Die im Mai in der nordkurdischen Metropole Amed (türk. Diyarbakir) im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen den Frauenverein Rosa verhaftete Aktivistin und Vereinsvorsitzende Adalet Kaya ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Am Dienstag gab ein Gericht in Amed dem Einspruch ihrer Verteidigung statt, die Frauenrechtlerin konnte bereits das Gefängnis verlassen. Der Prozess gegen sie wird im September eröffnet.
Kaya war am 22. Mai in ihrer Wohnung in Amed festgenommen und zwei Tage später mit elf weiteren Personen aus der kurdischen Frauenbewegung sowie HDP-Strukturen verhaftet worden. Das Verfahren gegen sie beruht formal auf den Aussagen namentlich nicht benannter Zeugen. Der Frauenverein Rosa wurde 2018 als Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen gegründet und stellt nach der staatlich verordneten Schließung aller städtischen Fraueneinrichtungen die einzige Institution dar, an die Frauen sich bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf wenden können.
Laut einer anonymen Zeugenaussage, die den Beschuldigten im Verhör vorgelegt wurde, soll der Verein gegründet worden sein, um Mitglieder für eine Terrororganisation – gemeint ist die PKK – zu werben, indem er öffentlichkeitswirksame Themen wie Femizide und Gewalt an Frauen benutzt. Des Weiteren wurden die Aktivistinnen befragt, warum sie zum internationalen Frauenkampftag am 8. März eine Kundgebung organisiert haben, Erklärungen gegen die Einsetzung von Zwangsverwaltern in den von der HDP regierten Rathäusern abgaben und den Rat der Friedensmütter während des Hungerstreiks gegen die Isolation Abdullah Öcalans im vergangenen Jahr unterstützt haben.
Ein weiterer Punkt, mit dem sich Kaya außerdem auseinandersetzen muss, ist ihre Antwort in einem abgehörten Telefongespräch auf die Frage nach ihrem Befinden: „Mir geht es nicht gut, gleich nach dem Aufwachen habe ich in den sozialen Medien die Kriegsnachrichten gesehen.“ Der Prozess gegen Kaya sollte eigentlich schon im Juli stattfinden. Inzwischen ist das Verfahren mit dem gegen Remziye Sızıcı zusammengelegt worden. Der genaue Verhandlungstermin steht allerdings noch nicht fest.