Sichere Rückkehr nach Serêkaniyê?

Serêkaniyê liegt in der türkischen Besatzungszone in Nordsyrien, die Bevölkerung wird von islamistischen Söldnern terrorisiert. Trotzdem wirbt der ezidische Verein ZÊD mit Sitz in Düsseldorf für die Rückkehr der Vertriebenen. Das stößt auf Kritik.

Serêkaniyê (ar. Ras al-Ain) steht seit zwei Jahren unter türkischer Besatzung. Im Zuge der am 9. Oktober 2019 gestarteten Invasion der türkischen Armee und dschihadistischer Söldner in Nordsyrien wurden 300.000 Zivilist:innen aus der Region in die Flucht getrieben. Ein Teil von ihnen ist von der nordostsyrischen Autonomieverwaltung im Auffanglager Waşokanî in der Nähe von Hesekê untergebracht worden. Die Vertriebenen wollen nach Serêkaniyê und die umliegenden Dörfer zurückkehren und haben ein Komitee dafür gegründet. Voraussetzung für eine gesicherte Rückkehr ist das Ende der türkischen Besatzung.

Zur aktuellen Situation teilte das Komitee am 9. Oktober in Waşokanî mit: „Die Menschen, die in Serêkaniyê geblieben sind, leben unter sehr schweren Bedingungen. In der Stadt und den umliegenden Dörfern verletzen die extremistischen Söldnergruppen täglich die Rechte der Bevölkerung. Die Menschen werden mit einer brutalen Politik eingeschüchtert. Sie werden verschleppt, ermordet, gefoltert und es wird Schutzgeld von ihnen erpresst. Diese Verbrechen des türkischen Staates und seiner Banden finden geplant und systematisch statt.“

Ezidischer Zentralrat wirbt für Rückkehr

Vor diesem Hintergrund stößt eine vom „Zentralrat der Eziden in Deutschland“ (ZÊD) veröffentlichte Erklärung auf massive Kritik syrischer Ezid:innen. Die Union der Êzîden aus Syrien e.V. beschuldigt den ZÊD, sich zum Komplizen des Besatzungsregimes zu machen und ohne Legitimation für die ezidische Community zu sprechen. Der ZÊD hatte in einer Erklärung vom 8. November mitgeteilt, dass vermehrt Ezid:innen „mit Unterstützung der Übergangsregierung" nach Serêkaniyê zurückkehren und man optimistisch sei, dass sich dieser Trend fortsetze, da es den Rückkehrern gut gehe.

Die Union der Êzîden aus Syrien e.V. weist in einer Stellungnahme auf die systematische Verfolgung von Minderheiten in den besetzten Gebieten hin, die auch von der US-Kommission für internationale Glaubensfreiheit (USCIRF) bestätigt werden. „Ezidische Heiligtümer werden zerstört, Frauen werden entführt, vergewaltigt. Es handelt sich um Islamisten mit derselben Ideologie wie der des IS, der am 3. August 2014 einen Völkermord an unseren Geschwistern in Sinjar (ku. Şengal) verübt hat“, heißt es in der Stellungnahme. Der Verein habe in Gesprächen mit dem ZÊD mehrfach darauf hingewiesen und darum gebeten, „seine teils völlig falschen bzw. verzerrten Erklärungen bezüglich der Eziden in Syrien in Zukunft zu unterlassen. Entgegen seiner Zusagen hat er jedoch weitergemacht.“ Vertreter des ZÊD hätten in der Türkei Gespräche geführt und das besagte Gebiet in Syrien besucht. Daher sei anzunehmen, „dass hinter verschlossenen Türen schmutzige Geschäfte abgewickelt werden“.

Der ZÊD hat sich eigenhändig demontiert“

Die türkischen Besatzungszonen im nördlichen und nordwestlichen Teil von Syrien gelten heute als sicherer Hafen für Islamisten, die sich schwerwiegender Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben. Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien warnt vor einer Wiederbelebung des IS („Islamischer Staat“) und einer dauerhaften Annexion syrischer Landesteile durch die Türkei.

„Der Terror und die Machenschaften dieser islamistischen Banden, der sogenannten Übergangsregierung, werden vom selbsternannten Zentralrat legitimiert. Aufgrund dessen haben mehrere Vereine nachvollziehbar und verständlicherweise ihren Austritt aus dem Zentralrat der Eziden in Deutschland erklärt. Der Zentralrat wird von Beginn an für persönliche Interessen instrumentalisiert und somit ist leider wieder ein wertvoller Versuch zur Bildung eines Bündnisses zwischen allen Eziden in Deutschland gescheitert. Der ZÊD hat sich eigenhändig demontiert und in die Bedeutungslosigkeit hineinmanövriert. Er hat keinerlei Recht und Legitimation, im Namen der Eziden und erst recht nicht der Eziden aus Syrien zu sprechen“, so die Union der Êzîden aus Syrien e.V.