Ein Jugendbündnis hat in Istanbul gegen das Verbotsverfahren gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) protestiert. An der Kundgebung am Samstag vor der Süreyya-Oper in Kadiköy nahmen Aktivist:innen der Organisationen Neue Demokratische Jugend, Kaldıraç, Jugendkommunen und Boğaziçi-Solidarität teil. Unterstützt wurde die Kundgebung von den HDP-Abgeordneten Züleyha Gülüm und Dersim Dağ. Die Polizei war mit einem großem Aufgebot vor Ort. Auf Schildern und in Parolen wurde dem „Palastregime“ der Erdogan-Regierung eine Niederlage prognostiziert: „Die Widerstand leistenden Völker werden siegen“. Auf einem Transparent stand: „Die Jugend wird die Schließung der HDP nicht zulassen“.
In einer von Arda Yüksel vorgetragenen Erklärung des Jugendbündnisses wurde auf die Vorgeschichte des Verbotsverfahrens hingewiesen: Als die HDP bei den Parlamentswahlen am 7. Juni 2015 die Zehn-Prozent-Hürde überschritten hat, sei dem Staat ein Strich durch die Rechnung gemacht worden. Die Regierung habe daraufhin das Präsidialsystem eingeführt und mafiöse Strukturen im Staatsapparat gefördert. Inzwischen versuche sie, das ganze Land mit Zwangsverwaltern zu leiten. Der Anfang sei mit den HDP-geführten Rathäusern gemacht worden, danach seien auch Universitäten unter Zwangsverwaltung gestellt worden, kritisierte das Jugendbündnis. Im Zuge der Kriegspolitik gegen das kurdische Volk sei Deniz Poyraz in der HDP-Zentrale in Izmir ermordet worden, in Konya wurde eine siebenköpfige kurdische Familie ausgelöscht.
Die Regierung versuche, alle organisierten Strukturen der Opposition zu zerschlagen, erklärte Arda Yüksel weiter. Betroffen seien unter anderem zivilgesellschaftliche Organisationen, Medieneinrichtungen, studentische Organisationen und mit der HDP die drittgrößte Partei im Land. „Diese Bemühungen sind jedoch umsonst. Wir wissen, dass wir das Schließungsverfahren gegen die HDP im gemeinsamen Kampf stoppen können“, so die Jugendorganisationen. Die HDP sei das wichtigste Sammelbecken der Unterdrückten und Werktätigen und die Jugend werde nicht zulassen, dass die Partei aus der politischen Arena ausgegrenzt werde.
Verbotsverfahren gegen die HDP
Der türkische Verfassungsgerichtshof hat das Verbotsverfahren gegen die HDP am 21. Juni eröffnet, zwei Wochen zuvor war die Anklageschrift der Generalstaatsanwalt des türkischen Kassationshofs eingereicht worden. Dieser setzt die HDP mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gleich und wirft ihr vor, die „unteilbare Integrität des türkischen Staates“ zu untergraben. Ein erster Anlauf für ein Verbotsverfahren war im März war wegen formaler Mängel gescheitert.
Die Anklage gegen die HDP beruht vor allem auf Beiträgen von Selahattin Demirtaş, Pervin Buldan und Mithat Sançar in den sozialen Medien während der Zeit des Friedensprozesses. Aus den Tweets konstruiert die Staatsanwaltschaft einen strukturellen Zusammenhang zwischen HDP und PKK. Außerdem erscheint dort auch das sogenannte Kobanê-Verfahren, in dem 108 Personen, unter ihnen auch der ehemalige Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtaş, zu mehrfach lebenslänglichen Haftstrafen wegen Aufruf zum Protest gegen die IS-Unterstützung der Türkei beim Angriff auf Kobanê verurteilt werden sollen.