Keine Kapitulation sondern ein Wandel
Die Sprecherin der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Ayşegül Doğan, hat auf einer Pressekonferenz in der Parteizentrale die Beschlüsse des Kongresses der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als historischen Wendepunkt bezeichnet. Es gehe nicht allein um die Auflösung einer Organisation, sondern um den Beginn eines neuen politischen Aufbaus, so Doğan.
„Eine neue Seite wird aufgeschlagen“
Doğan betonte, dass die Entscheidung der PKK, den bewaffneten Kampf zu beenden und sich aufzulösen, einen neuen Abschnitt im Umgang mit der kurdischen Frage einleite. Der Parteirat der DEM habe sich am Vormittag zu einer Sitzung getroffen, um die politischen Konsequenzen dieses Beschlusses zu beraten. „Unsere Sitzung war mehr als eine Routine. Wir haben der Toten der langen Konfliktjahre gedacht und erneut unser Versprechen bekräftigt, die Zukunft gemeinsam und gerecht zu gestalten“, sagte sie.
Der PKK-Beschluss sei keine Überraschung gewesen. Bereits nach dem Aufruf Abdullah Öcalans vom 27. Februar für Frieden und eine demokratische Gesellschaft habe sich abgezeichnet, dass ein solcher Schritt bevorstehen könnte. „Dies ist nicht einfach ein Auflösungsbeschluss. Es ist der Beginn eines neuen Aufbauprozesses, der auf Demokratie, Dialog und Gleichheit setzt.“
Demokratisierung statt Gewalt
Die Sprecherin betonte, dass nun eine historische Gelegenheit bestehe, die politische Lösung der kurdischen Frage durchzusetzen. Alle bisherigen Hindernisse – insbesondere die Bezugnahme auf den bewaffneten Konflikt als Blockadegrund – seien mit dem Beschluss der PKK entfallen, sagte Doğan in Richtung Regierung. „Es ist an der Zeit, nicht mehr ‚hätten wir doch‘ zu sagen, sondern ‚zum Glück haben wir es getan‘.“
Beitrag Abdullah Öcalans
Ein besonderer Dank gelte Abdullah Öcalan, der trotz jahrzehntelanger Isolation auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali unbeirrt für eine politische Lösung eingetreten sei. „Trotz Sabotagen, Komplotten und härtesten Haftbedingungen hat er seine Linie nicht verlassen. Die heutige Entwicklung ist das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Bemühungen“, betonte Doğan.
Aufruf an alle politischen Kräfte
Die DEM-Sprecherin richtete einen Appell an alle politischen Parteien und NGOs: „Wir stehen vor der Aufgabe, ein gleichberechtigtes Zusammenleben zu gestalten. Das betrifft nicht nur die Regierung, sondern die gesamte politische Landschaft und Zivilgesellschaft.“ Sie ergänzte: „Nicht nur Politiker:innen, sondern auch Intellektuelle, Frauen, die Jugend, religiöse Gruppen – alle müssen sich an diesem Prozess beteiligen.“
Parlament in der Pflicht
Besonders deutlich hob Doğan die Forderungen ihrer Partei nach einer neuen Verfassung, tiefgreifenden Reformen und einer Stärkung der Demokratie hervor. „Frieden ist kein ferner Traum mehr. Er ist greifbar, wenn wir gemeinsam handeln“, betonte sie. Eine besondere Verantwortung in der bevorstehenden Phase trage das Parlament. „Die Türkische Nationalversammlung steht vor der historischen Aufgabe, diese Entwicklung gesetzgeberisch zu unterstützen“, erklärte Doğan.
Aufruf zur Einbindung Öcalans
Doğan machte deutlich, dass es nicht um Niederlage oder Sieg gehe: „Dies ist kein Prozess der Kapitulation, sondern der demokratischen Neugründung.“ Sie rief zu Besonnenheit auf, aber auch zu zügigem Handeln: „Friedensprozesse sind zerbrechlich. Wir brauchen kein Chaos, aber Tempo.“ Darüber hinaus forderte die Sprecherin die zügige Aufhebung der Isolationsbedingungen von Abdullah Öcalan. Er müsse aktiv in den Prozess eingebunden werden: „Wenn wir diese Entwicklung sichern wollen, braucht es seine Stimme und politische Teilhabe.“ Für die kommenden Tage kündigte Doğan eine Präzisierung der Fahrpläne und eine Einladung an alle demokratischen Kräfte zur Zusammenarbeit an.