PKK verkündet Auflösung und Ende des bewaffneten Kampfes

Auf ihrem 12. Kongress hat die Arbeiterpartei Kurdistans weitreichende Beschlüsse gefasst: Die Organisation wird aufgelöst, der bewaffnete Kampf beendet. Die kurdische Bewegung setzt auf einen neuen Weg.

Wendepunkt in der Geschichte des kurdischen Widerstands

In einer historischen Erklärung hat die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) das Ende des bewaffneten Kampfes und die Auflösung ihrer organisatorischen Struktur bekannt gegeben. Der Beschluss wurde auf dem 12. Parteikongress gefasst, der vergangene Woche an zwei geheimen Orten in den Medya-Verteidigungsgebieten parallel stattfand.

Laut dem veröffentlichten Abschlusskommuniqué markiert dieser Schritt das Ende der unter dem Namen PKK geführten Aktivitäten. Die PKK habe ihre „historische Mission erfüllt“, die kurdische Frage ins Zentrum des politischen Diskurses gerückt und die jahrzehntelange Politik der Leugnung und Assimilation durchbrochen, so die Kongresserklärung:

Abschlusskommuniqué des 12. PKK-Kongresses

„Mit der Erklärung von Rêber Abdullah Öcalan vom 27. Februar begann ein neuer Prozess, der durch seine vielseitigen Arbeiten und in verschiedenen Formen vorgetragenen Perspektiven geprägt war. In diesem Licht wurde unser 12. Parteikongress vom 5. bis 7. Mai erfolgreich abgehalten.

Trotz der anhaltenden Kämpfe, der andauernden Angriffe aus der Luft und vom Boden sowie der fortgesetzten Belagerung unserer Gebiete und des PDK-Embargos konnte unser Kongress unter schwierigen Bedingungen sicher durchgeführt werden. Aus Sicherheitsgründen fand er gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten statt.


Der 12. PKK-Kongress, an dem insgesamt 232 Delegierte teilnahmen, behandelte Themen wie den Vorsitzenden, die Gefallenen, die Kriegsversehrten, die organisatorische Existenz der PKK, die Methode des bewaffneten Kampfes und den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft – und fasste historische Beschlüsse, die den Eintritt unserer Freiheitsbewegung in eine neue Phase markieren.

Aktivitäten unter dem Namen PKK beendet

Der außerordentliche 12. Kongress der PKK kam zu der Einschätzung, dass der Kampf der PKK die Politik der Leugnung und Vernichtung gegenüber unserem Volk durchbrochen und die kurdische Frage an den Punkt geführt hat, an dem sie auf demokratischem Wege gelöst werden kann – und dass die PKK damit ihre historische Mission erfüllt hat. Auf dieser Grundlage beschloss der 12. PKK-Kongress, unter der Leitung und Durchführung durch Rêber Apo den organisatorischen Aufbau der PKK aufzulösen und den bewaffneten Kampf zu beenden – und damit die unter dem Namen PKK geführten Aktivitäten einzustellen.


Unsere Partei PKK trat als Freiheitsbewegung unseres Volkes gegen die kurdenfeindliche Politik der Leugnung und Vernichtung auf die Bühne der Geschichte – eine Politik, die ihre Wurzeln im Vertrag von Lausanne und der Verfassung von 1924 hat. In ihrer Entstehungsphase war sie vom Realsozialismus beeinflusst und übernahm das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Auf dieser Grundlage führte sie einen legitimen und gerechten Kampf mittels der Strategie des bewaffneten Widerstands.

Die PKK formte sich unter Bedingungen, in denen eine rigide kurdische Leugnung, darauf aufbauende Vernichtungspolitik sowie Genozid- und Assimilationsmaßnahmen vorherrschten. Seit dem Beginn ihres Freiheitskampfes im Jahr 1978 zielte sie darauf ab, die Existenz der Kurd:innen anzuerkennen und die kurdische Frage als grundlegende Realität der Türkei zu etablieren. Durch diesen erfolgreich geführten Kampf verwirklichte sie im Namen unseres Volkes die Revolution der Wiedergeburt und wurde zum Symbol der Hoffnung auf Freiheit und der Suche nach einem würdevollen Leben für die Völker der Region.


In den 1990er Jahren, als unsere Revolution der Wiedergeburt erhebliche Fortschritte für unser Volk brachte, suchte der damalige Präsident der Republik Türkei, Turgut Özal, nach einem politischen Weg zur Lösung der kurdischen Frage. Rêber Apo reagierte auf diese Öffnung mit dem einseitig erklärten Waffenstillstand vom 17. März 1993 und leitete damit einen neuen, hoffnungsvollen Prozess ein.

