Prostitution und Drogen als Mittel der Aufstandsbekämpfung

In Colemêrg wird ein Klima der Angst erzeugt, überall ist Polizei und Militär, sagt die DEM-Politikerin Hümeyra Armut: „Bei Protesten wird auf junge Leute geschossen. Wer kurdische Musik macht und dazu tanzt, wird festgenommen und verhaftet.“

Spezialkriegspolitik in Colemêrg

Colemêrg (tr. Hakkari) steht im Fokus der Spezialkriegsführung des türkischen Staates. Die Provinz liegt im Südosten der Türkei, grenzt an Iran und Irak und verbindet Bakur, Başûr und Rojhilat, den Norden, Süden und Osten Kurdistans. Prostitution, Drogenhandel und kriminelle Banden werden in Colemêrg staatlich gefördert, Morde, Folter und Misshandlung gehören zum Alltag der Bevölkerung.


Hümeyra Armut, Ko-Vorsitzende des DEM-Provinzverbands und ehemalige Bürgermeisterin von Colemêrg, erklärte gegenüber ANF, dass die spezielle Form der Aufstandsbekämpfung seit dem Abbruch der Verhandlungen mit der PKK über eine Lösung der Kurdistan-Frage durch den türkischen Staat intensiviert worden ist: „Die Spezialkriegspolitik wird vor allem seit 2015 systematisch angewandt und der Schwerpunkt wurde auf Hakkâri und Şırnak gelegt. Nicht einmal ein Vogel kann hier fliegen, ohne vom Staat beobachtet zu werden, aber Drogen können ungehindert in die Stadt gebracht und verkauft werden. Dasselbe gilt für Prostitution. In diese Vorgänge sind zumeist staatlich Beauftragte verwickelt. Wir haben gesehen, wie Drogen aus einem Polizeiwagen geholt wurden. Es gibt viele derartige Beispiele.“

Prostitution und Drogenkonsum werden normalisiert

Colemêrg ist eine Widerstandshochburg der kurdischen Freiheitsbewegung. Hümeyra Armut sagte, der Staat wolle die Bevölkerung einschüchtern und zur Kapitulation zwingen. Die Provinz steht seit vielen Jahren unter staatlicher Zwangsverwaltung, der im März gewählte Ko-Bürgermeister wurde kurz nach Amtsantritt verhaftet und in einem fingierten Verfahren zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt.

„Man muss sich genau ansehen, was seit den Kommunalwahlen am 31. März hier passiert. In dieser Zeit hat die Spezialkriegspolitik einen Höhepunkt erreicht. In Hakkari leben viele junge Menschen. Der Staat will die Jugend in einen engen Bereich drängen. Diebstahl, Prostitution und Drogenkonsum werden normalisiert. Das geschieht nicht zufällig, sondern ist Teil eines systematischen Prozesses der Assimilierung. Zu diesem Zweck werden auch Konzerte und Festivals veranstaltet. Zuletzt wurde eine Siebzehnjährige bei einem Festival in Çukurca von einem Unteroffizier belästigt. Das sind bewusste Vorgänge. Über die Jugend und die Frauen soll die Gesellschaft zerstört werden“, betonte Hümeyra Armut.

Es wird ein Klima der Angst erzeugt

Die DEM-Politikerin beobachtet in den letzten Jahren auch eine zunehmende Selbstmordrate bei jungen Menschen und Frauen: „Die Jugend findet hier keinen Lebensraum und muss zum Arbeiten in die Metropolen ziehen. Auf diese Weise sollen die jungen Menschen ihrer Heimat entfremdet werden. Sie werden in die Drogensucht getrieben. Die Stadt soll von der Bevölkerung verlassen werden. Die gesamte Region soll in ein Militärgebiet verwandelt werden. Es wird ein Klima der Angst erzeugt, überall ist Polizei und Militär. Bei Protesten wird auf die jungen Leute geschossen. Wer kurdische Musik macht und dazu tanzt, wird festgenommen und verhaftet. Die Spezialkriegspolitik basiert auf der Leugnung der kurdischen Identität, Kultur und Sprache und dient dem Machterhalt der AKP-Regierung. Es ist eine feindliche Politik. Wir versuchen, dagegen anzugehen und eine gemeinsame Kampflinie aufzubauen.“