Die Staatsanwaltschaft von Bakirköy hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Journalistin Zülal Koçer eingeleitet. Ihr wird ihre Berichterstattung vom diesjährigen feministischen Nachtmarsch in Istanbul zum Vorwurf gemacht. Koçer hatte die massive Polizeigewalt gegen Teilnehmerinnen der Demonstration am 8. März auf Video festgehalten und im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht. Daraufhin meldeten hunderte regierungsnahe Denunzianten den Beitrag bei der Polizei.
Welche Straftat sie mit ihrer Berichterstattung begangen haben soll, weiß Koçer selbst noch nicht. Das Ermittlungsverfahren sei jedenfalls auf Betreiben der Abteilung für „Straftaten im Informatik-Bereich“ angestrengt worden.
Der feministische Nachtmarsch der Frauenbewegung in der Türkei fand in diesem Jahr zum 18. Mal statt. Er wird seit 2003 traditionell am Abend des internationalen Frauenkampftages am 8. März durchgeführt, Veranstalterin ist das Feministische Kollektiv Istanbul. In den letzten Jahren versuchte die patriarchalisch geprägte Regierung jedoch, die Rebellion der Frauenbewegung, die heute als stärkste Opposition in der Türkei gilt, zu unterbinden.
Auch der diesjährige Frauenmarsch wurde im Vorfeld auf Betreiben des Innenministeriums verboten. Auf Anweisung des Gouverneursamts riegelte die Polizei bereits Stunden vor dem abendlichen Marsch alle Straßen und Wege, die auf die Istiklal Caddesi im zentralen Stadtteil Beyoğlu führen, ab. Tausende Frauen zeigten sich unbeeindruckt und versammelten sich daraufhin zum „hartnäckigen Ungehorsam” vor der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in der kleinen Seitenstraße Çukur Çeşme. Dort wurde die Menschenmenge von der Polizei eingekesselt. Als sich der Marsch in Richtung Taksim-Platz in Bewegung setzte, griff die Polizei mit Gummigeschossen und Pfefferspray an. Dutzende Frauen wurden unter Anwendung von massiver Gewalt festgenommen.