YPJ-Sprecherin: Camp Hol ist eine Bedrohung für die Welt
Die YPJ-Sprecherin Ruksen Mihemed berichtet von der Gefahr, die vom Camp Hol ausgeht, und der massiven Unterstützung, welche die Türkei für eine Reorganisierung des IS leistet.
Die YPJ-Sprecherin Ruksen Mihemed berichtet von der Gefahr, die vom Camp Hol ausgeht, und der massiven Unterstützung, welche die Türkei für eine Reorganisierung des IS leistet.
Seit dem 25. August findet im Camp Hol eine Anti-IS-Operation unter Führung der Kräfte der inneren Sicherheit statt. Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) leisten dabei einen wichtigen Beitrag. Während der bisherigen Operation wurden Tunnelanlagen, Schulungseinrichtungen, Gefängnisse, Folterzentren, Mord- und Folterwerkzeuge, Waffen und Munition des IS sichergestellt. Viele mutmaßliche IS-Mitglieder wurden festgenommen. Bei einem Gefecht mit Islamisten am 7. September sind zwei Kämpfer der QSD gefallen.
Die YPJ führten Spezialoperationen zur Befreiung von Frauen durch und konnten zwei Ezidinnen und vier weitere Frauen aus der IS-Gefangenschaft retten. Die YPJ-Sprecherin Ruksen Mihemed sprach mit der Nachrichtenagentur Mezopotamya über die fortlaufende Operation. Mihemed wies darauf hin, dass es sich bei der Operation in Camp al-Hol um die zweite Phase handelt. Sie erinnerte an die Bedeutung des Kampfes von Jiyan Tolhildan, welche unter anderem die erste Phase der Operation im vergangenen Jahr kommandierte. Tolhildan, eine der Vorkämpferinnen gegen den IS, war am 22. Juli 2022 bei einem türkischen Drohnenanschlag ums Leben gekommen.
„Bedrohung von Region und Welt abwenden“
Ruksen Mihemed unterstreicht, wie dringend notwendig die zweite Phase der Operation ist: „Camp Hol ist eines der gefährlichsten Lager nicht nur für Nord- und Ostsyrien, sondern eine Bedrohung für die ganze Welt. In dem Lager befinden sich IS-Familien aus 56 Ländern, es gibt Morde und Selbstmorde. Der IS indoktriniert die Kinder im Camp und so wächst eine neue Generation IS-Söldner heran. Wenn keine Maßnahmen gegen die Reorganisierung des IS ergriffen werden, werden wir morgen vor großen Problemen stehen. Wie gesagt, das ist nicht nur eine Gefahr für uns, sondern für die gesamte Menschheit. Um dies zu verhindern, sahen wir es als notwendig an, die zweite Phase einzuleiten.“
„Solange es den IS gibt, werden wir ihn bekämpfen“
Mihemed erinnerte an den verheerenden Angriff des IS am 20. Januar 2022 auf das Sina-Gefängnis in Hesekê und hob hervor, dass es ihr Ziel sei, den IS zu vernichten: „Um zu verhindern, dass sich ähnliche Dinge wiederholen, haben die Kräfte der inneren Sicherheit, die QSD, YPG und YPJ diese Operation gestartet. Es ist eine Aufgabe von historischer Bedeutung. Solange es den IS gibt, werden wir gegen ihn kämpfen. In der Vergangenheit haben wir einen gewaltigen Kampf gegen den IS geführt und ihn als Territorialmacht zerschlagen. Dabei wurden wir auch von internationalen Mächten unterstützt. Aber im Moment sind wir die einzigen, die für das Lager verantwortlich sind. Die internationalen Mächte beobachten nur, was dort passiert. Niemand hat einen Schritt in Richtung Rückaufnahme der IS-Familien im Lager in ihre Herkunftsländer oder deren strafrechtliche Verfolgung unternommen. Das ist einer der Gründe, warum wir die Operation gestartet haben.“
„Die Türkei unterstützt den IS in jeder Hinsicht“
Zur Reorganisierung des IS sagt die YPJ-Sprecherin: „Der IS will sich für seine Niederlage rächen. Zu diesem Zweck versucht er, eine Situation der Instabilität in der Region zu schaffen. Dabei wird er durch die Angriffe der Türkei auf die Region unterstützt. Die Türkei bereitet den Boden für die Reorganisierung des IS und leistet große Unterstützung für die im Camp al-Hol organisierten IS-Zellen. Die Türkei unterstützt diese Söldner in jeder Hinsicht.“
„Die Menschheit verteidigen“
Mihemed weist auf die Führungsrolle der Frau in der Revolution hin und hebt die Errungenschaften in Rojava hervor. Diese Revolution sei nicht nur ein lokales Ereignis für alle Völker, daher sei es die Aufgabe der Verteidigungskräfte, „die Menschheit zu verteidigen“.
