„Ein Moment der Andacht wurde zum Schauplatz des Grauens“
Angesichts des dschihadistischen Anschlags auf die Mar-Elias-Kirche in Damaskus am Sonntag haben der Assyrische Kulturverein e. V. Saarlouis und die Assyrische Autonomie Bewegung e. V. Saarlouis einen Brief veröffentlicht. „Als Vertreter der assyrischen Gemeinschaft möchten wir unserer Trauer Ausdruck verleihen und zugleich auf das Leid der christlichen Minderheiten im Nahen Osten aufmerksam machen“, heißt es in dem Anschreiben.
Bei dem Selbstmordattentat am Sonntagabend sind nach offiziellen Angaben mindestens 25 Menschen getötet und über 60 weitere verletzt worden. Eine bisher weitgehend unbekannte Dschihadistenmiliz hat sich zu dem Anschlag bekannt.
Die assyrischen Verbände zeigen sich erschüttert ob der Gewalt. „Ein Moment der Andacht wurde zum Schauplatz des Grauens“, und weiter, „es war ein gezielter Angriff auf das, was uns Halt gibt: unseren Glauben, unsere Gemeinschaft, unser Menschsein.“
Das Schweigen brechen
Für sie ist von entscheidender Bedeutung, dass die Welt nun nicht zu diesen Geschehnissen schweigt. „Weil jedes Schweigen ein zweiter Schlag ist, jedes Wegsehen eine stille Zustimmung“, heißt es in dem Brief. Sie rufen zu Solidarität mit den betroffenen Familien auf, aber auch dazu, über den Anschlag zu sprechen
Verfolgung sei Teil der Geschichte der assyrischen Christ:innen: „Wir als assyrische Christen kennen diesen Schmerz. Er liegt tief in unserer Geschichte, tief in unseren Familien, tief in unseren Seelen. Unsere Vorfahren mussten fliehen, unsere Sprache wurde bedroht, unsere Kirchen in Brand gesetzt – und doch haben wir überlebt. Aber wie lange noch, wenn wir keinen Schutzraum haben?“
Gewalt gegen Minderheiten
Zahlreiche NGOs, die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) sowie Parteien aus unterschiedlichen Ländern warnen seit der Machtübernahme der islamistischen „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) im Dezember in Syrien vor einer wachsenden Bedrohung ethnischer und religiöser Minderheiten im Land. Hoffnung wird hingegen in einem möglichen dezentralen Staatsmodell gesehen.
Die assyrischen Vereine sehen hinter dem Anschlag Hass, entwerfen aber zugleich ein Bild des friedlichen Zusammenlebens: „Wir glauben fest daran: Unser Volk hat ein Recht auf Leben, auf Sicherheit, auf Zukunft. Und deshalb träumen wir von mehr als nur vom Überleben. Wir träumen von einer international geschützten Autonomie für das assyrische Volk – einem Ort, an dem unsere Kinder ohne Angst leben, glauben und wachsen dürfen. Nicht als Minderheit in der Unsichtbarkeit, sondern als freies Volk in Würde und Verantwortung.“
„Ein Kind, das in Damaskus stirbt, ist genauso unschuldig wie jedes andere.“
Mit Blick nach Europa finden sie klare Worte der Mahnung, sich an die Gleichwertigkeit des Lebens zu erinnern: „Ein Menschenleben im Nahen Osten ist nicht weniger wert als eines in Europa. Ein Kind, das in Damaskus stirbt, ist genauso unschuldig wie jedes andere.“ In diesem Sinne rufen die beiden Vereine zu einer solidarischen Haltung, konkreter Unterstützung und zum Reden über das Geschehene auf.
Der Brief endet in diesem Sinne: „Wir stehen in direktem Kontakt mit den Überlebenden, mit den Angehörigen, mit der Gemeinde vor Ort. Was wir hören, sind nicht nur Tränen – es ist Hoffnung. Hoffnung, dass wir handeln. Geben wir diesen Opfern Würde. Geben wir dem Leid einen Namen. Und geben wir Gott die Ehre, indem wir das Leben schützen – dort, wo es bedroht ist. Denn Nächstenliebe ist keine Idee – sie ist eine Entscheidung.“
Selbstmordanschlag auf die Mar-Elias-Kirche
Der Attentäter war am vergangenen Sonntag während der Messe in die griechisch-orthodoxe Mar-Elias-Kirche im christlichen Stadtteil Al-Duwaila eingedrungen. Zunächst schoss er um sich und zündete dann eine Sprengstoffweste. Offiziellen Angaben zufolge tötete er hierbei mindestens 25 Menschen und verletzte über 60 weitere.
Die Gruppierung „Saraja Ansar al-Sunna“, eine bisher weitgehend unbekannte Dschihadistenmiliz, hat sich später zu dem Attentat bekannt. Im Onlinedienst Telegram, erklärten sie, der Selbstmordanschlag sei eine Reaktion auf eine „Provokation durch Christen in Damaskus“ gewesen.
„Saraya Ansar al-Sunna“ war erst im Februar dieses Jahres in die Öffentlichkeit getreten, seitdem aber bereits in Dutzenden Fällen die Verantwortung für Anschläge und gezielte Tötungen in Syrien übernommen. Es soll sich um eine Splittergruppe von „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) handeln, die von sich behauptet, bisher nicht mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) zusammenzuarbeiten.