Amed: Hass auf organisierte Frauen und solidarische Männer

In Amed sind am Wochenende zwölf Personen als mutmaßliche Mitglieder einer Terrororganisation verhaftet worden. Den vier männlichen Betroffenen wird offenbar vorgeworfen, „heimliche Mitglieder“ des Frauenvereins Rosa zu sein.

In Amed sind am Wochenende zwölf Personen als mutmaßliche Mitglieder einer Terrororganisation verhaftet worden. Gegen insgesamt 18 Personen wird im Rahmen eines Verfahrens gegen den Frauenverein Rosa ermittelt. Fünf der am vergangenen Freitag Festgenommenen wurden gegen Meldeauflagen freigelassen, die „Friedensmutter“ Havva Kiran wurde unter Hausarrest gestellt.

Das Verfahren beruht formal auf den Aussagen namentlich nicht benannter Zeugen. Der Frauenverein Rosa wurde 2018 als Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen gegründet und stellt nach der staatlich verordneten Schließung aller städtischen Fraueneinrichtungen die einzige Institution dar, an die Frauen sich bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf wenden können. Laut einer anonymen Zeugenaussage, die den Beschuldigten im Verhör vorgelegt wurde, soll der Verein gegründet worden sein, um Mitglieder für eine Terrororganisation – die PKK – zu werben, indem er öffentlichkeitswirksame Themen wie Femizide und Gewalt an Frauen benutzt.

Bei den Beschuldigten handelt es sich neben Mitgliedern des Frauenvereins Rosa um Politikerinnen und Politiker der HDP und DBP. Den verhafteten Männern wird offenbar vorgeworfen, „heimliche Mitglieder“ des Frauenvereins zu sein. Der DBP-Politiker Celal Yoldaş wurde im Verhör beschuldigt, finanzielle Unterstützung geleistet zu haben. Er wurde unter anderem gefragt, warum er an Aktivitäten zum internationalen Frauentag am 8. März teilgenommen hat.

Auch der ehemaligen HDP-Abgeordnete Ayla Akat Ata, die den Frauenverein mitgegründet hat und am Samstag gegen Meldeauflagen freigelassen wurde, wird die Beteiligung an einer Veranstaltung zum 8. März vorgeworfen, außerdem die Teilnahme an einer Konferenz der „Bewegung Freier Frauen“ (TJA) im Jahr 2018, die Verbreitung einer Erklärung mit der Überschrift „Frauen wollen Frieden“ im Jahr 2019 und der Protest gegen die Einsetzung von Zwangsverwaltern in HDP-geführten Rathäusern. Ayla Akat Ata wird laut der Akte seit dem 9. Februar 2020 observiert.

Bei der Durchsuchung der Vereinsräume am Freitag wurden Unterlagen und Transparente beschlagnahmt. Auf den Transparenten stand „Morde an Frauen sind politisch“ und „Steh auf und organisiere dich gegen männliche und staatliche Gewalt“. Die türkischen Behörden sehen in diesen Aussagen den Versuch, die Bevölkerung „gegen den Staat“ aufzuhetzen und „zum Vorteil der Terrororganisation eine chaotische Atmosphäre“ zu schaffen.

Havva Kiran, langjähriges Mitglied des Rates der Friedensmütter, wurde im Verhör gefragt, warum sie an Trauerfeiern für gefallene HPG-Mitglieder, Pressekonferenzen des Menschenrechtsvereins IHD und Veranstaltungen für die kurdische Einheit teilgenommen hat. Die 65-Jährige, die bereits diverse Male festgenommen wurde, ist unter Hausarrest gestellt worden. Ihre Wohnung wurde bei der polizeilichen Durchsuchung am Freitag verwüstet.