„Die Gefahr nimmt zu“
Zu den während der Operation entdeckten Strukturen berichtet die Kommandantin: „Der IS versteckt sowohl Waffen als auch die Leichen von Ermordeten in den Tunneln. In dem Lager wurden Orte identifiziert, die vom IS als Gerichtsstätten genutzt werden. Kinder werden im Lager für die Fortsetzung des IS-Terrors ausgebildet, die Orte, an denen dies geschieht, wurden identifiziert. Wir haben diese Aufgabe übernommen, um die Fortsetzung des IS-Terrors zu verhindern. Aber das ist nicht nur unsere Pflicht, sondern auch die Pflicht aller Mächte, die sagen, dass sie gegen IS seien. Wir erfüllen unsere Pflicht, die Menschheit zu verteidigen. Das reicht jedoch nicht aus, wir brauchen Unterstützung. Die IS-Familien müssen in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Solange diese Familien nicht zurückgenommen werden, muss eine Lösung gefunden werden, um sie daran zu hindern, sich zu organisieren. Die Gefahr wächst von Tag zu Tag, und das muss verhindert werden.“
„Wurzeln des IS austrocknen“
Die Sicherheit im Camp sei kaum zu gewährleisten und werde nur durch große Opferbereitschaft der Sicherheitskräfte einigermaßen aufrecht erhalten. Das Camp sei aber eine „Bombe vor der Explosion“. Mihemed berichtet, dass im Camp sichergestellte Sachen erneut die enge Beziehung zwischen dem türkischen Staat und dem IS belegen: „Die Beziehung zwischen der Türkei und IS ist offensichtlich. Die im Lager beschlagnahmten Waffen, Kleidungsstücke und Geld sind die konkretesten Beispiele dafür. Die Türkei tut für den Wiederaufbau des IS ihr Bestes. Wenn wir den IS vernichten wollen, müssen wir die Türkei für ihre Unterstützung zur Rechenschaft ziehen. Es ist nicht möglich, den IS zu vernichten, ohne seine Wurzeln auszutrocknen.“
„Rache für die ezidischen Frauen“
Insbesondere die Befreiung von vom IS gefangen gehaltenen ezidischen Frauen habe den YPJ große Moral gegeben: „Der größte Erfolg, den wir bei der Operation erzielt haben, war die Befreiung der Frauen. Als YPJ haben wir nach dem Angriff auf Şengal im Jahr 2014 den ezidischen Frauen ein Versprechen gegeben. Wir haben versprochen, sie zu verteidigen. Seit wir dieses Versprechen gegeben haben, haben wir Tausende von Frauen befreit. Dieses Versprechen gilt weiterhin. Wir werden die ezidischen Frauen rächen. Wir werden mit ihnen Rechenschaft für die Massaker und Traumata, die ihnen zugefügt wurden, verlangen. Solange eine ezidische Frau verschleppt ist, werden wir unseren Kampf fortsetzen. Der IS und die Türkei wollten die tief verwurzelte Geschichte des ezidischen Volkes auslöschen, aber wir haben das bisher nicht zugelassen und werden das auch weiterhin nicht tun. So wie wir Tausende von Frauen befreit haben, werden wir sie auch in Zukunft schützen. Die von uns befreiten ezidischen Frauen werden ein neues, freies Leben führen. Als YPJ ist es unsere Pflicht, die Frauen zu befreien.“
„Die Türkei muss vor Gericht“
Mihemed schloss mit den Worten: „Viele unserer Freund:innen sind, um die Menschheit zu verteidigen, im Kampf gegen den IS gefallen. Frauen, die gegen IS gekämpft haben, wurden von der Türkei nach dem Sieg über den IS ermordet. Alle unsere Freund:innen, die ihr Leben für diese Sache verloren haben, hatten ihr Versprechen gegeben und sind für die Erfüllung ihrer Aufgabe gefallen. Wir versprechen ihnen, dass wir uns für sie rächen werden. Wir werden den Weg, den sie gegangen sind, weitergehen. Wir werden bis zum letzten Tropfen unseres Blutes dafür kämpfen, den IS zu vernichten. Der IS hat zwar keine territoriale Herrschaft mehr, aber das bedeutet nicht, dass es vorbei ist. Er hat Zellen, die an einer Reorganisierung arbeiten. Die Türkei unterstützt offen den IS. Wenn die Türkei nicht zur Rechenschaft gezogen wird, wird der IS zu einer noch gefährlicheren Organisation als zuvor werden. Alle internationalen Mächte sollten den Weg dafür ebnen, dass die Türkei vor Gericht gestellt wird, um sie zu bestrafen.“