„Nicht nur Wälder, auch unsere Zukunft wird verbrannt“
Sevil Doğan vom Umweltverein Munzur ruft zum organisierten Kampf gegen die Waldbrände in Dersim auf und warnt: „Nicht nur die Wälder, sondern auch unsere Zukunft wird verbrannt.“
Sevil Doğan vom Umweltverein Munzur ruft zum organisierten Kampf gegen die Waldbrände in Dersim auf und warnt: „Nicht nur die Wälder, sondern auch unsere Zukunft wird verbrannt.“
In der von Bergen geprägten nordkurdischen Widerstandsregion Dersim brennen die Wälder, gleichzeitig wird die Natur durch Staudammgroßprojekten zerstört. Der Umweltverein Munzur (MÇD) kämpft gegen die Zerstörung der einmaligen Natur der Region. Sevil Doğan ist Mitglied des Vorstands des Umweltvereins. Im Interview berichtet sie über die dramatische Lage der Natur in Dersim.
Was können Sie zu den Ursachen der Waldbrände sagen, die sich jeden Sommer in der Region Dersim ausbreiten?
Der Ausnahmezustand, die Dorfblockaden und Nahrungsmittelembargos, die Räumung ganzer Ortschaften, Zwangsmigration und alle möglichen Formen von Repression einschließlich das Abbrennen von Wäldern sind hier zu normalen Praktiken geworden. Die dadurch verursachte Zerstörung von Mensch und Natur hat zu gravierenden Ergebnissen geführt. Mit dem Abbruch des „Lösungsprozesses“ fingen die Ausnahmezustandspraktiken, die militärischen Sperrgebiete, die Nötigung von Dorfbewohner:innen, ihre Orte zu verlassen, wie auch die Waldbrände neu an. Die Angriffe auf Mensch und Natur begannen von Neuem. In dieser Situation leben wir heute.
Die Wälder in Dersim, Cûdî und Gabar werden als Teil dieser Aggression in Asche verwandelt. Es geht dabei zweifellos darum, Mensch und Natur noch weiter unter Druck zu setzen. Jeder Angriff auf Natur, Wälder und Lebensräume zielt auch darauf ab, die Region zu entvölkern. Diese Entvölkerungspolitik wird mit Weideverboten, Sperrgebieten, Staudammprojekten umgesetzt. Vor allem mit den Waldbränden sollen „Resultate“ erzielt werden. Durch die verbrannten Wälder werden alle Lebensgrundlagen der Menschen zusammen mit der Natur zerstört. Deshalb sind Angriffe auf die Natur, die Wälder und die Bevölkerung politisch. Jeder Kampf, der gegen diese Angriffe geführt wird, befindet sich unweigerlich in der Konfrontation mit dem Staat.
Warum wird nichts vom Staat zum Löschen der Brände unternommen und warum wird die Bevölkerung daran gehindert, die Feuer zu löschen?
Das steht in direktem Zusammenhang mit dem, was ich eben gesagt habe. Die Wälder niederzubrennen, die Natur in Asche zu verwandeln, führt dazu, dass die Menschen dauerhaft ihren Lebensgrundlage verlieren. Die Gründe, weiter am Leben in der Natur, am Dorf festzuhalten und die Verbundenheit mit dem Boden werden so eliminiert. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur wird durch die Isolation der Menschen von der Natur vollständig zerstört. Aus diesem Grund wird versucht, jegliche Bemühungen, Mensch und Natur am Leben zu erhalten, behindert. Unser Volk versucht durch Proteste, die Verbrennung von Wäldern zu verhindern. Wir beteiligen uns an diesen Bemühungen, am Kampf um den Schutz der Natur, der Menschen, des Waldes und der Lebensräume.
Von Sommer bis Herbst werden die Wälder verbrannt. Die Zahl der Brände soll zu Gewöhnung und Resignation führen. Die Brände werden zu einem untrennbaren Bestandteil der Natur und des Lebens gemacht und so normalisiert. Mit einem solchen Vorgehen werden die Menschen immer wieder an das Massaker von Dersim 1938 erinnert. Die Waldbrände stellen eine Aktualisierung der Massenmorde dar. Deshalb sind sich die Menschen in Dersim dessen bewusst, dass hier nicht nur der Wald, sondern das Leben und die Zukunft verbrannt werden. Aus diesem Grund kämpfen sie permanent gegen die Ausplünderung der Natur und die Waldbrände.
Wenn die Menschen nicht gekämpft hätten, dann wären mittlerweile noch viel mehr Wälder nur noch Asche. Die Natur wäre noch mehr ausgeplündert und ausgebeutet worden. Natürlich können wir darin keinen Trost finden. Die Angriffe auf Natur, Lebensräume und Wälder sind systematisch und organisiert. Jedes Projekt der Plünderung und Zerstörung, das nicht verhindert werden kann, das Abbrennen der Wälder, ist auf die Schwäche des Protests zurückzuführen. Angesichts dieser Schwäche gibt es die dringende Notwendigkeit, den Kampf zu stärken, sich zu organisieren und die Basis zu verbreitern. Zuletzt hat unsere Bevölkerung einen organisierten Reflex angesichts einer Provokation im Zentrum von Dersim gezeigt. Die Bevölkerung ist zu vollem Widerstand entschlossen. Der Widerstand gegen die zunehmende Zerstörung der Natur und der Menschen wird sich mit Sicherheit ausweiten.
Welche Auswirkungen haben die Brände auf die Fauna?
Das Ausmaß dieser Probleme ist recht schwer zu beschreiben. Die Brände zerstören Wälder und mit ihnen das Leben in ihnen. Was wir oft sehen können, sind die Flammen und Rauch, der aus den brennenden Wäldern aufsteigt. Die Zerstörung der Lebewesen des Waldes bleibt aber unsichtbar. Daher ist es unzureichend zu sagen, dass die Lebewesen, die im Wald leben, einschließlich derer, die vom Aussterben bedroht sind, nur von den Bränden bedroht sind, sie werden durch das Feuer ausgelöscht. Unser Kampf gegen die Zerstörung von Wäldern und der Natur durch die Brände, durch Ausplünderung und Profitstreben ist gleichzeitig auch ein Kampf für den Schutz der Tier- und Pflanzenwelt. Wir werden unsere Stimmen gegen die Massaker an Bergziegen und Wildtieren unter dem Vorwand der Jagd ebenso erheben, wie gegenüber dem „stillen“ Sterben durch die Feuer.
Haben sie noch etwas zu sagen?
Wir erwarten, dass unser Volk sensibler auf die angeblich nicht zu löschenden Waldbrände in den Sommermonaten reagiert. Wir werden den Kampf nicht aufgeben. Wir werden diesen Weg weitergehen. Als Umweltverein Munzur werden wir zusammen mit unserem Volk die Stimme gegen die Waldbrände erheben und unseren Kampf fortsetzen. Den Verantwortlichen können wir nur sagen, sie sollen einzig und allein ihre Pflicht erfüllen, die Wälder zu schützen.