Belgische Anwält:innen fordern: Drohnen müssen verboten werden

Eine Delegation von Anwält:innen aus Belgien ist nach Şengal und Mexmûr gereist, um die türkischen Drohnenangriffe vor Ort zu untersuchen. Sie fordern im Rahmen des Völkerrechts, juristische Schritte gegen die Türkei einzuleiten.

Die Rechtsanwält:innen Selma Benkhelifa, Joke Callewaert und Georges-Henri Beauthier aus Belgien haben als Delegation Şengal und das Flüchtlingslager Mexmûr in Südkurdistan besucht, um die Auswirkungen der türkischen Drohnenangriffe zu begutachten und mit den Angehörigen der durch diese Angriffe Verletzten und Getöteten zu sprechen. Nach ihrer Rückkehr nach Belgien erklärten sie in einer Pressemitteilung, dass die Drohnenangriffe der türkischen Armee im Irak Staatsterror gegen Kurd:innen und Ezid:innen seien. Sie drückten ihre Betroffenheit über die illegalen und straffrei bleibenden Morde durch Killerdrohnen aus.

Weiter teilen die Anwält:innen in ihrer Erklärung mit, dass sie im Auftrag der Angehörigen der neun Opfer des Angriffs der Türkei bei der Stadt Zaxo Ende Juli 2022 Klage bei den Vereinten Nationen eingereicht hätten. Die Angriffe des türkischen Staates auf die kurdischen Gebiete im Nordirak gehen ununterbrochen weiter und fordern täglich zivile Opfer, so die Anwält:innen. „Wir haben vor Ort Menschen, die durch türkische Drohnen verletzt wurden, und mit den Angehörigen von Getöteten gesprochen. Wir waren schockiert, als wir hörten, dass am 29. August das Flüchtlingslager, in dem uns die Menschen noch wenige Tage zuvor willkommen geheißen hatten, erneut mit Drohnen angegriffen worden war.“

Killer am Himmel

Die Delegation besuchte auch die vom IS-Genozid und dem Kampf um Befreihung geprägte ezidische Region Şengal. Die Anwält:innen schildern in ihrer Erklärung, wie sie selbst die Bedrohung durch Drohnen erlebten: „In dem Ort Xanesor, der in Şengal nahe der syrischen Grenze liegt, erlebten wir selbst die ständige Bedrohung durch Drohnen, die über unseren Köpfen kreisten. Die Bewohner erzählten uns vom täglich erlebten Schrecken, durch über ihren Köpfen kreuzende türkische Drohnen. Wir trafen auch eine Mutter, die ihr Kind bei dem Angriff auf das Krankenhaus, bei dem auch mehrere Mitarbeiter:innen starben, verloren hatte, sowie die Mutter eines bei einem Drohnenangriff auf sein Auto getöteten ezidischen Politikers und ein bei dem Angriff auf ein Gesellschaftszentrum verletztes Kind.“

Erdoğan führt den Genozid an den Ezid:innen fort

„Die Ezidinnen und Eziden werden seit 275 Jahren von Völkermördern heimgesucht, zunächst vom osmanischen Reich und dann von den Terrormilizen des IS, die den Genozid fortgeführt haben. Jeder erinnert sich an die entführten und als Sklavinnen verkauften Frauen und Mädchen. Jetzt führen Erdoğan und sein Regime den Völkermord an den Eziden fort“, so die Rechtsanwält:innen aus Belgien. „Die Bevölkerung hat gekämpft und konnte den IS vertreiben. Jetzt stehen die Menschen mit einem Gefühl der Ohnmacht einer Bedrohung gegenüber, gegen die sie sich nicht wehren können. Bei unseren Besuchen sahen wir herzzerreißendes Leid, unsere Gespräche mit den Opfern des Drohnenterrors haben uns sprachlos und wütend gemacht.“

Seit Monaten fliegen täglich türkische Drohnen über das Flüchtlingslager

Nach ihren Besuchen in Şengal fuhr die Delegation zum etwa 60 Kilometer südwestlich von Hewlêr, der Hauptstadt der Kurdistan-Region Irak, gelegenen Flüchtlingslager Mexmûr. In dem selbstverwalteten Camp leben mehr als 12.000 Menschen. Die meisten von ihnen waren in den 1990er Jahren aufgrund der Repression des türkischen Staates und der Politik der verbrannten Erde gezwungen, ihre Dörfer in der Botan-Region in Nordkurdistan zu verlassen. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben sie 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die UNHCR, unter deren Schutz das Lager angeblich stehen soll, sind jedoch nur nominell präsent. Die Organisation hatte das Lager beim Angriff des IS sich selbst überlassen und ist nicht mehr zurückgekehrt.

Seit Monaten fliegen täglich türkische Drohnen über das Camp, berichten die Anwält:innen. „Wir lernten Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers kennen, sie berichteten uns von ihrer Flucht vor dem Staatsterror in der Türkei in den 1990er Jahren. Sie haben sich im Irak, in diesem mitten in der Wüste gelegenen Lager, ein neues Leben aufgebaut. Aber sie werden weiterhin von der Türkei terrorisiert. Die Türkei bombardiert sie mit Drohnen unter dem Vorwand, sie seien Kämpfer der PKK. Aber die Opfer der Drohnenangriffe, die wir trafen, waren allesamt Zivilisten, wie die 73-jährige Frau, die bei einem Drohnenangriff getötet wurde, und deren Tochter wir kennenlernten oder die jungen Frauen, die beim Hüten ihres Viehs von den Drohnen attackiert wurden.“ Die Anwält:innen betonen, dass das Flüchtlingslager Mexmûr 250 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt liege und unmöglich eine Gefahr für die Sicherheit der Türkei darstellen könne.