KCK: Erhebt euch gegen die Usurpation eures Willens!

Der Dachverband der kurdischen Bewegung ruft zum totalen Widerstand gegen die türkische Regierung auf. Es gehe darum, den eigenen Willen und den Wunsch nach Demokratie zu verteidigen.

Zwangsverwaltung in Kurdistan

Unter dem Deckmantel eines angeblichen Terrorverdachts sind die Bürgermeister:innen der kurdischen Städte Mêrdîn (tr. Mardin), Êlih (Batman) und Xelfetî (Halfeti) am Montag ihres Amtes enthoben und durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt worden. In vielen Städten wird seit dem Morgen gegen die neue Stufe im politischen Vernichtungsfeldzug gegen die kurdisch-demokratische Opposition protestiert. Widerstand sei ohnehin von „essentieller Wichtigkeit“, erklärte nun auch die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK). Im Windschatten der Farce eines vermeintlichen Friedensangebots an die kurdische Bewegung, die Ankara der Öffentlichkeit gerade vorspielt, habe das AKP/MHP-Regime zum wiederholten Mal den Volkswillen ausgehebelt, heißt es in der vom Ko-Vorsitz des KCK-Exekutivrats veröffentlichten Mitteilung.

„Die Einsetzung von Zwangsverwaltern in Rathäusern, die demokratisch gewonnen wurden, zeigt auf, dass der türkische Staat keine Lösung der kurdischen Frage anstrebt, sondern seine genozidale Mentalität und Politik in Kurdistan weiter verfestigen will.“ Das türkische Regime betreibe eine Politik, die Frieden, Geschwisterlichkeit und einen Lösungsprozess ausschließt. Es verfolge nur einen Plan; den der Vernichtung des kurdischen Volkes, so die KCK. „Niemand darf auf die Rhetorik der Koalition aus AKP und MHP hereinfallen – einem Bündnis, dessen Mentalität sich jenseits von Frieden, Demokratie, Lösungsabsichten und Respekt vor dem Willen der Bevölkerung bewegt und das vollkommen antidemokratisch, rassistisch, faschistisch, genozidär und usurpatorisch ist.“ Die aktuelle Debatte um eine Annäherung an die Kurd:innen sei eine geplante und programmierte Spezialkriegsmethode mit dem Ziel, die Gesellschaft zu täuschen und unterwerfen.

Damit spielt die KCK auf die „kurdische Karte“ an, die jüngst in der Türkei wieder ins Spiel gebracht wurde. Vor zwei Wochen erklärte Devlet Bahçeli, Chef der rechtsradikalen MHP im türkischen Parlament, der seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in nahezu völliger Isolation gehaltene PKK-Begründer Abdullah Öcalan solle vor der DEM-Fraktion dem Terror abschwören und erklären, dass die PKK aufgelöst wird, dann könne man ihn freilassen. Am vergangenen Mittwoch hatte Staatschef Recep Tayyip Erdoğan im Hinblick auf Bahçelis Äußerungen von einem „historischen Fenster der Gelegenheit“ gesprochen. Die PKK rief er auf, die „ausgestreckte Hand“ seines Bündnispartners MHP zu ergreifen.

Die Entlassungen der Bürgermeister:innen Ahmet Türk (Mêrdîn), Gülistan Sönük (Êlih) und Mehmet Karayılan (Xelfetî) jedoch, die am achten Jahrestag der Verhaftung der damaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sowie weiteren HDP-Mitgliedern stattfanden, lassen es laut der KCK außer Zweifel, dass es sich bei der vermeintlichen Annäherung tatsächlich um ein politisches Ablenkungsmanöver handelte und Friedensbemühungen auf Seiten des Regimes nicht existieren. „Deshalb rufen wir das kurdische Volk dazu auf, sich überall zu mobilisieren und seinen politischen Willen, seine Würde und seine Freiheit zu verteidigen.“ Der totale Widerstand müsse weitergehen, bis die Regierung die Praxis der Zwangsverwaltung aufgibt und alle usurpierten Rathäuser an die rechtmäßig Gewählten zurückgibt. Auch die türkische Öffentlichkeit und alle Demokratiekräfte im Land seien gefordert, den Kurdinnen und Kurden beizustehen. „Den Willen des kurdischen Volkes und seine Forderung nach einem demokratischen und freien Leben zu verteidigen bedeutet, die Demokratisierung der Türkei zu verteidigen. Jeder Schlag gegen den Willen des kurdischen Volkes ist ein Schlag gegen die Demokratisierung der Türkei.“

Foto: Protest gegen die Zwangsverwaltung heute in Xelfetî (c) MA