Verfassungsgericht nimmt HDP-Verbotsantrag an
Der Verfassungsgerichtshof in Ankara hat die Anklageschrift im Verfahren um ein Verbot der HDP angenommen.
Der Verfassungsgerichtshof in Ankara hat die Anklageschrift im Verfahren um ein Verbot der HDP angenommen.
Der Verfassungsgerichtshof in Ankara hat die erste Vorbetrachtung der Anklageschrift im Verbotsverfahren gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) abgeschlossen und entschieden, das Verfahren zu eröffnen. Am 7. Juni hatte die Generalstaatsanwaltschaft des türkischen Kassationshofs beim Verfassungsgericht einen erneuten Anlauf für ein Verbotsverfahren gegen die HDP gestartet, nachdem ein erster Versuch am 31. März aufgrund gravierender Mängel vom Verfassungsgericht abgewiesen worden war. Während nun die Anklageschrift akzeptiert wurde, wurde der Antrag auf das Einfrieren der Bankkonten der HDP abgewiesen. Das in der 843 Seiten starken Anklageschrift geforderte Politikverbot für 451 HDP-Politiker:innen bleibt jedoch bestehen.
Das weitere Prozedere
Nun muss als nächstes der Verfassungsgerichtshof die Anklageschrift an die HDP schicken, damit diese sich auf eine Verteidigung vorbereiten kann. Die HDP muss ihre vorläufige Verteidigung innerhalb einer vom Verfassungsgerichtshof gegebenen Frist abgeben oder eine Verlängerung beantragen. Nach der Einsendung der Vorverteidigung wird der oberste Ankläger Bekir Şahin gegenüber dem Gericht Stellung nehmen. Diese Stellungnahme wird dann wieder an die HDP übersandt und eine mündliche Verhandlung stattfinden.
Die Entscheidung über ein Verbot der HDP hängt von einer Zweidrittelmehrheit in der 15-köpfigen Jury des Verfassungsgerichtshof ab. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist bindend, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann das Verfahren nicht stoppen, aber die Türkei aufgrund einer Rechtsverletzung verurteilen.
Allein die Anklage ist ein Rechtsbruch
Die „Anklage“ gegen die HDP beruht vor allem auf Beiträgen von Selahattin Demirtaş, Pervin Buldan und Mithat Sançar in den sozialen Medien während der Zeit des Friedensprozesses. Aus den Tweets konstruiert die Staatsanwaltschaft einen strukturellen Zusammenhang zwischen HDP und PKK. Außerdem erscheint dort auch das sogenannte Kobanê-Verfahren, in dem 108 Personen, unter ihnen auch der ehemalige Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtaş, zu mehrfach lebenslänglichen Haftstrafen wegen Aufruf zum Protest gegen die IS-Unterstützung der Türkei beim Angriff auf Kobanê, verurteilt werden sollen. In einer Erklärung der Anklage heißt es: „Die Aussagen der Angeklagten nach den Kobanê-Zwischenfällen, den Kämpfen um die Gräben und der Gare-Operation, die Äußerungen zu den Familien, die vor dem Gebäude des Provinzverbands der beklagten Partei für ihre Söhne Wache halten, und die Aussagen der wegen ‚Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation‘-Angeklagten, dass sie sich über HDP-Strukturen der bewaffneten Terrororganisation PKK-KCK angeschlossen haben, werden aufgenommen.“