Die am Freitag festgenommene HDP-Abgeordnete Semra Güzel ist nach polizeilichem Verhör zur staatsanwaltschaftlichen Anhörung in den Istanbuler Justizpalast in Çağlayan gebracht worden. Die Demokratische Partei der Völker (HDP) protestiert gegen die Festnahme und die mediale Schmutzkampagne gegen die kurdische Politikerin.

Der Frauenrat der HDP erklärte sich in einer schriftlichen Stellungnahme geschlossen solidarisch und bezeichnete Semra Güzel als Repräsentantin von Frauen und gewählte Volksvertreterin. Das Männerbündnis aus AKP und MHP habe sie als Angriffsziel ausgewiesen und folge damit seinem Konzept, durch Angriffe von seiner vielschichtigen Krise abzulenken. An den türkischen Innenminister, der die Festnahme von Semra Güzel öffentlich als erfolgreiche Operation gepriesen hat, appellierte der Frauenrat, anstatt Frauen lieber Frauenmörder zu verhaften. „Sie können Ihre eigenen Verbrechen nicht mit Hetze und dem Anheizen von Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Frauenfeindlichkeit vertuschen. Als Frauen werden wir uns dieser schmutzigen Politik nicht beugen.“

Der HDP-Vorstand wies in einer Erklärung darauf hin, dass die türkische Regierung die Festnahme von Semra Güzel für Propagandazwecke benutzt: „Unsere Abgeordnete wurde anders als behauptet, nicht in Edirne, sondern in Istanbul festgenommen. Die Meldungen, dass sie eine Perücke getragen und ihr Aussehen verändert habe, entsprechen nicht der Realität. Bis heute leisten alle unsere Genossinnen und Genossen Widerstand gegen jede Art des Angriffs. Sie führen einen mutigen Kampf und es kann nicht die Rede davon sein, dass sie sich zurückziehen und vor den Konsequenzen flüchten. Selbstverständlich trauen wir der von der Regierung kontrollierten Justiz nicht und gehen nicht davon aus, dass sie eine unabhängige Entscheidung treffen wird. Wir sind jedoch eine Partei, die sich den Kampf gegen die Mentalität und den Apparat der AKP zum Grundprinzip gemacht hat.“

Verfahren gegen Semra Güzel

Die parlamentarische Immunität von Semra Güzel ist im März aufgehoben worden. Gegen die 38-Jährige läuft ein Verfahren wegen „Landesverrat“ und „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“. Die Vorarbeit hierzu leistete eine medial aufwendige und offenbar vom Innenministerium gelenkte Diffamierungskampagne gegen die kurdische Politikerin und ausgebildete Ärztin.

Ausgangspunkt der von der HDP als „Schmierentheater“ bezeichneten Hetzkampagne sind Fotos, die Güzel mit ihrem ehemaligen Verlobten, dem Guerillakämpfer Volkan Bora (Nom de Guerre: Koçero Meletî) zeigen. Die Aufnahmen waren 2014 in einem südkurdischen Guerillacamp entstanden, als eine Delegation der HDP im Rahmen des Friedensprozesses mit staatlichem Wissen die PKK besuchte, um weitere Schritte zur Deeskalation zu besprechen. Derweil hat der Verlust der parlamentarischen Immunität von Semra Güzel im „Kobanê-Prozess“ in Ankara als unterstützendes Beweismaterial gegen die mehr als einhundert Angeklagten seinen Weg in die Akten gefunden.