Kurdischer Journalismustag
Medienschaffende spielten eine wichtige Rolle bei der Berichterstattung über den vom selbsternannten Islamischen Staat (IS) begangenen Völkermord an der ezidischen Gemeinschaft in Şengal am 3. August 2014. Seither hat sich der Jorunalismus in Şengal weiterentwickelt. Die ezidische Gemeinschaft und insbesondere ihre Frauen erheben selbst die Stimme und präsentieren sie der Öffentlichkeit. Anlässlich des 127. Tags des kurdischen Journalismus sprach die Frauennachrichtenagentur JINHA mit den beiden ezidischen Journalistinnen Emîra Zozan und Hêvîdar Şengalî über ihre Arbeit, deren Bedeutung und die akuten Angriffe auf Medienschaffende in Şengal.
Journalismus als Schutz
Emîra Zozan ist Journalistin und Mitglied der Union junger ezidischer Frauen. Die Berichterstattung aus eigener Perspektive trägt für sie eine enorme Bedeutung für Sichtbarkeit und damit auch für den Schutz. Sie sagte: „Der 22. April ist ein wichtiger Tag, dessen Name in goldenen Lettern in die Geschichte eingegangen ist. Dank der Arbeit der Gefallenen sind wir heute in Şengal Journalistinnen. Vor dem Völkermord gab es in Şengal keine Journalist:innen. Hätte es sie gegeben, wären wir nicht dem Völkermord ausgesetzt gewesen.“
„Wir werden weiterhin die Farbe und Stimme der ezidischen Gemeinschaft sein“
Die junge Medienschaffende beschrieb den Weg, wie vor Ort eigene Pressearbeiten aufgebaut wurden: „Die Journalistin Nujîyan Erhan gründete die Frauenpresse in Şengal im Jahr 2015. Am Anfang stand sie vor vielen Herausforderungen, weil unsere Gesellschaft nichts für den Journalismus getan hat. Heute ist die Frauenpresse in Şengal sehr stark, dank unserer Gefallenen und Genossinnen wie Nûjiyan.
Heute verstehen wir unsere Geschichte, die Geschichte der Frauenpresse, und unternehmen große Anstrengungen motiviert von den Gedanken und der Philosophie von Abdullah Öcalan. Obwohl gegen die Journalistinnen in Şengal ein spezieller Krieg und systematische Angriffe geführt werden, sind wir entschlossen, ihnen zu widerstehen. Viele unserer Kolleginnen wurden bisher getötet. Wir geloben, in ihre Fußstapfen zu treten und die Stimme der Wahrheit zu sein. Als Journalistinnen werden wir weiterhin die Farbe und die Stimme der ezidischen Gemeinschaft sein.“
„Wenn du denkst, bist du frei“
Nûjiyan Erhan hat vielen Frauen beigebracht, wie man Journalistin wird. „Ezidische Journalistinnen werden immer die Stimme der Frauen und ihrer Gemeinschaft sein“, sagte Emîra Zozan. „Wir sind die Schülerinnen Nûjiyans. Als Frauen müssen wir uns gegen die patriarchale Denkweise, die unsere Gesellschaft prägt, zusammenschließen. Wenn du denkst, bist du frei. Als Journalistinnen müssen wir immer denken und uns verbessern.“
Medienschaffende im Visier
Hêvîdar Şengalî, eine Reporterin von Jin TV, wünschte allen Journalist:innen einen fröhlichen kurdischen Journalismustag und sagte: „Der Journalismus hat sich in Şengal unter der Führung von Frauen seit etwa 10 Jahren entwickelt. Als ezidische Journalistinnen unternehmen wir große Anstrengungen, um der Stimme unseres Volkes Gehör zu verschaffen. Es ist bekannt, dass Journalist:innen überall verfolgt, getötet und verhaftet werden. Sie werden in Nordkurdistan verhaftet und in Rojava getötet, während sie über Zusammenstöße berichten. Auch in Şengal werden Medienschaffende zur Zielscheibe. Vor zwei Jahren wurde unser Kollege Murad bei einem Angriff auf ein Journalistenfahrzeug getötet.“
Die TV-Reporterin lässt sich nicht einschüchtern, sie weiß um die Wichtigkeit ihrer Arbeit: „Wir werden der Wahrheit nachgehen, auch wenn wir angegriffen und getötet werden. Wir machen Journalismus, indem wir in die Fußstapfen der Gefallenen Nûjiyan treten. Als Journalistinnen rufen wir alle jungen Frauen dazu auf, die Stimme der Wahrheit zu sein.“
Nûjiyan Erhan
Die Journalistin Nûjiyan Erhan hielt sich ab Frühjahr 2015 in Şengal auf, um den IS-Genozid und den Widerstand dagegen zu dokumentieren. Dabei führte sie Interviews mit Überlebenden, vor allem mit ezidischen Frauen. Zudem bildete sie Ezidinnen für die journalistische Arbeit aus. Durch einen Sniper der von der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) ausgebildeten „Roj Peschmerga“ wurde sie am 3. März 2017 in der Stadt Xanesor gezielt getötet. Seitdem hat sich der Journalismus in Şengal weiterentwickelt und es wurden Erfahrungen gesammelt, um den Stimmen der Menschen Gehör zu verschaffen.
Der Tag des kurdischen Journalismus
Die erste Ausgabe der Zeitung Kurdistan wurde vor 127 Jahren, am 22. April 1898 von Mîqdad Mîdhat Bedirxan veröffentlicht. Aufgrund der Unterdrückung durch das Osmanische Reich wurde sie in Kairo gedruckt. Von 1898 bis 1902 wurden insgesamt 31 Ausgaben der Zeitung veröffentlicht. Seit 1973 wird der 22. April als Tag des kurdischen Journalismus begangen.
Titelbild © JINHA