Vom 27. bis 29. März kommen auf Einladung des österreichischen Energieriesen OMV hochrangige Vertreter:innen der größten Gaskonzerne sowie Finanzinvestor:innen und Lobbyist:innen aus ganz Europa nach Wien, um bei der „European Gas Conference“ Deals für neue fossile Infrastruktur auszuhandeln und damit wichtige energie- und klimapolitische Weichenstellungen zu beraten. Mit „BlockGas” mobilisiert ein breites Bündnis von Basisgruppen, die in ganz Europa für soziale und Klimagerechtigkeit kämpfen, gegen diese Konferenz. Das Bündnis benennt den Kapitalismus als Ursache für die Klimakrise und weltweite Ungerechtigkeiten und ruft zur Teilnahme an vielfältigen Protesten auf. Neben Aktionen des zivilen Ungehorsams wird vom 24. bis 26. März die Gegenkonferenz „Power to the People” stattfinden und am 28. März eine Demonstration unter dem Motto „Stoppt die Gaslobby”, um gemeinsam für ein demokratisches und nachhaltiges Energieversorgungssystem auf die Straße zu gehen. Wir haben mit den BlockGas-Sprecherinnen Verena Gradinger und Frankie Becker gesprochen.
ANF: Ende März findet in Wien die European Gas Conference statt. Ihr geht dagegen auf die Straße. Warum?
Verena Gradinger: Auf der Europäischen Gaskonferenz kommen Gasunternehmen, Finanzkonzerne und Politiker zusammen, um hinter verschlossenen Türen über unsere Energierechnungen und die Zukunft unseres Planeten zu entscheiden. Sie treffen sich, um mitten in der Klimakrise Milliarden in den Ausbau von Erdgas und damit in fossile Energien zu stecken. Während Wälder brennen, Gletscher schmelzen und bereits Millionen Menschen durch die Folgen der Klimakrise ihre Heimat verlieren, will die fossile Lobby unsere Abhängigkeit von Gas um weitere Jahrzehnte verlängern.
Neben der Großdemonstration am 28. März kündigt BlockGas auch an, die Konferenz zu blockieren. Wie?
Frankie Becker: Mit zivilem Ungehorsam. Wir werden versuchen, die Zugänge zur Konferenz zu blockieren. Friedlich, aber entschlossen. Damit wollen wir die Öffentlichkeit schaffen, die die Lobbyist:innen der Gaskonzerne so gerne meiden. Wir sind der Meinung, dass nicht profitgetriebene Lobbyisten und Investoren im Hinterzimmer über die Zukunft unseres Energiesystems entscheiden sollten, sondern wir alle gemeinsam und demokratisch.
BlockGas kritisiert, dass auch Regime wie das in der Türkei vom Ausbau von Gasinfrastruktur profitieren. Was hat die Gasversorgung Europas mit der Türkei zu tun?
Verena Gradinger: Der immer weiter eskalierende Machtkampf zwischen dem westlichen und dem russischen Machtblock, der im Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine gipfelt und droht, in einen Weltkrieg zu eskalieren, hat den Gasfluss von Russland nach Europa gedrosselt. Das führt dazu, dass die Türkei von vielen EU-Staaten inzwischen als eines der Schlüsselländer für die zukünftige Gasversorgung Europas gesehen wird. Zwar fördert das Land selbst kein Erdgas, ist aber durch seine Lage als Drehkreuz wichtig. Vor allem für den Gastransport von Förderstätten in Aserbaidschan und künftig zunehmend auch Turkmenistan, das über die viertgrößten Erdgasreserven weltweit verfügt.
Um welche Pipelines geht es da konkret?
Frankie Becker: 2018 wurde in der Türkei die Transanatolische Pipeline (TANAP) in Betrieb genommen. Sie schließt an die Transadriatische Pipeline (TAP) an, die das Gas aus der Türkei weiter nach Italien leitet. Es ist klar: Der Ausbau der Gasinfrastruktur zerstört nicht nur immer weiter das Klima, sondern stärkt auch das türkische Regime, weil die Kontrolle über Energie im fossilen Kapitalismus letztlich Macht bedeutet. Dass das türkische Regime Ressourcen als Waffe einsetzt, kann man seit vielen Jahren anhand der Staudammprojekte an Euphrat und Tigris beobachten, mit denen das Regime Millionen Menschen in den kurdischen Gebieten, in Syrien und dem Irak zunehmend das Wasser abdreht. Mit dem Gasfluss über die Türkei nach Europa gibt man dem Regime ein weiteres Machtmittel in die Hand.
Bevor die Gaskonferenz und die Proteste starten, gibt es mit der „Power to the People“ Conference ja auch eine Art Gegengipfel. Was ist denn dort geplant?
Verena Gradinger: Wir wollen unsere Energieversorgung sowie die Entscheidungen darüber endlich in die Hände der Vielen holen. Damit alle Menschen ein Recht auf saubere Energie haben und um die Inflation langfristig zu bekämpfen, müssen wir die Macht der fossilen Unternehmen brechen. Nur so erreichen wir eine wirklich demokratische Wirtschaft, eine klimagerechte Welt und das Ende von Kriegen. Und all das ist möglich! Es gibt genügend Ideen, Konzepte und konkrete Projekte, die zeigen, wie eine andere Welt aussehen kann. Genau darüber wollen wir uns vom 24. bis 26. März bei der Konferenz austauschen. In drei Tagen erwartet euch ein Programm mit Workshops, Podiumsdiskussionen, Filmscreenings sowie internationalen Teilnehmer:innen und Referent:innen.
Gaskonferenz, Blockaden und was dann? Wie geht es denn nach März mit BlockGas weiter?
Frankie Becker: Für die Energiekonzerne ist die Europäische Union ein sehr wichtiger Standort. Es war nicht zuletzt die Europäische Kommission, die Anfang der 2000er die Privatisierung der Energiewirtschaft vorangetrieben hat. Die enorme Abhängigkeit Europas von Energieimporten aus anderen Ländern macht die EU derzeit zu einem unglaublich lukrativen Markt. Fossile Konzerne agieren größtenteils in ganz Europa und darüber hinaus. Das zeigt, dass es wichtig ist, dass auch wir uns über Ländergrenzen hinweg vernetzen und zusammenarbeiten. Die gemeinsamen Proteste gegen die Gaskonferenz, an denen sich mit Dont Gas Africa, Bombelki aus Polen oder Climaximo aus Portugal sowohl Organisationen aus dem globalen Süden als auch aus verschiedenen europäischen Ländern beteiligen, sind da ein guter Anfang. Diese Vernetzung und der gemeinsame Widerstand wird auch nach der Gaskonferenz weitergehen.
Informationen zur Europäischen Gaskonferenz und allen geplanten Gegenprotesten finden sich auf BlockGas.org und powertothepeople.at