Gewalt und Festnahmen bei Protesten gegen Zwangsverwaltung

Bei Protesten gegen die Einsetzung von Zwangsverwaltern in drei DEM-regierten Rathäusern ist es zu Gewalt und Festnahmen gekommen. Allein in Êlih sind über 60 Menschen in Gewahrsam.

Vom Volk gewählt, vom Autokraten abgesetzt

Bei Protesten gegen die Einsetzung von Zwangsverwaltern in drei DEM-regierten Rathäusern ist es am Montagabend zu Gewalt und Festnahmen gekommen. In der Stadt Êlih (tr. Batman) setzte die türkische Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse gegen Demonstrierende ein, die vor der okkupierten Stadtverwaltung Parolen gegen Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP skandierten. Einige Personen erlitten leichte Verletzungen, hieß es. Unter den Protestierenden waren auch die abgesetzte Bürgermeisterin Gülistan Sönük und der Ko-Vorsitzende der DBP, Keskin Bayındır. Mindestens 60 Menschen wurden wegen der Teilnahme an einer „illegalen Demonstration“ festgenommen. Bei einigen Betroffenen handelt es sich um Stadtverordnete der DEM-Partei.

Êlih 

Auch in Mêrdîn (Mardin) wurde gegen die neuerliche Zwangsverwaltung protestiert. An einer ersten Kundgebung vor dem Rathaus prangerte Rechtsanwalt Rojhat Karaboğa im Namen der Menschenrechtskommission der örtlichen Anwaltskammer den „Putsch gegen das Wahlrecht“ an und forderte die türkische Regierung zur Rücknahme der Entscheidung auf. „Das Regime der Zwangsverwalter ist verfassungswidrig. Wir bekräftigen, dass wir die Herausforderungen angehen werden, dieses System abzuschaffen“, sagte Karaboğa. Mücahit Cevheroğlu von der lokalen Sektion der Plattform für Arbeit und Demokratie betonte, dass die abgesetzten Bürgermeister:innen der „politische Wille des kurdischen Volkes“ seien. „Wir werden nicht zulassen, dass der Staat das Treuhänderregime erneut gegen die kommunale kurdische Politik als Waffe einsetzt, und Widerstand leisten. Die Rathäuser gehören uns.“

CHP-Chef in Mêrdîn

Nach den Ansprachen startete eine „Gerechtigkeitswache“ vor dem Rathaus, die weiter andauert. Außerdem fand eine zweite Kundgebung statt, an der sich neben dem abgesetzten Bürgermeister von Mêrdîn, Ahmet Türk, auch der CHP-Chef Özgür Özel beteiligte. Özel interpretierte die Entlassungen von Bürgermeister:innen als Rachefeldzug für das Desaster der AKP/MHP-Allianz bei der Kommunalwahl Ende März. Der Vorwurf der Terrorunterstützung sowie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation – gemeint ist die PKK – sei nur ein Vorwand der Regierung, sich die Errungenschaften der kurdischen Wähler:innen anzueignen. „Die Ernennung von Treuhändern ist eine Missachtung des Willens der Bevölkerung. Es ist der altbekannte Pfad von Tayyip Erdoğan, Gewählte, die ihm missfallen, durch seine Beamten auszutauschen. Dagegen werden wir kämpfen.“ Vor wenigen Tagen erst war in Istanbul ein kurdischstämmiger Bezirksbürgermeister der CHP wegen Terrorvorwürfen abgesetzt und verhaftet worden.

Kundgebung in Amed

Weitere Demonstrationen fanden unter anderem in Amed (Diyarbakır), Mersin, Istanbul sowie in Xelfetî, wo der Bürgermeister Mehmet Karayılan abgesetzt wurde, statt. Im kurdischen Wan griff die Polizei einen Sitzstreik an, es kam zu Festnahmen. Wie viele Menschen abgeführt wurden und ob es Verletzte gegeben hat, war am Abend aber noch unklar. Für die kommenden Tage wurden weitere Proteste angekündigt. Entsprechende Aufrufe kamen von verschiedenen politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter dem Gewerkschaftsbund KESK und der kurdischen Frauenbewegung TJA.