Frauenverein Rosa: Wir stehen zu unserer Arbeit

Der in der Türkei kriminalisierte Frauenverein Rosa, der sich gegen Gewalt an Frauen engagiert, hat auf einer Pressekonferenz in Amed die Fortsetzung seiner Arbeit angekündigt und auf die Hintergründe der Verhaftung seiner Mitglieder aufmerksam gemacht.

Der Frauenverein Rosa hat sich auf einer Pressekonferenz zu der Durchsuchung seiner Räumlichkeiten und der Verhaftung mehrerer Mitglieder vor zehn Tagen in Amed geäußert. „Wir stehen hinter allen unseren Tätigkeiten und werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir von unseren Rechten Gebrauch machen“, lautete die zentrale Botschaft auf der Pressekonferenz vor dem Vereinsgebäude, die von zahlreichen Frauen, darunter Mitglieder der Frauenbewegung TJA und des Vereins „Jurist*innen für Freiheit“ (ÖHD) sowie die HDP-Abgeordnete Dersim Dağ, teilnahmen.

Die Rechtsanwältin Gözde Engin vom Vorstand des Frauenvereins sagte zu den Anschuldigungen, die zur Verhaftung von zwölf Personen geführt haben, dass diese nicht einmal eine Vorladung rechtfertigen würden. Alle im Ermittlungsverfahren aufgeführten Veranstaltungen seien im Vorfeld vom Gouverneursamt genehmigt worden. Die gesamte Tätigkeit habe der legalen Prozedur und dem Vereinszweck entsprochen. „Wir veröffentlichen heute unseren Tätigkeitsbericht seit der Vereinsgründung und erklären hiermit, dass wir hinter allen Tätigkeiten stehen“, sagte die Rechtsanwältin und zählte die öffentlichen Veranstaltungen auf, die der Verein durchgeführt hat, um auf Missbrauch von Kindern, Gewalt gegen Frauen und die zerstörerischen Auswirkungen von Krieg aufmerksam zu machen.

Seit der Vereinsgründung haben sich laut Gözde Engin 160 Frauen mit Gewalterfahrungen an den Verein gewandt, davon 44 seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Frauen wurden beraten und auf Wunsch an Schutzhäuser weitergeleitet. Auch in Fällen von Kindesvernachlässigung oder sexuellem Missbrauch werden die Betroffenen an entsprechende Stellen weitergeleitet. Zu der Arbeit des Vereins während der Pandemie erklärte Gözde Engin: „Wir haben 76 Frauen, die ihren Lebensunterhalt als Reinigungskräfte verdienen, telefonisch zu ihrer Situation befragt und die Umfrageergebnisse veröffentlicht. Außerdem haben wir telefonischen Kontakt zu 276 Frauen hergestellt, um zu zeigen, dass keine Frau während der Pandemie allein gelassen wird und wir unter allen Bedingungen solidarisch sind.“

Gözde Engin äußerte sich auch zu den Gerüchten, dass bei der Durchsuchung der Vereinsräume persönliche Unterlagen der unterstützten Gewaltopfer beschlagnahmt worden seien. Alle sensiblen Daten seien verschlüsselt gespeichert worden, so dass eine Einsichtnahme durch Dritte nicht möglich sei.

Schlechte Stimmung als Beleg für Terrorvorwürfe

Dem Verein wird unter anderem vorgeworfen, Erklärungen gegen den Krieg und gegen die Einsetzung von Zwangsverwaltern in kurdischen Rathäusern abgegeben zu haben. Diese Stellungnahmen werden als Beweismittel für die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation herangezogen. „Unserer Vorsitzenden Adalet Kaya wird vorgeworfen, dass sie in einem abgehörten Telefongespräch auf die Frage nach ihrem Befinden geantwortet hat: ‚Mir geht es nicht gut, gleich nach dem Aufwachen habe ich in den sozialen Medien die Kriegsnachrichten gesehen.‘ In diesem Zusammenhang können wir allen nur zur Vorsicht raten. Achtet darauf, was eure Laune verdirbt, denn in diesem Land kann es als Beweismittel herangezogen werden. Wenn ihr zusätzlich auch noch Kurdin seid, kann eure schlechte Laune dazu führen, dass ihr der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation beschuldigt werdet“, so Rechtsanwältin Özge Engin.

Der Frauenverein interpretiert die Repression gegen ihn als Operation, um Frauen im Vorfeld der geplanten Gesetzesänderungen zu Sexualstraftaten zum Schweigen zu bringen, erläuterte Engin und sagte abschließend: „Als Frauenverein Rosa stehen wir zu allen von uns unternommenen Tätigkeiten. Wir werden uns bei niemandem dafür entschuldigen, dass wir unsere verfassungsrechtlich verankerten Rechte wahrgenommen haben. Nicht unsere Mitstreiterinnen gehören vor Gericht, sondern Vergewaltiger und Mörder. Vielleicht können wir dann eines Tages aufwachen, ohne von einem neuen Femizid zu hören. Und vielleicht müssen wir dann auch nicht mehr so viele Veranstaltungen machen. Wir werden alles, was wir bisher getan haben, auch weiterhin tun.“