In Kiel wird diese Woche wieder gegen Mitglieder der Gruppe „Tear Down Tönnies” verhandelt, die vor anderthalb Jahren im schleswig-holsteinischen Kellinghusen einen Schlachthof der Tönnies-Unternehmensgruppe besetzt haben. Das milliardenschwere Skandalunternehmen wirft ihnen vor, den Konzern wirtschaftlich geschädigt zu haben, und will Schadenersatzforderungen geltend machen. Die öffentliche Verhandlung am Kieler Landgericht findet am Donnerstag (22. April) statt und beginnt um 9.30 Uhr. Eine halbe Stunde früher wird es unter dem Motto „Kriminell ist das System Tönnies – nicht der Widerstand dagegen“ eine Kundgebung geben. Tear Down Tönnies ruft zur Teilnahme und solidarischen Prozessbeobachtung auf.
Missbrauch der Prozessordnung durch Tönnies?
„Wir werden die Kriminalisierungs- und Einschüchterungsversuche von Tönnies nicht hinnehmen. Wir sind nicht bereit diesem Unternehmen Geld zu zahlen. Tönnies ist verantworlich für extreme Ausbeutung von Arbeiter*innen, die Klimakrise und Gewalt gegen Tiere”, sagt Michaela Hund von Tear Down Tönnies. Das Skandalunternehmen hat veranlasst, dass das Verfahren gegen die Aktionsgruppe aufgesplittet wurde und es somit zahlreiche einzelne Verfahren gibt, neben Kiel unter anderem auch in Aachen, Ingolstadt, Braunschweig und Berlin. Die einzelnen Gerichte werden darüber zu entscheiden haben, ob dies einen Missbrauch der Prozessordnung durch Tönnies darstellt.
Erster Besetzer bereits verurteilt
Die ersten Prozesse laufen mittlerweile auch schon. Am Landgericht in Braunschweig ging es am 11. März um die Zuständigkeit der Landgerichte. Diese Entscheidung soll ebenfalls am Donnerstag mitgeteilt werden. Aber in einem Fall kam es auch schon zu einer Verurteilung: Der beklagte Aktivist wurde vom Landgericht Kiel zu einer Zahlung von 16.761 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Aktionsgruppe Berufung eingelegt. Inzwischen hat der Konzern die Klage gegen die Besetzung um eine Unterlassungsforderung ergänzt.
Tönnies will politischen Protest unterbinden
„In dem Prozess offenbarte Tönnies, dass es eben nicht um den Ausgleich eines Schadens, der angeblich durch die Blockade verursacht worden sei, geht. Vielmehr will Tönnies politischen Protest unterbinden und die Aktivist*innen abschrecken. Die mittlerweile von Tönnies eingereichte Unterlassungsforderung unterstreicht dies”, so Daniel Winter von Tear Down Tönnies. Dieser Prozess zeige auf, dass politische Aktionen kriminalisiert werden, während Konzerne wie Tönnies weiterhin ihre „ausbeuterische Praxis” fortsetzen können. Solche Unternehmen seien die Konsequenz einer „kapitalistischen Wirtschaftsweise”, in der die Lebensgrundlage vieler zerstört werde und die Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur als gegeben gelte. „Wir wollen und können das nicht länger hinnehmen und werden unseren Protest fortsetzen”, erklärt die Aktionsgruppe.
In Kellinghusen werden täglich bis zu 6.000 Schweine geschlachtet
Die Besetzung des Schlachthofs der R. Thomsen EU-Großschlachterei GmbH in Kellinghusen, die zur Tönnies-Unternehmensgruppe gehört, hatte am 21. Oktober 2019 stattgefunden. Etwa dreißig Aktivist*innen der Klimagerechtigkeits- und Tierbefreiungsbewegung beteiligten sich damals an der rund elf Stunden andauernden Besetzung und blockierten die Zufahrt zur Schlachtfabrik. Einige stürmten auf das Dach und entrollten dort ein Transparent. Weitere Beteiligte ketteten sich am Tor einer Laderampe an. In dem Betrieb werden täglich bis zu 6.000 Schweine geschlachtet. Tönnies gibt an, dass durch die Aktion ein Schaden von knapp 40.000 Euro entstanden sei. Seit Juli 2020 fordert der Konzern das Geld von einigen Aktivist*innen und versucht nun, diese Forderung gerichtlich durchzusetzen.
Ende der Ausbeutung, Ausstieg aus der Tierindustrie
„Unseren Widerstand zu brechen wird Tönnies und anderen Konzernen der Fleisch- und Tierindustrie nicht gelingen. Der Protest ging bereits weiter, so wurde letzten November die Schlachtfabrik in Kellinghusen erneut blockiert. Im Februar dieses Jahres blockierten Aktivist*innen der Gruppe ‚Tear Down Westfleisch’ eine Schlachtfabrik von Westfleisch in NRW und für Juli hat das überregionale Bündnis ‚Gemeinsam gegen die Tierindustrie’ eine Großaktion des zivilen Ungehorsams gegen PHW/Wiesenhof in Niedersachsen angekündigt. Doch auch zahlreiche Bürger*inneninitiativen und NGOs protestieren gegen die Tierindustrie. Wir werden dieses Verfahren nutzen, um Tönnies für ihre ausbeuterische Wirtschaftsweise anzuprangern. Wir fordern ein Ende der Ausbeutung! Wir fordern einen Ausstieg aus der Tierindustrie! Wir fordern eine längst überfällige Agrarwende hin zu einer solidarischen und ökologischen Landwirtschaft! Tönnies enteignen!“, so Marlene Schrei von Tear Down Tönnies. Die Kundgebung vor dem Kieler Gericht wird mit Abstand sowie Mund- und Nasenbedeckung durchgeführt.