Doch dieser Ansatz wurde durch mehrere Faktoren sabotiert: den fortwirkenden Einfluss des realsozialistischen Denkens, die dem bewaffneten Kurs aufgezwungenen bandenähnlichen Strukturen sowie die Ausschaltung Turgut Özals und seiner Mitstreiter durch den tiefen Staat. Statt einer politischen Lösung wurde die Politik der Leugnung und Vernichtung gegen die Kurd:innen weiter verschärft und der Krieg massiv eskaliert.

Tausende Dörfer wurden gewaltsam geräumt und niedergebrannt, Millionen Kurdinnen und Kurden vertrieben, Zehntausende gefoltert und inhaftiert – und unzählige wurden Opfer ungeklärter, politisch motivierter Tötungen. Trotz dieser brutalen Repression wuchs die kurdische Freiheitsbewegung sowohl zahlenmäßig als auch strukturell. Der Guerillakrieg weitete sich über Kurdistan hinaus auf die gesamte Türkei aus, und sein Einfluss rief weitreichende Serhildan innerhalb der kurdischen Bevölkerung hervor.


Damit wurde der bewaffnete Konflikt für beide Seiten zur dominanten Realität. Die Eskalationsspirale ließ sich nicht durchbrechen, wodurch auch die friedlichen und demokratischen Lösungsbemühungen von Rêber Apo letztlich erfolglos blieben.

Neuregelung der kurdisch-türkischen Beziehungen unausweichlich

Mit dem internationalen Komplott vom 15. Februar 1999 trat die kurdische Frage in eine völlig neue Phase. Eines der Hauptziele dieses Komplotts – ein offener Krieg zwischen Kurd:innen und Türk:innen – konnte dank der großen Opferbereitschaft und besonnenen Lenkung von Rêber Apo verhindert werden. Trotz seiner bis heute andauernden Totalisolation im Folter- und Vernichtungsapparat Imrali hielt er an seinem Einsatz für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage fest. In über 27 Jahren Isolation widerstand er dem System, ließ das Komplott ins Leere laufen und entwickelte im Widerstand gegen patriarchale, staatszentrierte Machtstrukturen ein neues Gesellschaftsparadigma: demokratisch, ökologisch und feministisch.

Dieses Modell wurde zu einem konkreten alternativen Freiheitsentwurf – für das kurdische Volk ebenso wie für Frauen und die unterdrückte Menschheit weltweit.

Rêber Apo berief sich dabei auf die Zeit vor dem Vertrag von Lausanne (1923) und der türkischen Verfassung von 1924 – also vor der systematischen Problematisierung kurdisch-türkischer Beziehungen. Er entwarf die Idee einer gemeinsamen Heimat, in det Kurd:innen und Türk:innen als gleichberechtigte Gründungsvölker einer Demokratischen Republik Türkei zusammenleben.

Die Geschichte der kurdischen Aufstände während der Republik, der tausendjährige Dialog zwischen beiden Völkern und nicht zuletzt 52 Jahre PKK-Führungserfahrung belegen, dass eine Lösung der kurdischen Frage nur auf Basis von gleichberechtigter Bürgerschaft und gemeinsamer Staatlichkeit möglich ist. Auch die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten, die Teil des Dritten Weltkriegs sind, machen eine Neuregelung der kurdisch-türkischen Beziehungen unausweichlich.


Unser Volk wird die Aufgaben dieser neuen Phase übernehmen

Unser ehrenwertes Volk, das seit 52 Jahren unter großen Opfern den Weg des Vorsitzenden und der PKK geht und sich der Politik der Leugnung, Vernichtung, des Völkermords und der Assimilation widersetzt hat, wird den Prozess von Frieden und dem Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mit größerem Bewusstsein und stärkerer Organisation annehmen.

Wir sind überzeugt, dass unser Volk die Entscheidung, die PKK aufzulösen und den bewaffneten Kampf zu beenden, besser als jeder andere verstehen und sich den Aufgaben dieser neuen Phase – auf Grundlage des Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft – verantwortungsvoll widmen wird.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unser Volk – insbesondere unter der Führung von Frauen und Jugendlichen – in allen Lebensbereichen eigene Strukturen aufbaut, sich auf Grundlage seiner Sprache, Identität und Kultur selbst organisiert, fähig wird, sich gegen Angriffe zu verteidigen und mit dem Geist der Mobilisierung eine kommunale, demokratische Gesellschaft errichtet.

In diesem Sinne glauben wir daran, dass die kurdischen politischen Parteien, demokratischen Organisationen und Meinungsführenden ihrer Verantwortung gerecht werden, die kurdische Demokratie weiterzuentwickeln und die kurdische demokratische Nation zu verwirklichen.

Mit den Beschlüssen des 12. PKK-Kongresses wird das Erbe unserer von Kampf und Widerstand geprägten Freiheitsgeschichte durch demokratische Politik stärker weiterentwickelt, und die Zukunft unserer Völker wird sich auf der Grundlage von Freiheit und Gleichheit gestalten.

