Für die Freilassung von Ahmed Şehbaz, Edban Yılmaz und Bêwar Emin Tahir
Durch eine Kundgebung vor der irakischen Botschaft in Berlin haben Aktivist:innen gestern auf die aktuelle Situation im Geflüchteten Camp Mexmûr aufmerksam gemacht. Das Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V. (Cênî) hatte unter dem Motto „Solidarität statt Wegsehen“ zu dem Protest aufgerufen. Das Mexmûr Camp unterliegt seit Jahren einem Embargo durch die Regierung der Kurdistan-Region des Irak (KRI) und seit dem 10. April dieses Jahres auch durch die irakische Regierung. Die Repression gegen das Camp wird als politische Willkür wahrgenommen, die sich gegen die dort etablierte Selbstverwaltung richtet, in der Frauen eine initiative Rolle übernehmen.
Im Geflüchteten Camp Mexmûr leben seit über 30 Jahren rund 12.000 Kurd:innen. Viele von ihnen flohen in den 1990ern vor der Gewalt der türkischen Armee, als diese hunderte kurdische Dörfer systematisch zerstörte. Die Menschen im Lager fingen an, ihr alltägliches Leben gemeinsam zu organisieren, wodurch nach und nach eine umfassende Selbstverwaltung aufgebaut wurde. Die Protestierenden sehen darin den Grund für die Blockade und weitere Repressionen: „Was einst als Schutzraum entstand, hat sich zu einem Ort radikaler Selbstorganisation entwickelt – mit basisdemokratischen Strukturen, Frauenräten und einem eigenen Bildungssystem. Doch genau dieser emanzipatorische Anspruch macht das Camp seit Jahren zur Zielscheibe systematischer Repression – sowohl durch die Türkei als auch durch den Irak und die kurdische Regionalregierung.“
Mexmûr wurde in den vergangenen Monaten und Jahren zunehmend abgeriegelt. Die Beschränkung der zugelassenen Versorgungsgüter wird mehr und mehr ausgeweitet, sodass momentan nicht einmal eine Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten gesichert ist. Darüber hinaus ist auch die Bewegungsfreiheit der Lagerbevölkerung kaum noch gegeben, da einerseits Ausweispapiere nicht verlängert und für Neugeborene nicht ausgestellt werden und andererseits bestimmt Wege, wie in die nächst größere kurdische Stadt Hewlêr (Erbil), blockiert werden. Weder Studium, noch Arbeit oder sozialen Kontakten können die Menschen aus Mexmûr auf diese Weise nachkommen.

Um mögliche Lösungen für die Situation zu finden, war eine Delegation des Camps auf Einladung des irakischen Justizministers nach Bagdad gefahren. Auf ihrem Rückweg am 14. Mai wurden drei ihrer Mitglieder festgenommen. In diesem Zusammenhang verweist Cênî auch auf die Bedeutung der aktuellen Phase: „Besonders problematisch ist dabei auch der Zeitpunkt dieser Maßnahmen. Die Verhaftungen der Camp-Delegation und die erneute Verschärfung des Embargos durch die irakische Regierung fallen in eine Phase, in der in der Türkei, im Irak, in Syrien und in Südkurdistan vermehrt Gespräche und politische Prozesse angestoßen werden, die eine Lösung der kurdischen Frage zum Ziel haben.
Dass ausgerechnet jetzt Repression, Isolation und Kriminalisierung gegen die kurdische Selbstverwaltung in Mexmûr intensiviert werden, ist ein deutliches Warnsignal. Statt einen konstruktiven Beitrag zu einer friedlichen und demokratischen Lösung zu leisten, setzen die verantwortlichen Regierungen auf Eskalation und Einschüchterung. Die Bewohner:innen des Camps haben klar benannt, dass die aktuellen Maßnahmen sowohl rechtlich als auch politisch höchst bedenklich sind: Während Hoffnung auf Dialog wächst, wird kurdischer Selbstorganisation gleichzeitig die Existenzgrundlage entzogen.“
Hierunter litten insbesondere die Frauen als treibende Kräfte der Gesellschaft, sagen die Aktivist:innen: „Die politische Selbstorganisierung der Frauen soll durch Isolation und Repressionen geschwächt werden. Was hier angegriffen wird, ist nicht nur das tägliche Überleben, sondern eine feministische Alternative zur patriarchalen Ordnung.“
Abschließend brachten die Protestierenden ihre Forderungen zum Ausdruck:
„Mexmûr ist offiziell als Geflüchteten Camp anerkannt – auch von der UN. Doch seit den Angriffen des sogenannten Islamischen Staates im Jahr 2014 hat sich das UNHCR aus dem Camp zurückgezogen – und bis heute fehlt jede internationale Reaktion.
Wir rufen alle demokratischen Kräfte, Menschenrechtsorganisationen und Bewegungen zur sofortigen Solidarität auf!
Unsere Forderungen sind klar:
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Aufhebung des Embargos durch Irak und Kurdische Regionalregierung!
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Freilassung von Ahmed Şehbaz, Edban Yılmaz und Bêwar Emin Tahir!
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Internationales Handeln und Anerkennung von Camp Mexmûr als sich selbstverwaltendes politisches Subjekt!
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Stopp aller deutschen Waffenexporte an das Erdoğan-Regime!
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Keine Unterstützung für die Kriminalisierung kurdischer Selbstverwaltung!
Hebt das Embargo auf! Solidarität mit Mexmûr – Solidarität mit allen Geflüchteten weltweit!“