Im Hambacher Forst ist das diesjährige Newroz mit einem kreativen Programm aus Vorträgen, Workshops, einem Waldspaziergang und Live-Musik begangen worden. Um die Flammen des Newroz-Feuers, Symbol des Widerstands gegen Unterdrückung, Gewalt und Kolonialismus, wurde gesungen und getanzt. Begleitet wurden die Tänze von kämpferischen Parolen wie „Bijî Newroz“, „Es lebe der Widerstand von Gare und der Kampf in den Gefängnissen“.
Der Hambacher Forst zwischen Aachen und Köln, von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern liebevoll „Hambi“ genannt, ist bekannt als einer der einst größten und ältesten Wälder Westeuropas. Das Alter dieses Waldes wird auf bis zu 12.000 Jahre geschätzt, d.h. er entstand zu Ende der letzten Eiszeit. Er wurde Zeuge der Entwicklung menschlicher Zivilisationen und Kultur. Jahrtausende lang war er nicht wegzudenkender Bestandteil des Lebens zahlloser Lebewesen – gleichzeitig Lebensraum und die Einheit der vielfältigen Leben an sich.
Bis Anfang 2020 wurde der Hambi im Auftrag des Großkonzerns RWE aufgrund der unter ihm liegenden Braunkohle fast komplett abgeholzt und zerstört. Seit den 1970er Jahren rodete der Energieversorger den Wald zur Erweiterung seines Braunkohle-Tagebaus. Dass zehn Prozent des ursprünglichen Forstes erhalten geblieben sind, ist einer klimaaktivistischen Widerstandsbewegung zu verdanken. Jahrzehntelang kämpften Teile der Bevölkerung im Rheinland gegen die Zerstörung des Waldes und ihrer Dörfer, Äcker und Wiesen. 2012 folgte die Besetzung des Hambacher Forstes durch eine Gruppe von Umweltaktivist*innen und Antikapitalist*innen, die an den lokalen Widerstand anknüpfte und ihn stärkte. Im Januar 2020 wurde der Erhalt des Hambacher Forstes bei einem Spitzentreffen der Bundesregierung und der vier Kohleländern vereinbart. Die Verteidigung des Waldes dauert weiterhin an.
Waldbrände in Kurdistan: Aufstandsbekämpfung und Vertreibungspolitik
Ein kurdischer Aktivist zog beim Newroz-Workshop im Hambi Parallelen zur Waldvernichtung in Kurdistan. Der türkische Staat lässt die Wälder in den kurdischen Regionen jeden Sommer systematisch niederbrennen. Das ist Teil der seit der Staatsgründung 1923 in Kurdistan gültigen Aufstandsbekämpfung und Vertreibungspolitik. An Stelle der weggebrannten Waldflächen entstehen in der Regel neue Militärstützpunkte und Wachen, oder sie werden lediglich als militärisches Sperrgebiet deklariert, um eine Rückkehr der Vertriebenen gänzlich zu verhindern.
Bei einem Waldspaziergang hatten die Gäste die Möglichkeit, den Widerstand im Hambi besser kennenzulernen. Dabei wurde das ganze Ausmaß der ökologischen Zerstörung und das Versagen der Politik sichtbar.
Für das musikalische Programm sorgten die Künstler Serhad Med und Sîpan Xelat, die bei der kurdischen Kulturbewegung TEV-ÇAND organisiert sind. Newroz im Hambi war ein Tag geprägt von gemeinsamen Kämpfen, vom Geist des Schmieds Kawa, der den persischen Tyrannen Dehak besiegte und das erste Newroz-Feuer als Zeichen der Befreiung des kurdischen Volkes entzündete, und von tiefer Verbundenheit.
Gute Stimmung bei Feier in Hamburg
Ein weiteres Newroz-Fest fand am Sonntag in Hamburg statt. Kurdische Frauen hatten den Ort der Feier, die Sternschanze, mit ihren farbenfrohen Trachten und traditionellen Kleidern in ein buntes Mosaik verwandelt. Nach einer Schweigeminute im Gedenken an die Gefallenen der kurdischen Befreiungsbewegung sprach der Ko-Vorsitzende des DKTM, Selahattin Irmak, ein paar Worte an die Anwesenden. Dass Newroz trotz Verboten und faschistischer Repression voller Hingabe und mit Begeisterung gefeiert werde, bereite den Unterdrückern des türkischen Staates Magenschmerzen, sagte Irmak.
Der Aktivist Serhat Çetinkaya von der Hamburger Ortsgruppe des „Demokratischen Kräftebündnisses“ (DGB) bezeichnete Newroz als Fest der Rebellion. Der 21. März sei der Tag des Widerstands gegen Unterdrückung und Unrecht. Die Feier ging mit Widerstandsliedern auf türkischer und kurdischer Sprache weiter. Immer wieder wurde laut und kämpferisch „Newroz Pîroz Be“, „Bijî Newroz“ und „Bijî Berxwedana Gerîla“ gerufen.