganzen Welt ein freies und demokratisches Leben näher. Am Ende von 25 Jahren haben die Völker und Frauen gewonnen. Der Kampf für die Freiheit entwickelte sich, wuchs und wurde universell. Der faschistische türkische Staat und die am internationalen Komplott beteiligten Kräfte wurden entlarvt und zurückgedrängt.
Was wirklich und mächtig ist, ist das Recht und die Wahrheit. Unter der Führung von Rêber Apo führt das kurdische Volk den gerechtesten und legitimsten Kampf der Menschheitsgeschichte. Die Kurd:innen, eines der ältesten Völker der Geschichte und die kulturelle Stammzelle der Menschheit, die die neolithische Gesellschaft hervorgebracht hat, wollen ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Identität, ihre Freiheit und ihre Selbstverwaltung, die ihnen bisher verweigert und ignoriert wurden. Sie führen einen richtigen und gerechten Kampf. Er kann nicht durch eine Politik der Verleugnung, Zerstörung und Isolation zerstört werden. Die Geschichte der Menschheit zeigt uns, dass die Wahrheit immer über Unterdrückung und Faschismus gesiegt hat.