IHD-Bericht 2024: Über 7.400 Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan

Der IHD-Verband für Amed hat einen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen in Nordkurdistan im Jahr 2024 veröffentlicht. Demnach wurden über 7.404 Verstöße dokumentiert, darunter die Verletzung des Rechts auf Leben von 117 Zivilpersonen.

Verletzung des Rechts auf Leben von 117 Zivilpersonen

Der Ortsverband des Menschenrechtsvereins IHD in Amed (tr. Diyarbakır) hat seinen Jahresbericht zu Menschenrechtsverletzungen in Nordkurdistan vorgestellt. Demnach wurden im Jahr 2024 mindestens 7.431 Verstöße gegen grundlegende Rechte registriert, darunter die Tötung von mindestens 117 Zivilpersonen.

Bei der Pressekonferenz in der IHD-Geschäftsstelle in Amed präsentierte der Vorsitzende der Sektion, Ercan Yılmaz, die Ergebnisse des Berichts, der unter dem Titel „Menschenrechtsverletzungen in der Region Ost- und Südostanatolien 2024“ veröffentlicht wurde. Yılmaz betonte, dass die ungelöste kurdische Frage weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zur Folge habe. Seit Gründung der Republik seien dem kurdischen Volk elementare Rechte wie die Anerkennung ihrer Identität oder das Recht auf muttersprachliche Bildung verwehrt worden.

Ein Jahr der systematischen Repression

Die stellvertretende IHD-Vorsitzende Rümeysa Deniz Kaya wies in ihrer Bewertung auf die systematische und zunehmende Fortsetzung der Menschenrechtsverletzungen im vergangenen Jahr hin. Laut Kaya haben sich gewaltsame politische Praktiken, geschlechtsspezifische Gewalt, rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung weiter verschärft.

Der Vorstand der IHD-Sektion Amed

Die Bilanz des IHD für 2024 ist alarmierend:

Freiheitsrechte: Mindestens 2.014 Personen, darunter 108 Kinder, wurden festgenommen. Mindestens 308 Personen – darunter acht Kinder – wurden inhaftiert, und mindestens zwölf Menschen unter Hausarrest gestellt. Zudem wurden mindestens 972 Häuser und Geschäftsräume von Sicherheitskräften durchsucht.

Meinungs- und Pressefreiheit: Gegen 1.060 Personen wurden Ermittlungen eingeleitet, und 108 Menschen wurden vor Gericht gestellt. In 23 Fällen, an denen Politiker:innen und Journalist:innen beteiligt waren, wurden 94 Personen zu Freiheits- oder Geldstrafen verurteilt.

Ernste Missstände in Haftanstalten

Besonders gravierend sind die dokumentierten Verstöße in Gefängnissen:

▪ 109 Gefangene wurden gegen ihren Willen verlegt.

▪ 125 Gefangenen wurde ihr Recht auf medizinische Versorgung verletzt.

▪ Mindestens 22 Gefangene wurden in Einzelhaft oder unter Isolation gestellt.

▪ Bei mindestens 32 Gefangenen wurde die Strafaussetzung trotz bestehender rechtlicher Voraussetzungen willkürlich verweigert.

Verstöße gegen das Recht auf Leben

Der Bericht dokumentiert, dass mindestens 117 Zivilpersonen, 31 Sicherheitskräfte und 116 bewaffnete Kämpfer:innen im Jahr 2024 ums Leben kamen. Dabei sind viele Todesfälle auf exzessive Polizeigewalt, außergerichtliche Tötungen oder mangelnde Sicherheitsvorkehrungen bei Arbeitsunfällen zurückzuführen.

▪ Bei willkürlicher Gewalt durch Sicherheitskräfte starben drei Menschen, vier weitere wurden verletzt.

▪ 19 Menschen starben aufgrund behördlicher Fahrlässigkeit.

▪ 74 Menschen, darunter 50 Frauen und 14 Kinder, starben unter verdächtigen Umständen

Schwerwiegende Gewalt gegen Frauen und Kinder

Die Verletzungen der Rechte von Frauen und Kindern nehmen erschreckende Ausmaße an:

▪ Mindestens 118 Frauen kamen durch Gewalt innerhalb der Familie, bei Übergriffen in der Öffentlichkeit oder unter ungeklärten Umständen ums Leben.

▪ Mindestens 36 Kinder wurden Opfer sexualisierter Gewalt.

▪ 19 Kinder starben infolge von familiärer oder gesellschaftlicher Gewalt.

Folter und Misshandlung

Der IHD dokumentierte, dass mindestens 174 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, Opfer von Folter und Misshandlung durch Sicherheitskräfte wurden, sowohl während der Inhaftierung als auch auf offener Straße oder bei Hausdurchsuchungen.

Beschneidung demokratischer Rechte

▪ Mindestens 68 öffentliche Versammlungen und Proteste wurden von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst.

▪ 94 Demonstrationen wurden durch Gouverneure verboten.

▪ Zahlreiche Bücher, Zeitungen und kulturelle Publikationen wurden beschlagnahmt oder verboten, darunter mindestens 560 Publikationen.

Einschränkungen im Bereich Bildung und Arbeit

▪ Mindestens 35 Arbeiter:innen starben bei Arbeitsunfällen, 32 weitere wurden verletzt.

▪ An Universitäten wurde mindestens ein:e Student:in disziplinarisch sanktioniert.

Erzwungene staatliche Eingriffe in die Kommunalverwaltung

▪ In sieben kurdische Kommunen wurden Zwangsverwalter eingesetzt.

▪ Gegen mehrere Bürgermeister:innen wurden Ermittlungen und Ausreisesperren verhängt.

Ökologische Zerstörung

Fünf dokumentierte Waldbrände und massive Baumfällungen richteten ökologische Schäden an.

Forderung nach Dialog und politischer Lösung

Rümeysa Deniz Kaya hob die Dringlichkeit hervor, eine neue Phase des Dialogs einzuleiten, insbesondere im Hinblick auf den von Abdullah Öcalan initiierten „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“. Sie forderte die türkische Regierung auf, eine konkrete Roadmap für einen nachhaltigen und ehrenvollen Frieden zu entwickeln. Dazu sei der Aufbau eines Dialogmechanismus zwischen den Konfliktparteien unerlässlich.

„Wir rufen alle gesellschaftlichen Kräfte auf, sich für eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage einzusetzen und die begonnene Verhandlungsatmosphäre zu stärken“, erklärte sie abschließend.

Titelfoto: Polizeigewalt bei Protest gegen die Einsetzung eines Zwangsverwalters in Êlih (Batman) im November 2024