Während die Türkei versucht, die basisdemokratische Gesellschaft der Autonomieregion Nord- und Ostsyriens militärisch zu erobern und zu vernichten, ist in Deutschland ein Jineolojî-Komitee gegründet worden. „Das ist unsere Antwort auf diesen Angriff auf die Frauenrevolution in Rojava/Nordsyrien. Die jetzt akut bedrohte Gesellschaftsordnung hat die Geschlechterbefreiung zur Grundlage. Frauen organisieren sich in Räten, Kommunen, Kooperativen, Akademien und vielen weiteren Einrichtungen. Zudem bestehen eine fünfzigprozentige Geschlechterquote in allen Entscheidungsstrukturen und eine Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann in allen Leitungspositionen“, teilt das neu gegründete Komitee mit.
Jineolojî ist eine neue Sozialwissenschaft aus Frauenperspektive, die ihre Wurzeln in der Geschichte Mesopotamiens und in den Erfahrungen der kurdischen Frauenbewegung hat. Jineolojî steht für den Geist der Frauenrevolution. In Forschungszentren, an Akademien für die gesellschaftliche Bildung, an einer Fakultät der 2016 gegründeten Universität Rojava, im Frauendorf Jinwar und vielen weiteren Orten Rojavas wird die Jineolojî gelehrt und weiterentwickelt.
Das in Deutschland gegründete Jineolojî-Komitee schreibt:
„Das türkische Militär und die kooperierenden islamistischen Milizen haben beim Angriff auf Efrîn im Nordwesten Syriens Anfang 2018 bereits in den ersten Tagen den Tempel von Ishtar zerstört. Dieser repräsentiert die tausende Jahre alte frauenzentrierte Kultur Mesopotamiens. Im besetzten Efrîn haben Frauen alle Freiheitsrechte verloren.
Die aktuellen Kriegshandlungen haben bezeichnenderweise an den Orten begonnen, die am stärksten die früheren Müttergöttinnen-Kulturen repräsentieren: in Til Xalaf (Tall Khalaf) und Serêkaniyê (Tall Abyad). Die Wurzeln einer egalitären Gesellschaftsidee, die Fürsorge, Lebenserhalt und die Pflege sozialer Beziehungen als zentrale Werte setzt, sollen genommen werden.
Mit der Gründung des Jineolojî-Komitee Deutschland wollen wir diese Wurzeln einer geschlechtergerechten Gesellschaft in Erinnerung rufen. Aktuell motiviert uns ein Satz der Zapatista aus Mexiko: „Sie wollen uns unter die Erde bringen, aber sie haben vergessen, dass wir Samen sind.“
Als Jineolojî-Komitee arbeiten wir zur Geschichte der Frauen, zur Durchsetzung der binären, patriarchalen Geschlechterordnung, nicht zuletzt mit der Hexenverfolgung in Europa, und vor allem zu dem, was nicht zerstört werden konnte. Uns interessieren beispielsweise matriarchale Gesellschaftsalternativen. Wir beziehen uns auf Erfahrungen von Frauen-/Lesben-/Transbewegungen weltweit und insbesondere auf feministische Kämpfe und auf Frauen in antifaschistischen Kämpfen in Deutschland und Europa. Mit der Jineolojî bauen wir auf Erfahrungen der feministischen Geschlechterforschung auf. Doch sollten Herrschaftsverhältnisse nicht nur kritisiert werden. Wir knüpfen an eine feministische Tradition an, die daran arbeitet, die Gesellschaftsverhältnisse zu verändern.
Was im Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ost-Syrien gilt, ist auch Grundlage unseres Selbstverständnisses als neu gegründetes Jineolojî-Komitee Deutschland: Eine Gesellschaft kann ohne die Freiheit der Frauen nicht frei sein.“