Unzählige Friedhöfe und Gräber zerstört

Nach zehn Jahren des Zutritt-Verbots sind einige Friedhöfe in Nordkurdistan anlässlich des islamischen Opferfests für Besuche geöffnet worden. Die Familie haben dort Zerstörung und geplünderte, teils sogar exhumierte Gräber vorgefunden.

„Sie müssen zuerst Frieden mit den Toten schliessen“

Nach dem Aufruf von Abdullah Öcalan am 27. Februar wurden die öffentlichen Bemühungen für den Frieden in der Türkei und Kurdistan ohne Unterbrechung fortgesetzt. Während die Erwartungen hinsichtlich der notwendigen Schritte, die der Staat unternehmen muss, wachsen, betonen die Menschen, Frieden könne nicht einseitig sein und nur durch konkrete Maßnahmen erreicht werden.

Unzählige Familien haben in diesem Krieg einen hohen Preis gezahlt und Angehörige verloren. Insbesondere kurdischen Familien sind die Leichname ihrer toten Familienmitglieder oft nicht überstellt worden oder sie suchen nach wie vor nach ihren vermissten Verwandten. Einige Ruhestätten, die während der Jahre des Konflikts für die Zivilbevölkerung gesperrt waren, wurden endlich wieder geöffnet. Bei den traditionellen Friedhofsbesuchen während der Feiertage zum islamischen Opferfest (auch Eid al-Adha) betonten die Familien, dass Frieden über bloße Worte hinausgehen müsse.

Nach einem Jahrzehnt, in dem sie die Grabstätten nicht besuchen konnten, wurden viele Familien nun mit weitreichender Zerstörung und Verwüstung konfrontiert. Die systematischen Angriffe auf Friedhöfe, die in Kurdistan zu Kriegsverbrechen geworden sind, dauern seit 2016 fast ununterbrochen an.

 

Diese Angriffe zeigten ein unfassbares Ausmaß bei der Zerstörung des Garzan-Friedhofs in Bedlîs (tr. Bitlis) 2017 und richteten sich später gegen Friedhöfe in Amed (Diyarbakır), Bagok, Dersim (Tunceli), Gimgim (Varto) und Pîran (Dicle). Während der Konfliktphasen wurden viele Friedhöfe, auf denen die Leichen der Guerillakämpfer:innen der Volksverteidigungskräfte (HPG) und der Verbände freier Frauen (YJA Star) begraben waren, bombardiert und die Toten teils exhumiert. Grabsteine außerhalb der Guerillagebiete wurden vielfach zerschlagen und schwarz bemalt.

„Sie müssen zuerst Frieden mit den Toten schließen“

Als Reaktion auf die anhaltende Zerstörung und Plünderung machten die betroffenen Familien deutlich: „Sie müssen zuerst Frieden mit den Toten schließen.“

Mehmet Emin Kılıç ist in Amed der Ko-Vorsitzende des Solidaritätsvereins MEBYA-DER, der sich um Menschen kümmert, die Angehörige im kurdischen Befreiungskampf verloren haben. Er betonte, dass Frieden eine große Notwendigkeit für die gesamte Gesellschaft sei und benannte die Angriffe auf Friedhöfe als unmenschlich. Außerdem forderte Kılıç, dass alle gesperrten Friedhöfe wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Kriegsverbrechen werden begangen

Kılıç bezeichnete die laufenden Aktionen als Kriegsverbrechen und führte aus: „Der Staat hat insbesondere in den letzten zehn Jahren gezielte Angriffe auf Friedhöfe entwickelt. An vielen Orten steht kein einziger Stein mehr, sie exhumieren sogar die Leichen aus den Gräbern.“ MEBYA-DER habe diese Unmoral und Rechtswidrigkeit schon oft angesprochen und die Öffentlichkeit wiederholt auf dieses Problem aufmerksam gemacht, so Kılıç. Gleichzeitig betonte er, dass die Wunden der Vergangenheit durch Schritte, die im aktuellen Prozess unternommen werden, geheilt werden können. Der Frieden müsse auf den Friedhöfen beginnen.

Familien konnten nach zehn Jahren die Gräber sehen

Nachdem während der Feiertage der Zugang zu einigen der zuvor gesperrten Friedhöfe wieder geöffnet worden war, beschrieb Kılıç die Situation wie folgt: „Nach zehn Jahren konnten die Menschen endlich ihre Friedhöfe sehen und ihre Sehnsucht stillen. Aber sie konnten nur zerbrochene Steine und verstreute Erde berühren. Es gibt immer noch viele Friedhöfe, die unzugänglich und verboten sind.“ Er fuhr fort: „Die Schritte, die der Staat in diesem Prozess unternommen hat, sind so langsam, dass die Familien erst jetzt ihre Friedhöfe sehen können. Das ist kein Schritt in Richtung Frieden. Der Staat muss im Sinne dieses Prozesses handeln und entsprechende Maßnahmen entwickeln.“

Trotz Zerstörung und Leid gibt es den Ruf nach Frieden

Mehmet Emin Kılıç betonte, dass angesichts dieser tiefen Feindseligkeit nun Maßnahmen zur Wiederherstellung und Heilung ergriffen werden müssen. „Unser Aufruf an dieser Stelle ist klar: Trotz aller Plünderungen und Zerstörungen rufen die Familien immer noch nach Frieden.“