In Amed (tr. Diyarbakır) ist der Drogenkonsum unter Jugendlichen dramatisch angestiegen – laut aktuellen Berichten beginnt der Konsum teilweise bereits im Alter von unter zwölf Jahren. Angesichts dieser alarmierenden Entwicklung haben zahlreiche Organisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen eine neue Initiative gegründet: „Şiyar Be! – Plattform für den Kampf gegen Drogen“. Die Gründung war am Samstag im Rahmen einer Demonstration durch Amed deklariert worden. Ziel der Initiative ist es, ein umfassendes gesellschaftliches Netzwerk aufzubauen, um dem zunehmenden Drogenmissbrauch und der damit verbundenen sozialen Zerstörung entschlossen entgegenzutreten.
Erschreckende Zahlen: Immer mehr Kinder betroffen
Laut dem Jahresbericht der Rechtsanwaltskammer Amed wurden im Jahr 2023 über 2.170 Personen in der Provinz wegen Herstellung und Handel mit Drogen strafrechtlich verfolgt. Besonders besorgniserregend: Unter den Angeklagten befanden sich auch sieben Kinder unter zwölf Jahren, zwei Kinder im Alter von 12 bis 15 Jahren sowie 27 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren. Die Zahlen zeigen, dass Drogenmissbrauch längst kein Randphänomen mehr in der Region ist – und dass insbesondere junge Menschen akut gefährdet sind.
„Wir werden die Gesellschaft neu aufbauen“
Bei der öffentlichen Gründungsveranstaltung betonte Recep Oruç von der Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen der Türkei (SES) die Dringlichkeit des Problems: „Das sinkende Einstiegsalter beim Drogenkonsum reißt tiefe Wunden in unsere Gesellschaft. Wir haben diese Plattform gegründet, um Antworten auf diese Krise zu finden.“
Recep Oruç © ANF
Oruç erklärte, dass Drogenabhängigkeit eng mit gesellschaftlichem Zerfall zusammenhänge: „Wenn Menschen keinen Halt mehr in der Gesellschaft finden, suchen sie ihn in Drogen. Unser Ziel ist es, diesen Zusammenhalt wiederherzustellen und die Gesellschaft von Grund auf neu aufzubauen.“
Er hob hervor, dass Drogenmissbrauch nicht nur Jugendliche betreffe: „Das ist ein Problem, das uns alle betrifft. Dass sogar Kinder im Alter von neun Jahren betroffen sind, ist ein unerträglicher Zustand. Wir wollen ein starkes Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen.“ Laut Oruç plant die Plattform, zunächst in den Stadtteilen und Vierteln aktiv zu werden und ihre Arbeit schrittweise auf alle gesellschaftlichen Bereiche auszudehnen.
Kampf gegen staatliche Vernachlässigung und bewusste Zerstörung
Zeynep Kaya, ebenfalls Mitglied der „Şiyar Be!“-Plattform, machte auf die politische Dimension des Problems aufmerksam: „Die Zunahme von Drogenkonsum, aber auch Prostitution und Bandenbildung ist eine direkte Folge der sogenannten Spezialkriegspolitik, die in den vergangenen Jahren insbesondere synchron zur Zwangsverwaltung kurdischer Kommunen vorangetrieben wurden. Diese Entwicklungen sind gewollt – und wir werden uns ihnen mit gesellschaftlicher Organisierung entgegenstellen.“
Zeynep Kaya © ANF
Kaya kündigte an, präventive Maßnahmen auf Nachbarschaftsebene einzuleiten, um den gefährdeten Jugendlichen Perspektiven jenseits der Drogenabhängigkeit zu eröffnen.
„Die Jugend braucht unsere Unterstützung“
Büşra Koruk, eine junge Teilnehmerin der Demonstration, hob hervor: „Wir sind hier, um unseren Altersgenoss:innen, den Jüngeren wie den Älteren, beizustehen. Abhängigkeit kann überwunden werden – wenn wir als Jugendliche gemeinsam Verantwortung übernehmen. Es ist an uns allen, insbesondere den Familien, Unterstützung zu leisten.“
Sie betonte, dass viele Jugendliche aus bloßer Nachahmung zum ersten Mal Drogen konsumieren: „Wir können diesen Teufelskreis durchbrechen – wenn wir als Gesellschaft zusammenstehen.“
Büşra Koruk © ANF
„Wir wollen ein sauberes, freies Leben“
Auch Lütfiye Çanaçık äußerte sich optimistisch: „Die bisherigen Anstrengungen ermutigen uns sehr. Aber es reicht noch nicht. Als Mütter werden wir uns ebenfalls auf die Straße begeben. Wir wollen diesen tödlichen Giftstoff aus jedem Winkel unserer Gesellschaft vertreiben. Unser Traum ist eine neue Generation – frei, gesund und ohne Abhängigkeit.“
Lütfiye Çanaçık © ANF
Ein entschlossener Anfang für gesellschaftliche Erneuerung
Die Plattform für den Kampf gegen Drogen will nicht nur Symptombekämpfung betreiben, sondern den Blick auf die gesellschaftlichen Wurzeln des Problems lenken: Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und bewusste staatliche Vernachlässigung. Ihr erklärtes Ziel ist es, soziale Solidarität und Bewusstsein zu stärken und die Grundlagen für eine freie, gerechte und gesunde Gesellschaft zu schaffen.