Notwehrexzess: Melek Ipek aus dem Gefängnis entlassen

Die 31-jährige Melek Ipek aus Antalya, die zur Selbstverteidigung ihren gewalttätigen Ehemann erschossen hat und daraufhin verhaftet wurde, ist frei. Das Gericht sah einen „Notwehrexzess” – das Überschreiten der an sich zulässigen Notwehr gegeben.

Die 31-jährige Melek Ipek aus Antalya, die Anfang des Jahres zur Selbstverteidigung ihren gewalttätigen Ehemann erschossen hatte und seitdem in Untersuchungshaft saß, ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Ein Gericht in der südtürkischen Küstenprovinz sah einen „Notwehrexzess” – das Überschreiten der an sich zulässigen Notwehr gegeben und hob den Haftbefehl gegen die zweifache Mutter auf. „Ich bin wieder mit meinen Kindern zusammen. Diese Nacht kann ich endlich ruhig schlafen”, sagte Ipek am Montagabend nach ihrer Entlassung aus dem L-Typ-Gefängnis im Kreis Döşemealtı. Bei Frauen und Frauenrechtsorganisationen sorgte die Gerichtsentscheidung für Erleichterung. In digitalen Netzwerken schrieben viele Nutzerinnen: „Die beste Nachricht des Tages.”

Der verhandelte Vorfall ereignete sich am 8. Januar. Der 37-jährige Ramazan Ipek hatte seine Ehefrau am Abend zuvor gefesselt und die ganze Nacht über schwer misshandelt und vergewaltigt, nachdem sie bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert wurde. Als er ankündigte, sie und die gemeinsamen Töchter im Alter von sechs und acht Jahren zu töten, verteidigte sich Melek Ipek und erschoss den Gewalttäter mit einem Gewehr. Anschließend rief sie den ärztlichen Notdienst. Bei ihrer Vernehmung gab die 31-Jährige an, dass sie ihren Ehemann mit dem Gewehr nur habe abschrecken wollen. Dieser habe sich daraufhin auf sie gestürzt, dabei löste sich der tödliche Schuss.

Melek Ipek nach der Haftentlassung | Quelle: Evrensel

Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst keine Notwehrsituation für Melek Ipek erkennen wollen und Anklage wegen vorsätzlichem Mord erhoben. Im Verlauf des Verfahrens wurde dann eine Änderung in der Anklage vorgenommen und auf fahrlässige Tötung mit einem Strafmaß zwischen zwei und sechs Jahren plädiert. Die Richter sahen das anders und folgten der Argumentation der Verteidigung, dass Melek Ipek in einem psychischen Ausnahmezustand gewesen sei und die Tötung in einem Notwehrexzess begangen habe. „Sie hat reagiert, als eine unmittelbare Bedrohung gegen ihres und das Leben ihrer Töchter stattfand. Hätte sich der für Ramazan Ipek tödlich wirkende Schuss nicht gelöst, wäre sie selbst niedergeschossen worden.” Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Türkische Notwehrbestimmungen nach deutschem Vorbild

Laut Artikel 27/2 des türkischen Strafgesetzbuches wird der- oder diejenige nicht bestraft, der/die „aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken” die Grenze der Notwehr beziehungsweise Nothilfe überschreitet. Jurist*innen sprechen in einem solchen Fall von einem „intensiven Notwehrexzess”. Es handelt sich hier nicht wie bei der Notwehr selbst um einen Rechtfertigungsgrund. Vielmehr entfällt die Schuld der Tatbegehenden bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27/2. Die gesetzlichen Notwehrbestimmungen in der Türkei entstanden unter dem starken Einfluss des deutschen Strafgesetzbuches.