Istanbul: 24 Festnahmen bei feministischem Nachtmarsch

Beim traditionellen feministischen Nachtmarsch in Istanbul sind mindestens 24 Personen festgenommen worden. Die Demonstration wurde zuvor mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen.

In Istanbul sind mindestens 24 Teilnehmende des feministischen Nachtmarschs der Frauenbewegung in der Türkei festgenommen worden. Unter ihnen befinden sich offenbar auch Journalist*innen.

Seit 2003 veranstaltet das Feministische Kollektiv Istanbul am Abend des 8. März den Nachtmarsch zum internationalen Frauenkampftag. In den letzten Jahren versuchte die patriarchalisch geprägte Regierung jedoch, die Rebellion der Frauenbewegung, die heute als stärkste Opposition in der Türkei gilt, zu unterbinden. Auch der diesjährige 18. Feministische Frauenmarsch wurde im Vorfeld auf Betreiben des Innenministeriums verboten. Auf Anweisung des Gouverneursamts riegelte die Polizei bereits Stunden vor dem abendlichen Marsch alle Straßen und Wege, die auf die Istiklal Caddesi im zentralen Stadtteil Beyoğlu führen, ab. Tausende Frauen zeigten sich unbeeindruckt und versammelten sich daraufhin zum „hartnäckigen Ungehorsam” vor der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in der kleinen Seitenstraße Çukur Çeşme. Dort wurde die Menschenmenge von der Polizei eingekesselt.  

„Es lebe der feministische Widerstand”

Als sich der Marsch in Richtung Taksim-Platz in Bewegung setzte, griff die Polizei mit Gummigeschossen und Pfefferspray an. Daraufhin zog die Demonstration unter weiteren Angriffen zum Stadtteil Karaköy. Eine Aktivistin des Feministischen Kollektivs sagte: „Jedes Jahr zum 8. März, dem internationalen Frauentag, finden sie Ausreden, um frauenfreie Straßen zu schaffen. Mal wird dies mit ‚Sicherheitsbedenken’ begründet, mal mit dem Ausnahmezustand, oder mit Straßenbauarbeiten. Ein anderes Mal ist es die Willkür kravattentragender Anzugträger der Regierung, deren rote Linie wir nicht überschreiten sollen. Zwei Jahrhunderte lang hat man mit Hexenjagden versucht, die Stimmen von Frauen zu unterdrücken. In den sogenannten ‚modernen’ Zeiten sollen wir mittels Gesetzen und Verboten zum Schweigen gebracht werden. Wir haben nicht die Absicht, von unserer feministischen Rebellion, unseren Hoffnungen, unserem Gefühl der Zusammengehörigkeit, und unserer Feude und Wünschen zurückzutreten. Es lebe der feministische Widerstand.”

„Patriarchat und Grenzen niederreißen”

Zur Geschichte des Frauentags in der Türkei

Die Wurzeln des bis in die 1970er Jahre hinein als „Dünya Emekçi Kadınlar Günü" (Weltarbeiterinnentag) bezeichneten Tages liegen in den kommunistischen Strömungen des Landes. Historische Quellen belegen, dass der internationale Frauentag in der Türkei das erste Mal 1921 von Frauen der Türkischen Kommunistischen Partei (TKP) in Ankara im Untergrund gefeiert wurde. Erst für das Jahr 1975 gibt es Belege für eine offizielle Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentags. Der Fortschrittliche Frauenverein (IKD), der meist aus (ehemaligen) Mitgliedern der TKP sowie der Konföderation der revolutionären Arbeitergewerkschaften DISK bestand, feierte den 8. März erstmals öffentlich.

Im Zuge des Militärputschs von 1980 wurde das Begehen des internationalen Frauentags in der Türkei schließlich verboten. Erst seit 1984 feierten linke Organisationen und die sich zu Beginn der 1980er Jahre neu formierende feministische Bewegung - zunächst meist getrennt - wieder offiziell den 8. März.
Initiiert von der Zeitschrift Pazartesi mit dem Slogan „Endlich organisiert!" wurde 1997 die erste große gemeinsame Aktion von Sozialistinnen, der kurdischen Frauenbewegung und Feminist*innen anlässlich des Weltfrauentags im Istanbuler Stadtteil Șişli organisiert.