Colemêrg: „Kurdistan wird zum Grab des Faschismus!“
Den vierten Tag in Folge wird in der kurdischen Provinz Colemêrg gegen die Einsetzung eines Zwangsverwalters protestiert. Der rechtmäßig gewählte Ko-Bürgermeister sitzt derweil im Gefängnis.
Den vierten Tag in Folge wird in der kurdischen Provinz Colemêrg gegen die Einsetzung eines Zwangsverwalters protestiert. Der rechtmäßig gewählte Ko-Bürgermeister sitzt derweil im Gefängnis.
Den vierten Tag in Folge wird in der kurdischen Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) gegen die Einsetzung eines Zwangsverwalters protestiert. Hunderte Menschen versammelten sich am Donnerstag zu einer Demonstration durch das Zentrum der gleichnamigen Provinzhauptstadt, darunter auch die Doppelspitzen der Parteien DEM und DBP sowie führende Mitglieder lokaler NGOs. Die mit Abstand lauteste Parole, die bei dem Marsch gerufen wurde: „Kurdistan, Kurdistan Gorîstana Faşîstan“ – zu Deutsch in etwa: Kurdistan wird zum Grab des Faschismus.
Gerade einmal zwei Monate nach der Kommunalwahl vom 31. März, in der die AKP erstmals seit ihrer Gründung nicht stärkste Kraft wurde, beginnt Staatschef Recep Tayyip Erdoğan die Ergebnisse zu revidieren. In altbekannter Weise trifft es die kurdisch-demokratische Opposition. Anfang der Woche ist der frisch gewählte Ko-Bürgermeister von Colemêrg, Mehmet Sıddık Akış, auf Weisung des Innenministeriums abgesetzt und festgenommen worden, das von ihm mitregierte Rathaus mit Vorwürfen der Terrorunterstützung unter Zwangsaufsicht gestellt. Mittlerweile wurde der DEM-Politiker zu fast zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt – in einem vor zehn Jahren eröffneten Verfahren, das politisch motiviert war. Die Ermittlungen dazu waren bereits 2010 eingeleitet worden.
Die DBP-Vorsitzende Çiğdem Kılıçgün Uçar erinnerte in einer Rede, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kurdischer Oppositionsparteien nun zum dritten Mal seit 2016 mittels „Treuhandregime“ geschasst würden und die kurdische Bevölkerung durch diesen Mechanismus systematisch um ihr demokratisches Wahlrecht betrogen werde. „Die Rede Erdoğans von der Zeitenwende und seine Behauptung, das Wahlergebnis auch bei einer Niederlage akzeptieren zu wollen, waren leere Worte. Das wird ihm früher oder später zum Verhängnis, denn die Politik der Zwangsverwaltung betrifft längst nicht mehr nur unsere Regionen.“
Kılıçgün Uçar wies auch auf die strategische Bedeutung von Colemêrg hin. Die Provinz grenzt an Iran und Irak und ist als kurdische Widerstandshochburg bekannt. Hier florieren auch der staatlich geförderte Drogenkonsum und die Zwangsprostitution – beliebte Maßnahmen der Regierung, um die rebellierende Bevölkerung zu disziplinieren und abhängig zu machen. Die kurdische Bewegung spricht hierbei von einem „Spezialkrieg“, um staatliche Methoden der Aufstandsbekämpfung zu beschreiben, die weniger sichtbar sind. Der Menschenrechtsverein IHD hatte unlängst aufgedeckt, dass die türkische Polizei in Colemêrg an der Verteilung von Drogen beteiligt ist und dieses Vorgehen nutzt, um Spitzel anzuwerben.
„Colemêrg ist gewiss nicht zufällig für den nächsten Putsch gegen den Wählerwillen ausgewählt worden“, ergänzte der DEM-Vorsitzende Tuncer Bakırhan. Der Politiker betonte, dass der Protest gegen die Zwangsverwaltung so lange andauern wird, bis das Regime seine Entscheidung korrigiert. „Das kurdische Volk hat am 31. März seinen politischen Willen auf demokratische Weise kundgetan und seine Aufgaben an seine Vertreterinnen und Vertreter übertragen. Wir lassen nicht zu, dass Erdoğan dieses Land weiter mit einem Verständnis regiert, das alle, die nicht auf seiner Linie sind, zu Terroristen kriminalisiert. Er wird den Willen des kurdischen Volkes nicht länger unterdrücken können.“
Fotos: MA