Jineolojî-Frühjahrscamp in Gotha

In Thüringen hat ein Jineolojî-Frühlingscamp stattgefunden. Jineolojî ist eine aus der kurdischen Frauenfreiheitsbewegung kommende Sozialwissenschaft.

Über 40 vorwiegend deutschsprachige Aktivist*innen sind vom 30. April. bis 4. Mai 2019 im Landkreis Gotha, Thüringen, im Rahmen des Hêlîn-Dersim-Jineolojî-Frühlingscamps zusammengekommen. Gemeinsam wurde an der Wissenschaft der Frau gearbeitet und voneinander gelernt. Jineolojî ist eine aus der kurdischen Frauenfreiheitsbewegung kommende Sozialwissenschaft. Sie entwickelt Wissen und Methoden für die Erforschung und Überwindung patriarchaler, staatlicher und kapitalistischer Wissens- und Herrschaftsformen mit dem Ziel der Frauenrevolution für eine freie Gesellschaft.

Eine Teilnehmerin aus Erfurt erklärt: „Das kollektive Zusammenleben des Camps stärkt die Kraft und Solidarität der anwesenden FLTI, und die gemeinsame Arbeit und Liebe für die Revolution strahlt bis nach Rojava und darüber hinaus. Der Hungerstreik Leyla Güvens und 7000 weiterer Gefangener, und das begonnene Todesfasten von 15 politischen PAJK- und PKK-Gefangenen in der Türkei gegen die Isolation Abdulla Öcalans war ein ständiger Bezugspunkt unseres Jineolojî-Camps.“

In einer abschließenden Presseerklärung teilen die Camp-Teilnehmerinnen mit:

„Das Camp bildet den Rahmen für intensive Auseinandersetzungen mit dem Einfluss des Patriarchats auf die unterdrückte Position der Frau* in der Gesellschaft. Verbindungen zu vorherrschenden Formen der Geschichtsschreibung und fehlendem Wissen aus Frauen*Perspektive zeigten sich in vielfältigen Workshops und Diskussionen. Die umfassende Analyse historischer Prozesse, ohne und gegen den verstellten Blick der patriarchal geprägten Wissenschaftstradition, ermöglicht die Entwicklung von Konzepten der gemeinsamen Organisierung von Frauen*, Lesben, Transfrauen, nichtbinären und intergeschlechtlichen Personen (FLTI) weltweit.

Sich patriarchaler Mechanismen bewusst werden

Aufbauend auf Vorträgen wurde konkreten Fragen nachgegangen: Wie wurde eine deutsche Identität in Zusammenhang mit Protestantismus und Kolonialismus konstruiert? Wie kann sich der freie Mensch, die freie Frau*, entgegen der liberalen Individualisierung und des falschen Freiheitsbegriffs des Kapitalismus entwickeln? Welche kollektiven Werte finden wir in der Geschichte zum Beispiel in natürlichen und matriarchalen Gesellschaften, die wir für eine befreite, selbstorganisierte Gesellschaft ohne Staat aufgreifen können? Welche Sprache entwickeln wir, die jenseits von binären Geschlechterverhältnissen funktioniert? Persönlichkeitsentwicklung bedeutet in diesem Zusammenhang, sich patriarchaler Mechanismen bewusst zu werden, diese gemeinsam zu bekämpfen und abzulegen. Durch Berichte aus den verschiedenen internationalen und lokalen Gruppen, Kampagnen und Bewegungen gewannen wir Einblicke in die aktuelle Situation von Frauen*kämpfen.“