Ein von der Staatsanwaltschaft Wien gegen 165 Aktive der Klimagerechtigkeitsbewegung angestrengtes Verfahren wegen des Verdachts der schweren gemeinschaftlichen Gewalt sowie weiterer Vorwürfe im Zuge der Proteste gegen die Europäische Gaskonferenz 2023 ist eingestellt worden. Die Einstellung sei vergangenen Freitag aus Beweisgründen erfolgt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien am Montag der Nachrichtenagentur APA. Das polizeiliche Vorgehen am ersten Tag der Konferenz hatte für breite Diskussionen gesorgt.
Am 27. März 2023 hatten mehr als hundert Klimaaktivist:innen in der Wiener Innenstadt protestiert und die Anreise zum Tagungshotel Marriott blockiert, wo sich Energielobbyist:innen und Finanzinvestor:innen unter Ausschluss der Öffentlichkeit über neue fossile Gasprojekte verständigten. Der Protest war Teil von Aktionstagen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „BlockGas“ gegen den Ausbau der Infrastruktur für fossiles Gas. Die Gruppen und Organisationen, die sich unter dem Dach von BlockGas zusammengefunden hatten, forderten ein gerechtes, nachhaltiges und öffentliches Energiesystem und wandten sich gegen die aus ihrer Sicht intransparente und undemokratische Europäische Gaskonferenz.
Pfefferspray, Schlagstöcke und scharfe Hunde
Die Exekutive reagierte auf die Protestaktion mit Gewalt. Neben einem großflächigen Einsatz von Pfefferspray kamen auch Schlagstöcke und scharfe Hunde zum Einsatz. Die Landespolizeidirektion gab danach bekannt, dass 143 Personen wegen schwerer gemeinschaftlicher Gewalt, Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung angezeigt worden seien. Die Demonstrierenden hätten „von Beginn an ein gewaltbereites Vorgehen gegen die Einsatzkräfte der Polizei“ gezeigt, hieß es von der Polizei. Dadurch seien zwei Beamte verletzt worden. Bei einigen Festgenommenen seien auch pyrotechnische Gegenstände sichergestellt worden.
Anwalt: Keine Menschen gefährdet
„Das waren aber keine Böller, sondern bloß Rauchfackeln, mit denen manchmal bei Demonstrationen oder Besetzungen versucht wird, mehr Aufmerksamkeit zu erregen, also nichts, womit man Menschen gefährden würde“, zitierte APA den Rechtsanwalt Clemens Lahner. Es seien zudem 150 Menschen eingekesselt und dann einzeln durchsucht worden. „Da wurde kein einziger gefährlicher Gegenstand gefunden. Die Pyrotechnik wurde ja an einem anderen Ort gefunden, außerhalb des Kessels“, sagte Lahner mit Verweis auf die Ermittlungen. „Das ist also auch kein Argument dafür, die Menschen im Kessel großflächig zu pfeffern.“
Laufendes Verfahren wegen Pfefferspray-Einsatz
Der Jurist zeigte sich erfreut über die Verfahrenseinstellung. „Die Polizei hat schwerste Vorwürfe gegen die Menschen erhoben, die an den Protesten gegen die Europäische Gaskonferenz beteiligt waren. Diese Vorwürfe haben sich als haltlos erwiesen.“ Lahner verwies in diesem Zusammenhang auch auf ein laufendes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien wegen des Pfefferspray-Einsatzes der Polizei. „Die Polizei versucht diesen Pfefferspray-Exzess bisher mit dem Argument zu rechtfertigen, dass von den Demonstrantinnen und Demonstranten gefährliche Angriffe ausgegangen sind. Die Staatsanwaltschaft Wien sieht das aber offenbar anders.“
Polizei verteidigte Gewalt gegen Aktivist:innen
Der Einsatz der Polizei hatte unter anderem für Kritik von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gesorgt. Die Polizei habe Demonstrierende eingekesselt, sei „sehr aggressiv“ vorgegangen und habe „unverhältnismäßig Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt“, hieß es. Grüne und die liberale NEOS brachten daraufhin parlamentarische Anfragen ein. Das Innenministerium verteidigte die Polizeistrategie dagegen und wies die Kritik zurück. Allein während des ersten Tages des dreitägigen Lobbying-Treffens von 27. bis 29. März standen laut Ministerium 1.326 Beamtinnen und Beamte aus Wien und sechs weiteren Bundesländern im Einsatz.
BlockGas: Unterdrückung von Klimaprotesten
BlockGas sprach dagegen von einer „Unterdrückung“ der Klimaproteste. „Angesichts der Klimakrise sind Proteste wie die unseren wichtiger denn je. Statt sie zu schützen, sucht der Staat nach neuen Wegen, um Klimaproteste zu unterdrücken. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen uns sind nicht nur ohne jede reale Grundlage, sie könnten in Zukunft Protest unterdrücken, wenn Menschen wegen der einfachen Teilnahme an einer Demonstration strafrechtliche Verfolgung befürchten müssen. Diese zunehmende Kriminalisierung mit neuen Mitteln ist gefährlich – wir müssen sie sofort stoppen!”, hieß es.
Fotos (c) BlockGas