Rosa: Staatliche Gewalt gegen Frauenbefreiungskampf

„Die Angriffe machen uns einfach nur wütend. Diese Wut wird aber bewirken, dass wir uns noch besser organisieren und stärkere Schritte unternehmen“, erklärt die Aktivistin Adalet Kaya mit Blick auf die staatliche Gewalt gegen den Frauenverein Rosa in Amed

Auf den Frauenverein Rosa rollt eine neue Repressionswelle zu. Über zwanzig Mitglieder der Institution mit Sitz in Amed (tr. Diyarbakir) sind am Montag bei teils martialischen Hausdurchsuchungen festgenommen worden, insgesamt sind 33 Frauen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zur Festnahme ausgeschrieben. Begründet wird der neue Repressionsschlag von der Staatsanwaltschaft Diyarbakir damit, Rosa würde „unter dem Deckmantel legaler Strukturen“ Terrorismus betreiben. Bei den Razzien wurden auch Unterlagen beschlagnahmt, die für eine Vereinsprüfung und -kontrolle im Mai benötigt werden.

Rosa: Einzige Anlaufstelle für Opfer patriarchaler Gewalt

Die Aktivistinnen des Vereins sind mehr als empört. Die Frauenrechtlerin und Rosa-Vorsitzende Adalet Kaya bezeichnete das Verfahren gegen ihre Einrichtung als „Angriff der systematischen staatlichen Gewalt“. Bei dem 2018 in Amed gegründeten Verein handelt es sich um eine Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen. Rosa stellt nach der staatlich verordneten Schließung aller städtischen Fraueneinrichtungen im Zuge des Putschversuchs von 2016 mittlerweile die einzige Institution in Amed dar, an die Frauen sich bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf wenden können. Bereits seit Mai vergangenen Jahres konzentrieren sich die Unterdrückungsmechanismen türkischer Behörden auf den Verein, zahlreiche Mitglieder wurden 2020 festgenommen und verhaftet – auch Adalet Kaya. Damals hieß es, der Verein soll gegründet worden sein, um Mitglieder für eine Terrororganisation – gemeint ist die PKK – zu werben, indem er öffentlichkeitswirksame Themen wie Femizide und Gewalt an Frauen benutzt.

Kaya: Wir sind wütend

„Diese Angriffe machen uns einfach nur wütend. Diese Wut wird aber bewirken, dass wir uns noch besser organisieren und stärkere Schritte unternehmen“, sagte Kaya bei einer Presseerklärung mit Blick auf die Festnahmewelle. Es handele sich eindeutig um juristische Schikane, der Rosa seit bald einem Jahr ausgesetzt sei. Inzwischen gebe es fast keine einzige Frau innerhalb der Frauenbefreiungsbewegung in Amed, gegen die nicht ermittelt werden. „Wir werden uns von der Repression aber nicht einschüchtern lassen, sondern weiter für Frauenrechte kämpfen“, so Kaya.

„Als Verein Rosa führen wir einen Kampf gegen den Femizid. Unser Widerstand richtet sich gegen jegliche Formen von Gewalt an Frauen, gegen sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, die sogenannte Kinderheirat, Zwangsehen. Wir kämpfen für den Erhalt der Istanbul-Konvention und dagegen, dass Frauen ihrem Recht auf Unterhaltszahlungen beraubt werden. Auch haben wir uns gegen die Reform des Strafvollzugsgesetzes zur Wehr gesetzt. All dies taucht in den Ermittlungsakten gegen uns als vermeintliche Straftat auf. Unsere nun festgenommenen Freundinnen befinden sich einzig aus dem Grund in Gewahrsam, weil sie sich an all diesen Aktivitäten beteiligt haben. Unser Verein soll auf diese Weise kriminalisiert werden.“

Repression richtet sich gegen Frauensolidarität

Kaya glaubt, dass sich die staatliche Repression gegen den Verein Rosa deshalb gesteigert hat, weil die Solidarität kurdischer und türkischer Frauenorganisationen untereinander wächst. „Diese Bindung ist dem Staat als Quelle der patriarchalen Gewalt ein Dorn im Auge und soll geschwächt werden. Unser Motto lautet aber: Keine mehr! Wir kämpfen gegen Femizid, dagegen, dass Frauen vergewaltigt werden. Hinter Femizid steht ein System, das kollektiv bekämpft werden muss. Von diesem Widerstand werden wir niemals zurückweichen. Unsere Stimmen werden angesichts der Ungerechtigkeit Frauen gegenüber nur noch lauter sein. Wir bleiben unserem Versprechen, für alle Frauen Freiheit, Gleichberechtigung, Frieden und Gerechtigkeit zu erwirken, verbunden.“

Aufruf zur Großdemonstration für Istanbul-Konvention

Zum Ende ihrer Ansprache wies Kaya auf die Großdemonstration kurdischer Frauenorganisationen am 10. April in Amed hin. Die Offensive richtet sich gegen den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention. An der zentralen Demonstration werden sich auch Frauen und Einrichtungen aus den umliegenden Städten beteiligen. Organisiert wird der Protest vom Frauenrat der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und der Bewegung freier Frauen (Tevgera Jinên Azad).