Öcalans Rechte respektieren
Die Ko-Vorsitzende der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Tülay Hatimoğulları, hat bei der wöchentlichen Gruppensitzung ihrer Parlamentsfraktion eine eindringliche Botschaft formuliert: Die Regierung solle den wachsenden Friedensforderungen der Bevölkerung Gehör schenken und eine glaubhafte politische Initiative einleiten. Dabei forderte sie insbesondere konkrete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Kommunikationswege von Abdullah Öcalan und ein Umfeld für den kurdischen Vordenker, in dem er frei arbeiten kann.
Hatimoğulları sprach zu Beginn ihrer Rede über die kritische Gesundheitssituation des DEM-Politikers Sırrı Süreyya Önder, die das Land in Atem halte. Sie nannte ihn einen Hoffnungsträger der Friedensbemühungen und betonte, wie sehr seine Stimme im aktuellen politischen Klima fehle.
Friedensaufruf von Abdullah Öcalan als Wendepunkt
Besondere Aufmerksamkeit widmete Hatimoğulları dem Ende Februar veröffentlichten „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ von Abdullah Öcalan. Dieser rufe nach einem neuen politischen Prozess, der Frieden, Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe in den Mittelpunkt stelle. „Dieser Appell ebnet den Weg für einen historischen Wendepunkt“, so Hatimoğulları. „Er ist ein Aufruf zur Versöhnung und ein Signal für eine gerechtere Gesellschaft.“
Forderung nach Umkehr im Strafvollzug
Die alawitische Politikerin ging ebenfalls auf das infame System der lebenslangen Haftstrafen ohne Aussicht auf Begnadigung ein. „Ein solcher Vollzug ist nichts anderes als eine moderne Todesstrafe. Jeder Mensch hat ein Recht auf Hoffnung, auf Wiedereingliederung. Die Regierung muss diese Praxis beenden und der Europäischen Menschenrechtskonvention gerecht werden.“
Hatimoğulları stellte weiter klar, dass ein Friedensprozess zur Lösung der kurdischen Frage nicht allein Sache der Politik sei: „Wir besuchen Haushalte, treffen Menschen in ihren Stadtteilen, nehmen Anregungen und Kritik entgegen und informieren sie über unsere Vorschläge.“ Sie rief Mütter aller Bevölkerungsgruppen dazu auf, gemeinsam für ein Ende der Gewalt einzutreten: „Keine Mutter, weder Türkin noch Kurdin, soll Tränen über den Verlust eines Kindes vergießen müssen.“
Demokratie als Grundlage
Sie warnte vor Versuchen, die Opposition von einem friedenspolitischen Konsens auszuschließen. Eine dauerhafte Lösung sei nur möglich, wenn die politische Willensbildung aller gesellschaftlichen Akteur:innen respektiert werde. Einen eindringlichen Appell richtete Hatimoğulları an die Regierung: „Es ist Zeit zu handeln. Die politische Verantwortung liegt jetzt klar bei Ihnen. Stellen Sie sich der Aufgabe mit Mut, mit Entschlossenheit und im Sinne des Friedens.“ Die DEM-Partei sei in jedem Fall bereit, einen solchen Prozess auf allen Ebenen zu unterstützen. „Wir glauben an den Frieden, wir glauben an eine gerechte und freie Zukunft für alle Menschen dieses Landes.“ Mit Blick auf die kurdische Nationalkonferenz in Qamişlo am Wochenende ergänzte Hatimoğulları: „Diese Konferenz war ein historischer Moment. Sie zeigt den Willen zur friedlichen Koexistenz aller Völker der Region.“
Solidarität mit sozialen Bewegungen und Kritik an Repression
Hatimoğulları äußerte sich auch zu den jüngsten Polizeiaktionen gegen linke Gruppen und Aktivist:innen im Vorfeld des 1. Mai: „Diese Repressionen sind ein Angriff auf das Recht auf Versammlung und freie Meinungsäußerung. Die Festgenommenen müssen umgehend freigelassen werden.“ Die DEM-Vorsitzende betonte die Bedeutung von gewerkschaftlicher Organisierung, Frauenrechten und Sozialschutz. Sie sprach sich für die Anerkennung von Hausarbeit, sichere Arbeitsbedingungen für Landarbeiter:innen und ein Grundeinkommen für Erwerbslose aus. Der Kampf gegen Kinderarbeit und für Arbeitssicherheit sei zentral. „Deshalb werden wir an unserem Kampftag am 1. Mai überall auf der Straße sein“, sagte Hatimoğulları.