Die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst im Herbst 2018 durch die Kommunen Kerpen und Düren war rechtswidrig. Eine entsprechende Entscheidung verkündete das Verwaltungsgericht Köln am Mittwoch, nachdem ein einstiger Baumhaus-Bewohner geklagt hatte. In dem Beschluss (23 K 7046/18) des Gerichts heißt es, die damals von der Laschet-Regierung als Begründung genannten Brandschutz-Bestimmungen seien nur vorgeschoben gewesen.
Vor drei Jahren hatte die NRW-Landesregierung die Stadt Kerpen und den Kreis Düren angewiesen, die Baumhäuser zu räumen, die Braunkohlegegner:innen über mehrere Jahre hinweg im „Hambi” errichtet hatten – für die Profitinteressen von RWE. Der Energiekonzern wollte damals im Hambacher Forst roden. Im September 2018 wurde die Räumung mit Unterstützung eines massiven Polizeiaufgebots aus ganz Deutschland durchgeführt.
Das Verwaltungsgericht Köln erklärte nun, das NRW-Bauministerium habe die Stadt Kerpen damals gegen deren Willen zu der Aktion angewiesen. Dabei habe die Maßnahme ausdrücklich auf baurechtliche Vorschriften gestützt werden sollen - und nicht etwa auf das Polizei- und Ordnungsrecht oder das Forstrecht. In der Begründung habe das Ministerium unter anderem ausgeführt, dass die Baumhäuser baurechtlich unzulässig seien, weil Bestimmungen des Brandschutzes verletzt würden.
Nach Ansicht des Gerichts hatte die Räumung aber verschiedene rechtliche Mängel. Vor allem sei der Weisung des Ministeriums erkennbar, dass es letztlich um die Entfernung der Braunkohlegegner:innen in dem Waldstück gegangen sei. Das aber sei nicht Zweck der angewandten baurechtlichen Regelungen zum Brandschutz. Auch mehrere Gutachten hatten zuvor nahegelegt, dass der offizielle Grund der Landesregierung von Armin Laschet (CDU) für den Polizeieinsatz nur vorgeschoben war.
EA Hambi: Nicht nur rechtswidrig, sondern politisch gewollt
„Diese Räumung war politisch so sehr gewollt, dass Rechtmäßigkeit und Sicherheit der Beteiligten vernachlässigt wurde”, kommentiert der Ermittlungsausschuss (EA) Hambacher Forst das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts. Der Hambacher Forst, der im Rheinischen Braunkohlerevier am Rande des von RWE betriebenen Tagebaus liegt, galt und gilt als Symbol der Auseinandersetzung zwischen Klimaschützer:innen und der Kohlebranche. In einem Statement erinnert der EA an die Folgen der Rämung des Waldgebiets. „Am 19. September 2018 stürzte der Journalist Steffen Meyn von einer Hängebrücke in Beechtown und verletzte sich dabei tödlich. Er wusste genau, dass Polizist:innen oft weniger brutal agieren, wenn Presse anwesend ist. Er schrieb einen Tag vor seinem Absturz selbst auf Twitter: ‚Nachdem die Presse in den letzten Tagen im Hambacher Forst oft in ihrer Arbeit eingeschränkt wurde, bin ich nun in 25m Höhe auf Beechtown, um die Räumungsarbeiten zu dokumentieren. Hier oben ist kein Absperrband.‘
Psychische Zermürbung der Aktivist:innen als gezielte Polizeitaktik
In nunmehr neun Jahren Besetzung gab es sonst keinen vergleichbaren Fall wie diesen. Als der Unfall geschah, hatte die Besetzung bereits tage- und vor allem nächtelang unter Dauerbeleuchtung und teils Beschallung gestanden. Kettensägengeräusche und der Ritt der Wallküren wurden von Polizeilautsprechern abgespielt und damit psychische Zermürbung der Aktivist:innen gezielt als Taktik eingesetzt. Teils wurde die nächtliche Beleuchtung durch Strobolicht ersetzt, was einer der häufigsten Trigger für epileptische Anfälle ist.
Die Polizei hatte schwerste Verletzungen von Aktivist:innen eingeplant, das belegt ein bereits 2019 über den Twitteraccount @hambibleibt veröffentlichtes Aktenschnipsel aus einem Besprechungsprotokoll vom 29. August 2018. Darin heißt es: ‚Die Rettungsdienste vor Ort müssten sich auf eine Lage mit erheblich Verletzten einstellen. Daher sei eine Unfallhilfestelle vor Ort zu organisieren mit größtmöglicher Verfügbarkeit. […] Aufgrund der bisher vertraulich geführten Gespräche sei eine solche Planung derzeit noch nicht möglich.‘
Nach der Räumung blieben viele Bewohner:innen des Waldes schwer traumatisiert zurück. Mindestens zwei Menschen sind verstorben, wo dieses Trauma Mitursache für den Tod war.“
Späte Genugtuung
Das heutige Gerichtsurteil sei eine späte Genugtuung, die man sich gern erspart hätte, heißt es weiter. „Es wäre uns lieber, wenn unsere Freund:innen noch leben und unsere Baumhäuser noch stehen würden.“ Rechtskräftig ist das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts noch nicht. Unmittelbare Folgen hat die Entscheidung ebenfalls nicht. Die Verfahrensbeteiligten können einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Über diesen würde das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden.