Die kurdische Politikerin Hevrîn Xelef hat mit ihrem Wirken eine unvergessliche Rolle in der Frauenrevolution von Rojava und für die Gemeinschaft der Völker gespielt. Am 12. Oktober wurde die 34-Jährige in einem Hinterhalt von einer mit der Türkei verbündeten dschihadistischen Miliz in Nordsyrien hingerichtet. Nun wurde sie in Italien posthum für ihr Engagement mit dem Capuaner Frauenpreis auszeichnet. Der Preis „Eine Frau für Frauen“ wird um das Andenken an die Partisanin Margherita Troili zu ehren von der süditalienischen Stadt Capua verliehen. Die Vergabe findet jährlich anlässlich des internationalen Kampftags gegen Gewalt an Frauen statt. Den Preis für Hevrîn Xelef nahm die Anwältin Hazal Koyuncuer entgegen.
Die Antifaschistin und Kommunistin Margherita Troili war Präsidentin der Donne Italiane (Union der italienischen Frauen, UDI). Der Verband ging nach der Resistenza, dem Widerstand gegen die deutschen Besatzer und die italienischen Faschisten während dem Zweiten Weltkrieg, aus den klandestin agierenden Frauenverteidigungsgruppen „Gruppi di difesa della donna” hervor. Diese Gruppen stellten nicht nur ein Netzwerk zur Unterstützung der Partisanen in den Bergen dar. Es fanden auch politische Versammlungen statt, bei denen die Rolle der Frau in der Nachkriegsgesellschaft diskutiert wurde. Die zentrale Forderung lautete: „Nicht die Engel am Herd, sondern eine andere Rolle in der Gesellschaft – Gleichberechtigung, Wahlrecht, Emanzipation”, da sich die Frauen nach der Befreiung nicht in die alten patriarchalen Familienstrukturen zurückdrängen lassen wollten.
Aktivismus-Preis der Coalizione Italiana Libertà e Diritti Civili (CILD) ebenfalls an Xelef
Einen weiteren Preis aus Italien erhielt Hevrîn Xelef posthum von der italienischen Koalition für Rechte und bürgerliche Freiheiten (Coalizione Italiana Libertà e Diritti Civili, CILD). Der Preis wird jährlich an Menschen vergeben, die sich als „Helden der Menschenrechte“ auszeichneten und zur Förderungen und dem Schutz bürgerlicher Freiheiten beitrugen. Bei der Preisvergabe, die gestern in Rom stattfand, hieß es in der Laudatio: „Diese Auszeichnung ist für eine Frau und ein Volk bestimmt, denen Europa zu großem Dank für ihren Kampf an der Front gegen den IS verpflichtet ist.“ Die kurdische Frauenaktivistin Zilan Diyar, die den Preis entgegennahm, erklärte: „Diese Auszeichnung ermutigt uns kurdischen Frauen in unserem Kampf für den Aufbau eines neuen gesellschaftlichen Systems und ist ein deutliches Zeichen an die Mörder von Hevrîn Xelef.“
Wer war Hevrîn Xelef?
Hevrîn Xelef (auch Havrin Khalaf) wurde 1984 in Dêrik (al-Malikiya) geboren, absolvierte 2009 die Fakultät für Agrarwissenschaften in Aleppo und spielte eine herausragende Rolle bei der Schaffung einer Politik der Versöhnung in Syrien. Mit dem Beginn der Revolution in Rojava beteiligte sich Hevrîn Xelef in Dêrik am Freiheitskampf und an den Arbeiten der Jugendbewegung. Kurze Zeit später begann sie mit Organisierungsarbeiten zum Aufbau zivilgesellschaftlicher Einrichtungen und übernahm leitende Funktionen im Wirtschaftsrat von Qamişlo. Mit der Ausrufung der Demokratischen Autonomieverwaltung übernahm sie als stellvertretende Ko-Vorsitzende Verantwortung im Energie-Komitee der Demokratischen Selbstverwaltung im Kanton Cizîre. Im Jahr 2015 spielte sie eine wichtige Rolle dabei, die Energieversorung und die ökonomischen Arbeiten im Kanton Cizîre zu verbessern und zu stärken. Bei diesen Arbeiten galt ihre besondere Aufmerksamkeit den ökonomischen Bedürfnissen von Frauen und der Entwicklung der Frauenökonomie. 2018 beteiligte sich Hevrîn Xelef am Aufbau- und Gründungsprozess der Zukunftspartei Syriens mit der Zielsetzung, sich für die Belange aller Bevölkerungsgruppen Syriens und eine demokratische Erneuerung Syriens einzusetzen. Bei der Gründung der Zukunftspartei am 27. März 2018 in Raqqa übernahm sie selbstlos und engagiert die Aufgabe als Generalsekretärin.
Am 12. Oktober 2019 wurde das Fahrzeug der 34-Jährigen Xelef auf dem internationalen Verkehrsweg M4 zwischen Qamişlo und Minbic bei einem von der Türkei unterstützten Hinterhalt der islamistischen Söldnerfraktion Ahrar al-Sharqiya angehalten und mit Schüssen durchsiebt. Die verletzte Politikerin wurde anschließend aus dem Wagen herausgezerrt, brutal gefoltert und hingerichtet. Ihr Fahrer wurde ebenfalls getötet.