Die HDP-Abgeordnete Semra Güzel ist am Freitag in der westtürkischen Metropole Istanbul festgenommen worden. Nach vorliegenden Informationen wird sie seit dem Nachmittag im Polizeipräsidium der Bosporus-Metropole festgehalten und als Beschuldigte vernommen. Nach der 38-Jährigen war seit März gefahndet worden. Die Oberstaatsanwaltschaft Ankara hatte Güzel per richterlichen Beschluss zur Fahndung ausgeschrieben, weil sie einer Vorladung zur Befragung nicht Folge geleistet haben soll.
Das gegen Semra Güzel anhängige Verfahren bezieht sich auf die Vorwürfe „Landesverrat“ und „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“. Offiziell wurde es eingeleitet, nachdem Anfang März die parlamentarische Immunität der Abgeordneten für die kurdische Provinz Amed (tr. Diyarbakır) in der türkischen Nationalversammlung aufgehoben worden war. Die Vorarbeit hierzu leistete eine medial aufwendige und offenbar vom Innenministerium gelenkte Diffamierungskampagne gegen die kurdische Politikerin und ausgebildete Ärztin in regierungsnahen Blättern.
Ausgangspunkt der von der HDP als „Schmierentheater“ bezeichneten Hetzkampagne sind Fotos, die Güzel mit ihrem ehemaligen Verlobten, dem Guerillakämpfer Volkan Bora (Nom de Guerre: Koçero Meletî) zeigen. Die Aufnahmen waren 2014 in einem südkurdischen Guerillacamp entstanden, als eine Delegation der HDP im Rahmen des Friedensprozesses mit staatlichem Wissen die PKK besuchte, um weitere Schritte zur Deeskalation zu besprechen. Derweil hat der Verlust der parlamentarischen Immunität von Semra Güzel im „Kobanê-Prozess“ in Ankara als unterstützendes Beweismaterial gegen die mehr als einhundert Angeklagten seinen Weg in die Akten gefunden.
Polizeibesuch bei Güzel
Nur wenige Tage nach dem Entzug der Abgeordnetenimmunität hatte die türkische Polizei in Amed die Wohnung von Semra Güzel überfallen. Begründet worden war das abendliche Vorgehen ohne jegliche Ankündigung schon damals mit einer Aufforderung zum persönlichen Erscheinen zwecks Vernehmung. Güzel war zum Zeitpunkt der Razzia nicht anwesend. Sollte sie in dem Terrorverfahren, das im Zusammenhang mit einer behaupteten PKK-Mitgliedschaft steht, verurteilt werden, droht ihr eine langjährige Freiheitsstrafe.