Wütende Proteste in Colemêrg
Nach der Verurteilung des kurdischen Bürgermeisters Mehmet Sıddık Akış zu fast zwanzig Jahren Gefängnis sind in Colemêrg wütende Proteste ausgebrochen. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz.
Nach der Verurteilung des kurdischen Bürgermeisters Mehmet Sıddık Akış zu fast zwanzig Jahren Gefängnis sind in Colemêrg wütende Proteste ausgebrochen. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz.
Auf den Straßen von Colemêrg (tr. Hakkari) wird gegen die Verurteilung und Verhaftung des Ko-Bürgermeisters Mehmet Sıddık Akış protestiert. Der vor zwei Tagen festgenommene DEM-Politiker wurde heute in einem 2014 eröffneten Terrorprozess zu fast zwanzig Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Vor der Verhandlung wurde das Justizgebäude in Colemêrg von einem massiven Polizeiaufgebot abgeriegelt. Journalist:innen und selbst Parlamentsabgeordneten wurde der Zugang verweigert. Lediglich wenige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte konnten das Gebäude betreten und teilten mit, dass die Zuschauerplätze im Verhandlungssaal von Bereitschaftspolizisten eingenommen wurden. Die DEM-Abgeordnete Newroz Uysal protestierte gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit und stritt sich mit den Einsatzkräften. Vor dem Gericht solidarisierten sich Menschen aus der Bevölkerung mit dem vor gut einem Monat gewählten Bürgermeister und riefen „Sıddık Akış repräsentiert unseren Willen“.
Nach der Urteilsverkündung brachen wütende Proteste aus. Abgeordnete der Parteien DEM und DBP wurden von der Polizei umstellt und tätlich angegangen, immer wieder fiel die Parole „Die Repression kann uns nicht einschüchtern“. Nach einem Protestzug durch die Stadt erklärte die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları vor dem Sitz des Gouverneurs, der vor zwei Tagen vom türkischen Innenministerium zum Zwangsverwalter von Colemêrg ernannt wurde, dass die Verurteilung des Bürgermeisters keine Rechtsgrundlage hat. Mehmet Sıddık Akış war als Kandidat der DEM-Partei im März mit 49 Prozent der Stimmen zum Ko-Bürgermeister gewählt worden. Nur zwei Monate später, am 3. Juni, wurde der 54-Jährige festgenommen und abgesetzt. Seine Verurteilung geht auf eine vor zehn Jahren aus politischen Gründen angestrengte Klage zurück. Der damals zuständige Staatsanwalt wird von den türkischen Behörden inzwischen selbst als Gülen-Anhänger wegen terroristischer Umtriebe gesucht. Die Kandidatur von Akış wurde vor den Kommunalwahlen von den türkischen Behörden überprüft und bewilligt.
„Wir erkennen das Urteil nicht an“, sagte Tülay Hatimoğulları und kündigte Strafanzeige wegen des gewalttätigen Polizeieinsatzes an: „Wer glaubt, den Willen des Volkes mit einem von dem zum Zwangsverwalter ernannten Gouverneur befohlenen Angriff auf uns brechen zu können, der irrt sich. Es hat sich ein weiteres Mal gezeigt, dass die Bevölkerung auf der Seite ihrer Partei steht und nicht auf der Seite von Faschisten. Die Menschen in Hakkari haben ihre Einstellung bei den Wahlen am 31. März deutlich gemacht und sind deshalb heute auf den Straßen.“
Unterdessen gehen die Proteste weiter, viele Geschäfte sind geschlossen.