Am 12. Oktober 2019 wurde die kurdische Politikerin und Generalsekretärin der Zukunftspartei Syriens, Hevrîn Xelef (auch Havrin Khalaf), im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffs gegen Rojava von islamistischen Verbündeten der Türkei ermordet. Mitglieder des sogenannten „Bataillon 123” der Dschihadistenmiliz „Ahrar al-Sharqiya“, einer unter dem Dach der türkischen Proxy-Armee SNA an der Invasion beteiligte Gruppierung, hatten Xelef, nachdem ihr Fahrzeug in einen Hinterhalt geraten war, aus dem Wagen gezerrt, misshandelt und ihren Körper verstümmelt, bevor sie hingerichtet wurde. Laut dem Obduktionsbericht wies ihre Leiche zahlreiche Verletzungen auf, darunter viele Schusswunden, Brüche an Beinen, Gesicht und Schädel. Ihre Kopfhaut war teilweise abgelöst, weil man sie an den Haaren gezogen hatte. Auch ihr Fahrer wurde ermordet.
Heute wäre Hevrîn Xelef 36 Jahre alt geworden. Zu ihrem Geburtstag trafen sich am Sonntag viele Frauen auf dem Gefallenenfriedhof Şehîd Dîcle, um mit dem Pflanzen von Jasmin der Politikerin zu gedenken. Jasmin gilt in vielen Regionen des Mittleren Ostens als Friedenssymbol. Die weißen Blüten der Pflanze finden sich auch im Logo der von einem basisdemokratischen Initiativprinzip geleiteten syrischen Zukunftspartei (Hizbul Suri Mustakbel). Auch Sûad Mustafa, die Mutter von Hevrîn Xelef, war gekommen, um Blumen für ihre Tochter zu pflanzen.
Hevrîn Xelef
Hevrîn Xelef - Ein Leben für die Revolution
Hevrîn Xelef, die mit ihrem Leben und Wirken eine unvergessliche Rolle in der Frauenrevolution von Rojava und in der Gemeinschaft der Völker gespielt hat, wurde 1984 in Dêrik geboren. Sie wuchs als Kind in einer gesellschaftlich und politisch engagierten Familie auf. Vier ihrer Brüder und ihre Schwester Zozan schlossen sich dem Befreiungskampf an und sind in den Reihen der kurdischen Freiheitsbewegung gefallen.
Ihre Mutter Sûad Mustafa nahm an vielen Volksversammlungen von Abdullah Öcalan teil. Was sie hier lernte, hatte auch einen großen Einfluss auf die Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung von Hevrîn Xelef. Nachdem sie ihre Schulbildung in Dêrik abgeschlossen hatte, studierte sie in Aleppo Agrarwissenschaften. Nach dem Abschluss ihres Studiums kehrte sie wieder nach Dêrik zurück. Mit dem Beginn der Revolution in Rojava beteiligte sich Hevrîn Xelef hier am Freiheitskampf und an den Arbeiten der Jugendbewegung. Kurze Zeit später begann sie mit Organisierungsarbeiten zum Aufbau zivilgesellschaftlicher Einrichtungen und übernahm leitende Funktionen im Wirtschaftsrat von Qamişlo. Mit der Ausrufung der Demokratischen Autonomieverwaltung übernahm sie als stellvertretende Ko-Vorsitzende Verantwortung im Energie-Komitee der Demokratischen Selbstverwaltung im Kanton Cizîre. Im Jahr 2015 spielte sie eine wichtige Rolle dabei, die Energieversorung und die ökonomischen Arbeiten im Kanton Cizîre zu verbessern und zu stärken.
Bei diesen Arbeiten galt ihre besondere Aufmerksamkeit den ökonomischen Bedürfnissen von Frauen und der Entwicklung der Frauenökonomie. 2018 beteiligte sich Hevrîn Xelef am Aufbau- und Gründungsprozess der Zukunftspartei Syriens mit der Zielsetzung, sich für die Belange aller Bevölkerungsgruppen Syriens und eine demokratische Erneuerung Syriens einzusetzen. Bei der Gründung der Zukunftspartei am 27. März 2018 in Raqqa übernahm sie selbstlos und engagiert die Aufgabe als Generalsekretärin. In einer Rede anlässlich des 8. Jahrestags des Volksaufstands in Syrien verlieh Hevrîn Xelef ihrer Überzeugung Nachdruck, dass sich die politische Krise in Syrien durch Krieg nicht lösen lässt. Sie sagte: „Acht Jahre sind vergangen. Die Volksaufstände gegen die Krise und der Kampf der Völker Syriens sind unter großen Opfern geführt worden und haben sich in einen Krieg verwandelt. Die andauernde Krise in Syrien, die der Grund für die Vertreibung und Ermordung der Bevölkerung ist, ist ohne eine politische Lösung nicht möglich.”
In jeder ihrer Reden betonte Hevrîn Xelef die Wichtigkeit des Dialogs unter den verschiedenen syrischen politischen Kräften und Bevölkerungsgruppen. Sie bestand darauf, dass die Völker gemeinsam ihre Zukunft selbst bestimmen, ihr politisches und soziales Leben selbst gestalten sollten. Mit ihrem politischen Kampf forderte sie alle Kreise der Gesellschaft und politische Akteure auf, sich an einer demokratische Lösung der Krise in Syrien zu beteiligen. Auch nach dem Beginn des türkischen Besatzungskriegs gegen die Gebiete der Demokratischen Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien am 9. Oktober 2019 führte Hevrîn Xelef ihren politischen Kampf entschlossen fort.