Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) kündigen die Fortsetzung der vor drei Wochen in Camp Hol eingeleiteten Sicherheitsoperation gegen islamistische Strukturen an. Die bisherigen Ergebnisse bei der Durchsuchung des Auffang- und Internierungslagers in der Nähe von Hesekê hätten gezeigt, dass weitere Maßnahmen gegen Zellen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) unbedingt erforderlich seien, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung der QSD:
„Die Operation ,Humanität und Sicherheit', die von den inneren Sicherheitskräften im Nordosten Syriens zur Bekämpfung der IS-Terrorzellen und zur Trockenlegung des extremistischen Umfelds im Lager al-Hol eingeleitet wurde, ist in den 22. Tag eingetreten und verläuft gemäß dem Plan und den Zielen, die von der Leitung der Operation im Voraus festgelegt wurden.“
Die Operation werde von Einheiten der QSD unterstützt, diese hätten „eine erste Bewertung der während der Operation erzielten Ergebnisse vorgenommen und festgestellt, dass es unbedingt notwendig ist, die Operation fortzusetzen, um die terroristischen Zellen und ihr Umfeld zu unterdrücken. Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, die Operation so lange zu unterstützen und zu ermöglichen, bis ihre Ziele erreicht sind“.
Ziel sei es, „IS-Zellen innerhalb und außerhalb des Lagers durch gemeinsame präzise Aufklärungsoperationen mit der internationalen Koalition gegen den IS“ aufzuspüren und handlungsunfähig zu machen. Gleichermaßen gehe es darum, „zu verhindern, dass sie straffrei ausgehen. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers waren Opfer von Gewalt und Sklaverei durch IS-Terrorzellen und IS-Frauen und benötigen daher dringend weitere Sicherheitsmaßnahmen durch unsere Kräfte sowie eine größere Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft“, so die QSD.
Sechs Frauen aus IS-Gefangenschaft befreit
Im Zuge der am 25. August von den nordostsyrischen Sicherheitskräften gestarteten Operation in Camp Hol sind bisher sechs Frauen aus IS-Gefangenschaft befreit worden, darunter zwei 2014 in Şengal vom IS verschleppte Ezidinnen. Beteiligt an dem Einsatz sind auch die Frauenverteidigungseinheiten YPJ. Vor einer Woche sind zwei QSD-Kämpfer ums Leben gekommen, als ein Fluchtversuch von fünf Islamisten in Frauenkleidung und zwei Frauen vereitelt wurde.
Camp Hol
Camp Hol liegt etwa 40 Kilometer östlich der Kantonshauptstadt Hesekê im irakisch-syrischen Grenzgebiet und ist so groß wie eine Stadt. Es wurde Anfang 1991 während des Zweiten Golfkriegs vom UNHCR für irakische Flüchtlinge errichtet. Nachdem es zwischenzeitlich geschlossen war, wurde das Camp im Zuge des Irakkrieges 2003 wiedereröffnet. Seit der Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) im März 2019 gilt Camp Hol als tickende Zeitbombe und Brutstätte des IS, da es hauptsächlich zur Unterbringung von Frauen und Kindern benutzt wird, die zuvor in Gebieten unter Kontrolle des IS lebten.
Der Terror in Camp Hol geht hauptsächlich von der sogenannten IS-Religionspolizei für Frauen und der IS-Jugendorganisation „Junglöwen des Kalifats“ aus und richtet sich gegen Menschen, die nicht nach den Maßstäben des IS leben. Bei den meisten Personen, die Mordversuche überlebten, handelt es sich um irakische Schutzsuchende und Abtrünnige des IS.
War Hol zu Beginn für 10.000 Personen ausgelegt, halten sich heute etwa 55.000 Menschen aus verschiedenen Ländern dort auf. Bei mehr als der Hälfte handelt es sich um Geflüchtete aus dem Irak, die meisten von ihnen sind Kinder. Knapp 19.000 Menschen sind Vertriebene aus Syrien, außerdem sind rund 8.000 Angehörige von IS-Dschihadisten untergebracht.
Die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft
In Nordsyrien sind bereits über zehntausend Menschen im Kampf gegen den IS ums Leben gekommen. Die Autonomieregion wird dabei von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen. Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) fordert seit langer Zeit eine internationale Planung für den Umgang mit den internierten Islamist:innen, die aus über fünfzig Ländern stammen. In Camp Hol wächst eine neue IS-Generation heran und der Antiterrorkampf wird durch die permanenten Angriffe der Türkei auf die Autonomieregion behindert. Die internationale Gemeinschaft verschließt jedoch weiterhin die Augen vor den Verbindungen zwischen dem IS und der Türkei. Für den IS ist die türkische Besatzungszone in Nordsyrien zu einem sicheren Zufluchtsort geworden.
US-General fordert internationale Lösung für Camp Hol
US-General Michael „Erik" Kurilla hat am Freitag Camp Hol besucht, um sich vor Ort über die Lage zu informieren. Im Anschluss bestätigte Kurilla, dass der IS im Lager neue Mitglieder rekrutiert und islamistische Indoktrinierung betreibt. Besonders dramatisch sei die Lage für Kinder, auch die humanitäre Situation sei katastrophal. Kurilla forderte einen regierungsübergreifenden Ansatz für eine Lösung und die Rückführung ausländischer Staatsangehöriger in ihre Herkunftsländer.
EGMR-Urteil zur Unterstützung von Rückführungen
Laut eines neuen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist nach internationalem Recht kein Staat verpflichtet, seine Bürgerinnen und Bürger aus dem Ausland zurückzuholen – außer wenn diese wegen außergewöhnlichen und lebensgefährdenden Umstände auf Hilfe angewiesen sind. Das könne vor allem bei Kindern von IS-Mitgliedern in Camp Hol der Fall sein. In dem aktuellen Verfahren verurteilte der EGMR Frankreich, weil die Regierung nicht auf Anträge von Angehörigen zur Rückführung reagiert habe. Der Staat müsse mindestens eine Antwort geben und nachvollziehbare Gründe liefern, warum die Rückkehr nicht unterstützt wird. Und es müsse ein Gericht oder ein unabhängiges Gremium geben, das das überprüft. Dieses Urteil gilt für alle europäischen Länder, also auch für Deutschland.