Eine Delegation der US-Kommission für internationale Glaubensfreiheit (USCIRF) unter Leitung der stellvertretenden Vorsitzenden der US-Regierungsbehörde, Nadine Maenza, hält sich seit einiger Zeit im Autonomiegebiet von Nord- und Ostsyrien auf. Die USCIRF ist eine einflussreiche Behörde, welche die US-Regierung und den Kongress berät. Ehmed Mihemed von der Nachrichtenagentur ANHA hatte die Gelegenheit, mit Maenza über die Resultate ihrer Untersuchungen in der Region zu sprechen.
„Ich bin so froh, Nordsyrien zu besuchen. Unsere Kommission konnte feststellen, dass hier herausragende religiöse Freiheit herrscht“, sagte Maenza. Es handele sich um den einzigen Ort im Mittleren Osten, an dem es nicht zu Konflikten bei Konversionen komme und religiöse Bekehrungen kein Tabuthema sei. „Die Menschen haben hier wirklich vollkommene Religionsfreiheit.“
Selbstverwaltung schützt religiöse Freiheit
Maenza verfolgt die Entwicklungen in Nord- und Ostsyrien schon lange und besucht die Region nicht zum ersten Mal. Schon im letzten Jahr hielt sie sich in den Autonomiegebieten auf, aber erst jetzt habe sie die Gelegenheit gehabt, verschiedene Regionen zu besuchen und zu beobachten, wie die Verwaltung funktioniert. „Diese Verwaltung schützt religiöse Freiheit, ebenso wie die Frauen- und Menschenrechte“, sagt Maenza, und ergänzt: „Ja, es handelt sich um ein äußerst bemerkenswertes Projekt, das hier etabliert wurde, und es ist wirklich ein Privileg, heute hier sein zu können und die Dinge mehrere Wochen lang mit eigenen Augen zu betrachten.“ Damit meine sie die Bedingungen und wie die Selbstverwaltung es geschafft habe, all das hier aufzubauen.
Video: ANHA
Stimmen gegen Verbrechen in Besatzungszone erheben
Die Delegation der USCIRF beschäftigt sich nicht lediglich mit der Lage in den selbstverwalteten Regionen von Nord- und Ostsyrien, sondern untersuchte bereits zuvor die Bedingungen in der türkischen Besatzungszone. Die Ergebnisse brachte die Kommission in einem Bericht dem US-Kongress zur Kenntnis. Sie kam dabei zu erschütternden Ergebnissen, wie Maenza erläutert: „Wir haben festgestellt, dass in den Gebieten in Nord- und Ostsyrien, die von der Türkei besetzt wurden, das Recht der Glaubens- und Religionsfreiheit annulliert wurde. Im Juni hatten wir eine Kongressanhörung, bei der wir die Bedingungen in diesen Regionen darstellten. Das schließt Morde, Vergewaltigungen, Zwangskonvertierung, Entführung, Umwandlung und Zerstörung religiöser Orte, Zerstörung von Friedhöfen, den demografischen Wandel durch die Ansiedlung von Flüchtlingen aus anderen Teilen Syriens mit ein. All diese Methoden stellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Die Kommission war sehr besorgt über die Bedingungen in den besetzten Gebieten. Wir wissen, dass auch jetzt Frauen regelmäßig entführt werden, ezidische Gebetsstätten wurden zerstört. Es gibt so viele Gründe, warum die internationale Gemeinschaft die Stimme gegen diese schrecklichen Grausamkeiten gegenüber religiösen Minderheiten in den von der Türkei besetzten Gebieten in Nordsyrien erheben muss.“
Internationale Gemeinschaft darf nicht mehr wegschauen
Maenza kritisiert, dass es sich die USA und viele andere Staaten einfach machten, die Verbrechen der Türkei zu ignorieren. „Die Türkei ist NATO-Partner der USA. Diese Tatsache erschwerte den anderen Mitgliedsländern Wege zu finden, mit der Türkei umzugehen. Ein Ziel meiner Aufgabe mit der Dokumentation der Bedingungen in den selbstverwalteten Gebieten und in den türkischen Besatzungszonen ist es dafür zu sorgen, dass die internationale Gemeinschaft nicht mehr wegschauen und die Geschehnisse ignorieren kann.“
Jedes Land der Welt sollte seine Stimme gegen diese Grausamkeiten gegenüber religiösen Minderheiten erheben und diskutieren, was man unternehmen kann, um die Türkei unter Druck zu setzen, sich aus Syrien zurückzuziehen, führt Maeinza weiter aus. Die Tatsache, dass es sich um einen NATO-Partner handelt, dürfe nicht als Ausrede dienen. Stattdessen müsste die Türkei an einem höheren Standard gemessen werden. „Des Weiteren darf ihr nicht erlaubt werden, diese grundlosen Gräueltaten an der Zivilbevölkerung zu begehen.“
US-Regierung muss harte Sanktionen gegen Türkei in Betracht ziehen
Maenza beschreibt die Beziehung zwischen den USA und der Türkei als „sehr kompliziert“ und führt an, dass die Vereinigten Staaten tunlichst vermeiden wollen, sich mit den Gräueltaten der türkischen Truppen und ihrer Verbündeten zu beschäftigen. „Aber die Türkei begeht so schwere Gräueltaten, dass wir nicht mehr wegsehen dürfen. Ich glaube, der Kongress war sogar bereit, Sanktionen gegen Ankara zu verhängen. Diese scheiterten zwar im Senat, aber es besteht kein Zweifel, dass der Kongress eine Abstrafung befürwortet. Für die US-Regierung ist es an der Zeit, Sanktionierungen endlich in Betracht zu ziehen.“