2021 bei Angriff auf Qendîl gefallen
Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben in einem Nachruf den Tod des Guerillakommandanten Delîl Temel bekanntgegeben, der im Sommer 2021 bei einem Angriff der türkischen Armee in der Qendîl-Region in Südkurdistan ums Leben kam. Temel, mit bürgerlichem Namen Hatip Arıtürk, hatte fast drei Jahrzehnte seines Lebens in den Reihen der Guerilla verbracht. Die HPG würdigten ihn mit den Worten: „Mit ideologischer Klarheit, organisatorischer Erfahrung, militärischem Können und einem bescheidenen Lebensstil verkörperte Delîl Temel die Prinzipien der apoistischen Bewegung.“ Den Angehörigen sowie der kurdischen Bevölkerung sprachen die HPG ihr Mitgefühl aus.
Zur Biografie von Delîl Temel machten die HPG folgende Angaben:
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Codename: Delîl Temel
Vor- und Nachname: Hatip Arıtürk
Geburtsort: Sêrt
Namen von Mutter und Vater: Hediye – Emin
Todestag und -ort: 30. August 2021 / Qendîl
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Geboren wurde Delîl Temel in der Kreisstadt Misirc (tr. Kurtalan) im Westen der nordkurdischen Provinz Sêrt (Siirt) – einer Region, die seit Jahrzehnten von struktureller Vernachlässigung, Militarisierung und kultureller Repression geprägt ist. Wie viele Jugendliche in Nordkurdistan wuchs auch Delîl Temel in einem Umfeld auf, das vom Ausnahmezustand, wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und politischer Überwachung bestimmt war. Die kurdische Sprache wurde unterdrückt, die kulturelle Identität negiert, die politische Repräsentation kriminalisiert.
„Die Zerstörung von Dörfern, willkürliche Festnahmen und das Verbot der Muttersprache gehörten zur alltäglichen Erfahrung“, erinnern die HPG in ihrem Nachruf. Schon als Kind sei Delîl Temel mit dieser Realität konfrontiert worden und habe früh begonnen, sie zu hinterfragen. Nach einer kurzen Schulzeit brach er die Ausbildung ab, nicht aus Mangel an Ehrgeiz, sondern weil ihn die nationale Erziehungsdoktrin der türkischen Republik zutiefst entfremdete. Stattdessen arbeitete er, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen, und entwickelte ein starkes Bewusstsein für soziale Ungleichheit und Klassenverhältnisse. In dieser Zeit kam er erstmals in Kontakt mit der kurdischen Befreiungsbewegung.
Die Entscheidung, sich der Guerilla anzuschließen, traf Delîl Temel Anfang der 1990er-Jahre, in einer Phase eskalierender Gewalt: „Die Suche nach einem würdevollen Leben und die Ablehnung der Assimilationspolitik führten ihn zu den Bergen“, heißt es im Nachruf. 1992 schloss er sich den Volksverteidigungskräften an. Zunächst war er in Botan, später wechselte er in die Medya-Verteidigungsgebiete und ging ins Zagros-Gebirge. Hier erhielt er auch seine Grundausbildung.
In den folgenden Jahren war Delîl Temel laut HPG nicht nur an den Kriegsfronten im Einsatz, sondern übernahm auch Verantwortung in organisatorischen und ideologischen Aufgaben. Seine Weggefährt:innen beschreiben ihn als diszipliniert, bescheiden und zutiefst ideologisch engagiert. Auch nach einer schweren Verwundung in einem Gefecht habe er den Widerstand nicht aufgegeben. „Seine größte Stärke war nicht nur seine Standhaftigkeit im Krieg, sondern seine Fähigkeit zur Reflexion und politisch-theoretischen Vertiefung“, schreiben die HPG.
So nutzte Delîl Temel eine dreieinhalbjährige Haftstrafe, in die er im Zuge einer „besonderen Aufgabe“ geraten war, zur intensiven Weiterbildung und Chance zur ideologischen Vertiefung. In späteren Jahren widmete er sich verstärkt organisatorischen und bildungspolitischen Aufgaben und war maßgeblich an der Umsetzung der von Abdullah Öcalan formulierten Konzepte von „demokratischer Nation“ und „demokratischem Konföderalismus“ beteiligt. In einer seiner letzten Einschätzungen hatte Temel formuliert:
„Wir haben es bislang nicht vermocht, die Aufgabe und Verantwortung, die uns durch die Vision des demokratischen Konföderalismus und der demokratischen Nation gestellt wurde, vollständig zu erfüllen. Die Zerstörungen, die die kapitalistische Moderne in unseren Persönlichkeiten hinterlassen hat – Zerrissenheit, alte Verhaltensmuster und Gewohnheiten – führten dazu, dass wir Schwierigkeiten hatten, uns die Parteilinie voll zu eigen zu machen und ein wirklich aufbauendes Kaderverständnis zu entwickeln. Doch die Aufgabe des Systemaufbaus steht weiterhin vor uns. Es gibt keinen anderen Weg, sie muss erfüllt werden. Wenn wir eine freie Identität und eine freie Gesellschaft erreichen wollen, bleibt uns keine Alternative. Der Aufbau des Systems wird den gesellschaftlichen Sieg bringen.“
„Hevalê Delîl war ein schöner Mensch, ein wertvoller Gefährte und führender Kommandant, der sein gesamtes Dasein bei der Guerilla dem Streben nach Freiheit widmete. Wir werden sein Vermächtnis in Ehren halten und seinen Kampf fortführen“, erklärten die HPG abschließend.