Unsere bedürftigen und arbeitenden Bevölkerungsgruppen, alle religiösen Gemeinschaften, Frauen und Jugendliche, Werktätige, Bäuer:innen sowie alle vom Machtapparat ausgeschlossenen Teile der Gesellschaft werden im Prozess von Frieden und demokratischer Gesellschaft ihre Rechte verteidigen und ein gemeinsames Leben in einem demokratischen und gerechten Umfeld gestalten.

Aufruf zur Beteiligung am Prozess für Frieden und demokratische Gesellschaft

Die Entscheidung unseres Kongresses, die PKK aufzulösen und die Methode des bewaffneten Kampfes zu beenden, schafft eine starke Grundlage für dauerhaften Frieden und eine demokratische Lösung. Die Umsetzung dieser Entscheidungen erfordert, dass Rêber Apo den Prozess führen und lenken kann, das Recht auf demokratische Politik anerkannt wird und eine umfassende, rechtsverbindliche Absicherung gewährleistet ist.


In dieser Phase ist es von Bedeutung, dass die Große Nationalversammlung der Türkei (TBMM) ihrer historischen Verantwortung gerecht wird. Ebenso rufen wir – beginnend mit der Regierung und der Hauptoppositionspartei – alle im Parlament vertretenen politischen Parteien, zivilgesellschaftlichen Organisationen, religiösen und spirituellen Gemeinschaften, demokratischen Medien, Meinungsführende, Intellektuelle, Akademiker:innen, Kunstschaffende, Gewerkschaften, Frauen- und Jugendorganisationen sowie Ökologiebewegungen auf, Verantwortung zu übernehmen und sich am Prozess für Frieden und eine demokratische Gesellschaft zu beteiligen.

Wenn die linken und sozialistischen Kräfte der Türkei, revolutionäre Strukturen, Organisationen und Persönlichkeiten diesen Prozess aktiv unterstützen, wird der Kampf der Völker, der Frauen und der Unterdrückten eine neue Qualität erreichen. Das würde zugleich bedeuten, die Ziele der großen Revolutionäre zu verwirklichen, deren letzte Worte waren: „Es lebe die Geschwisterlichkeit der türkischen und kurdischen Völker und eine unabhängige Türkei!“

Der Sozialismus der demokratischen Gesellschaft, der eine neue Etappe im Prozess von Frieden, demokratischer Gesellschaft und sozialistischem Kampf darstellt, wird gemeinsam mit der globalen Demokratiebewegung zu einer gerechten und gleichberechtigten Welt führen.

In diesem Sinne rufen wir insbesondere unsere Freundinnen und Freunde, die die internationale Kampagne für die Freiheit Abdullah Öcalans anführen, sowie die demokratische Öffentlichkeit auf, im Rahmen des Paradigmas der demokratischen Moderne die internationale Solidarität zu stärken.

Wir fordern die internationalen Kräfte auf, sich ihrer Verantwortung hinsichtlich der seit über hundert Jahren gegen unser Volk geführten Genozidpolitik bewusst zu werden, eine demokratische Lösung nicht zu behindern und konstruktive Beiträge zum Prozess zu leisten.


Tod der Genossen Ali Haydar Kaytan und Rıza Altun

Unser 12. PKK-Kongress, der auf Aufruf unseres Vorsitzenden hin einberufen wurde, hat den Tod zweier führender Kader unserer Partei verkündet: Fuat - Ali Haydar Kaytan, der am 3. Juli 2018 gefallen ist, und Rıza Altun, der am 25. September 2019 gefallen ist.

In diesem Zusammenhang wird der Genosse Fuat, einer der Gründungskader der PKK, als Symbol für „Treue zum Vorsitzenden, Wahrheit und heiliges Leben“ anerkannt. Genosse Rıza Altun, einer der ersten Weggefährten von Rêber Apo, wird als Symbol für die „Kameradschaft der Freiheit“ gewürdigt.

Diesen beiden herausragenden gefallenen Genossen, die seit Beginn unserer Freiheitsbewegung durch ihren ununterbrochenen Einsatz führend gewirkt haben, widmen wir unseren historischen 12. Parteikongress. In ihrer Person erneuern wir unser Erfolgsversprechen gegenüber allen Gefallenen des Kampfes und bekräftigen unsere Entschlossenheit, die Träume des Gefallenen für Frieden und Demokratie, Genossen Sırrı Süreyya Önder, zu verwirklichen.

Der nationalstaatliche Sozialismus führt zur Niederlage; der Sozialismus der demokratischen Gesellschaft führt zum Sieg!

Beharrlichkeit in der Menschlichkeit ist Beharrlichkeit im Sozialismus!

Bijî Serok Apo!“