HDP-Politiker Gergerlioğlu aus dem Gefängnis entlassen

Der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu ist nach drei Monaten Haft aus dem Gefängnis Sincan entlassen worden und befindet sich auf dem Weg zur Parteizentrale in Ankara.

Der HDP-Politiker Ömer Faruk Gergerlioğlu ist endlich frei und konnte das Gefängnis Sincan bei Ankara verlassen. Der türkische Verfassungsgerichtshof hatte vergangenen Donnerstag seiner Klage gegen den Entzug seines Abgeordnetenmandats stattgegeben. Die Freilassung war bereits letzte Woche erwartet worden. Am Montag hatten HDP-Abgeordneten zusammen mit Angehörigen und weiteren Unterstützer:innen vor dem Gefängnis die sofortige Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils gefordert und waren von der Polizei angegriffen worden.

Heute erfolgte die amtliche Bekanntmachung des Urteils, woraufhin das zuständige Gericht in Kocaeli den Haftbefehl aufhob. Vor dem Gefängniskomplex Sincan wurde Gergerlioğlu von zahlreichen Menschen erwartet, es kam erneut zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Offenbar um eine Begrüßung in Anwesenheit von Journalist:innen zu umgehen, wurde Gergerlioğlu vom Anstaltsgelände gebracht und in weiterer Entfernung ausgesetzt. Dort wurde er von seinem Sohn Salih Gergerlioğlu und weiteren Angehörigen in Empfang genommen und befindet sich jetzt auf dem Weg zur HDP-Zentrale in Ankara.

Prozess muss neu aufgerollt werden

Laut dem Verfassungsgerichtsurteil steht Gergerlioğlu eine Entschädigung in Höhe von 30.000 TL zu. Der Prozess gegen ihn muss neu aufgerollt werden. Dem HDP-Politiker und Menschenrechtler war im März aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen „Terrorvorwürfen“ das parlamentarische Mandat entzogen worden. Er wurde gewaltsam von der Polizei aus dem Parlament geholt und Anfang April in seiner Wohnung verhaftet. Seitdem befand er sich im Gefängnis Sincan in Ankara.

Grundlage der Anklage gegen Gergerlioğlu war eine Friedensbotschaft aus dem Jahr 2016. Der Politiker, der von Beruf eigentlich Arzt und Spezialist für Lungenkrankheiten ist, engagierte sich nach den einseitig von der türkischen Regierung beendeten Friedensverhandlungen mit der kurdischen Bewegung im Jahr 2015 für die Friedensplattform in Kocaeli. Bei den Social-Media-Konten der Initiative veröffentlichte Gergerlioğlu nahezu täglich Friedensbotschaften, so auch am 9. Oktober 2016. An diesem Tag postete er ein Foto, das eine gestellte Szene während einer Veranstaltung zum Weltfriedenstag 2015 zeigte: Zu sehen sind mehrere Frauen und im Vordergrund zwei Särge. Im einen ein türkischer Soldat, im anderen ein PKK-Kämpfer, die durch entsprechende Fahnen auf den Särgen zu erkennen sind. Unter das Bild schrieb Gergerlioğlu: „Dieser Krieg erschöpft die Gesellschaft. Ein Kind geht zur Armee, ein anderes zur PKK, beide sterben. Wäre es nicht besser, die beiden würden nicht als Leichen nebeneinander liegen, sondern gleichberechtigt leben, Schulter an Schulter?“