DEM-Vorsitzende: Die Türkei kehrt ins Mittelalter zurück

Die DEM-Vorsitzenden warnen angesichts der Verhaftung des gewählten Bürgermeisters und der Ernennung eines staatlichen Zwangsverwalters in Colemêrg vor einer Rückkehr ins Mittelalter und einer gewollten Spaltung zwischen Türken und Kurden.

Statt Gewählten regieren Ernannte

Während die Proteste in der Türkei gegen die Absetzung des gewählten Bürgermeisters und die Ernennung eines staatlichen Zwangsverwalters in Colemêrg (tr. Hakkari) andauern, haben sich die Parteivorsitzenden der DEM und DBP in der kurdischen Provinzhauptstadt mit Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen im Gewerkschaftsverband KESK getroffen und über die aktuelle Lage beraten.

Die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları sagte: „Die Ernennung eines Treuhänders ist ein Putsch gegen die Demokratie und die Kurdinnen und Kurden. Erdoğan und seine Regierung wollen eine Spaltung zwischen Türken und Kurden. Sie erkennen das Recht nicht an und regieren das Land wie eine Bande. In der ganzen Türkei gibt es Proteste gegen das Treuhandregime. Erdoğan und sein kleiner Partner treiben das Land an den Rand des Abgrunds. Das Militäraufgebot vor dem Gouverneursamt ist das Bild eines Staatsstreichs. Die Regierung will weitere Städte und Gemeinden unter Zwangsverwaltung stellen, sie hat sich darauf eingeschworen, den Willen des Volkes nicht anzuerkennen. Wir warnen sie von hier aus: Niemand in der Türkei wird das Treuhandregime mehr dulden. Wenn Gewählte durch Ernannte ersetzt werden, kehrt die Türkei ins Mittelalter zurück. Die Regierung hat ihre Legitimität verloren."

Colemêrg am 5. Juni 2024

Der DEM-Vorsitzende Tuncer Bakırhan wies auf die strategische Bedeutung von Colemêrg hin. Die Provinz grenzt an Iran und Irak und ist als kurdische Widerstandshochburg bekannt. Alle drei Mandate für das Parlament der Türkei gingen bei den letzten Wahlen an DEM-Abgeordnete. Bakırhan sagte, dass die Kurdinnen und Kurden ihren Kampf nicht aufgeben werden: „Wir werden uns gegen diese faschistische Mentalität wehren, die den Kurden koloniales Recht aufzwingt.“

Bürgermeister verhaftet

Der im März mit 49 Prozent der Stimmen zum Ko-Bürgermeister von Colemêrg gewählte DEM-Politiker Mehmet Sıddık Akış ist am Mittwoch zu fast zwanzig Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seine Verurteilung geht auf eine vor zehn Jahren aus politischen Gründen angestrengte Klage zurück. Der damals zuständige Staatsanwalt wird von den türkischen Behörden inzwischen selbst als Gülen-Anhänger wegen terroristischer Umtriebe gesucht. Die Kandidatur von Akış war vor den Kommunalwahlen von den türkischen Behörden überprüft und bewilligt. Der 54-Jährige wurde vom türkischen Innenministerium des Amtes enthoben und ist im Gefängnis. An seiner Stelle wurde der Provinzgouverneur als staatlicher Treuhänder an die Spitze der Verwaltung gestellt.

Kurdische Gemeinden seit 2016 unter Zwangsverwaltung

Bei den diesjährigen Kommunalwahlen hat die Regierungspartei AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Stärkste Kraft auf kommunaler Ebene wurde die größte Oppositionspartei CHP. Die DEM konnte 78 Ratshäuser gewinnen und damit ihr Ergebnis bei den vorherigen Kommunalwahlen 2019 verbessern. Damals war ein Großteil der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den kurdischen Städten und Gemeinden von der Regierung abgesetzt worden, viele landeten teilweise für Jahre im Gefängnis. Die Zwangsverwaltung kurdischer Rathäuser wurde 2016 eingeführt.