„Şiyar Be!“ – Neues Bündnis gegen Drogen und gesellschaftliche Zerstörung

In Amed wurde die Plattform „Şiyar Be!“ gegründet. Ihr Aufruf an demokratische Kräfte lautet, sich gemeinsam gegen Drogenmissbrauch, Prostitution und systematische gesellschaftliche Entfremdung zu organisieren – für eine freie und solidarische Zukunft.

Aufruf zum gesellschaftlichen Widerstand

In Amed (tr. Diyarbakır) wurde unter dem Motto „Şiyar Be!“ – zu Deutsch in etwa „Werde dir bewusst“ – ein neues gesellschaftliches Bündnis ins Leben gerufen, das sich dem Kampf gegen Drogenkonsum, Prostitution und die systematische Zerstörung gesellschaftlicher Werte verschrieben hat. Die Initiative wird von zahlreichen demokratischen Institutionen getragen und wurde am Sonnabend im Rahmen einer eindrucksvollen Demonstration öffentlich deklariert.

Begleitet von Parolen wie „Nein zu Drogen, ja zum Leben!“ sowie „Betäubt die Jugend nicht, um Armut zu verschleiern“ und Transparenten mit Aufschriften wie „Dieses System wird sich ändern“ und „Verbindet euch nicht mit Drogen, sondern mit dem Leben“, beteiligten sich hunderte Menschen an dem Protestzug, der vom Stadtzentrum bis in den Altstadtbezirk Sûr führte. Auch zahlreiche Politiker:innen, darunter die Ko-Vorsitzende der Partei der demokratischen Regionen (DBP), Çiğdem Kılıçgün Uçar, Ärzt:innen, Anwält:innen sowie NGOs, zeigten ihre Solidarität.

Aggressive Durchdringung der Gesellschaft

Mit der Gründung der Plattform wollen die Initiator:innen auf die alarmierende Verbreitung von Drogen, Prostitution und sozialen Zerfallserscheinungen reagieren, die sie nicht als individuelle Fehlentwicklungen, sondern als systematisch betriebene politische Angriffe begreifen. Die kapitalistische Moderne, so ihre Analyse, ziele bewusst auf die Zersetzung kollektiver und moralischer Werte, um die Gesellschaft zu entpolitisieren, zu entmündigen und kontrollierbar zu machen.

Deklaration: Deutliche Gesellschaftsanalyse und Aufruf zur Organisierung

In der anschließend auf Türkisch und Kurdisch verlesenen Deklaration betonte die Plattform: „Nationale Identität, kulturelle und moralische Werte formen die Grundlage unserer Existenz als Gesellschaft. Werden diese Werte zerstört, verliert die Gesellschaft ihr Selbstverständnis und zerfällt.“

Die Deklaration beschreibt, dass Drogenmissbrauch, Prostitution und moralische Verrohung Teil einer umfassenden staatlichen Strategie zur Entfremdung und Schwächung der Gesellschaft seien. Besonders die Jugend werde bewusst angegriffen, weil sie das dynamische Potenzial für gesellschaftlichen Wandel darstelle. Es wird betont: „Der Kapitalismus nutzt Drogen und soziale Degeneration als Waffen, um Gesellschaften zu entwaffnen und dem eigenen System dienstbar zu machen.“

Das Dokument hebt hervor, dass Drogenabhängigkeit kein individuelles Problem, sondern ein systemisches Symptom kapitalistischer Herrschaft sei. Es wird vor dem Verlust der gesellschaftlichen Widerstandskraft gewarnt: „Ein bewusst zerstörter Mensch ist nicht nur unfähig zu denken und zu produzieren, sondern verliert auch seine Fähigkeit zu widerstehen.“

Ebenso richtet sich die Plattform entschieden gegen die Normalisierung von Prostitution, die als eine der drastischsten Ausdrucksformen von Ausbeutung und Entwürdigung angeprangert wird. Der Kampf dagegen müsse sich nicht auf Kriminalisierung beschränken, sondern müsse systemische Ursachen wie Armut, Perspektivlosigkeit und soziale Marginalisierung ins Zentrum rücken.

Kampf um Werte und Selbstbestimmung

Die Plattform ruft dazu auf, die Verteidigung gesellschaftlicher Werte, die Bewusstseinsbildung und die solidarische Organisierung als gemeinsame Aufgabe aller zivilgesellschaftlichen Kräfte zu verstehen. Die Freiheit des Individuums könne nur durch eine starke, selbstbewusste und solidarische Gesellschaft gewährleistet werden. „Dieses dunkle System kann nur durch unser gemeinsames Handeln überwunden werden. Es liegt in unserer Hand, die gesellschaftliche Zersetzung zu stoppen, die Werte der Solidarität und Würde zu bewahren und eine freie Zukunft zu gestalten. Organisieren wir uns, werden wir uns bewusst – und befreien wir uns gemeinsam!“, endet die Deklaration.

Breite Unterstützung und erster praktischer Schritt

Die Gründung der Plattform wurde mit großem Beifall aufgenommen. Vertreter:innen der kurdischen Jugendbewegung kündigten an, in den kommenden Wochen Kampagnen, Informationsveranstaltungen und Aufklärungsaktionen zu organisieren, um insbesondere Jugendliche über die Gefahren von Drogenkonsum aufzuklären und alternative Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben aufzuzeigen.