Die Generalkommandantur der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) hat ihre abschließende Bilanz zur versuchten Erstürmung des Sina-Gefängnisses vor anderthalb Wochen in Hesekê veröffentlicht. Der Bericht wurde am Montag von der YPJ-Kommandantin Newroz Ehmed, dem QSD-Kommandanten Mehmûd Berxwedan sowie Siyamend Welat von der Generalkommandantur der Asayîş im Rahmen einer Presseerklärung vorgestellt und enthält auch Daten zur umfangreichen Sicherheitsoperation, die im Zusammenhang mit dem IS-Angriff auf das Haftzentrum unter dem Namen „Hammer der Völker“ eingeleitet wurde.
Die Erklärung wurde von Newroz Ehmed verlesen:
„Am 20. Januar 2022, gegen 19 Uhr, verübten IS-Terroristen nach vorheriger Planung mit mehreren Selbstmordattentätern einen Anschlag auf das Sina-Gefängnis in Hesekê, in dem zu diesem Zeitpunkt tausende Mitglieder der Terrororganisation ‚Islamischer Staat‘ untergebracht waren. Zu Beginn zündeten die Terroristen eine Autobombe am Haupttor des Haftzentrums und griffen es von drei Seiten an, um die Kontrolle über den gesamten Gebäudekomplex zu erlangen und unsere Kräfte, die zur Verhinderung der Erstürmung eingriffen, ins Visier zu nehmen.
Gleichzeitig griffen tausende Häftlinge im Inneren der Einrichtung das Gefängnispersonal an, darunter Kräfte der inneren Sicherheit und Aufseher. Parallel dazu näherte sich ein mit Waffen und Munition beladener Lastwagen dem Gefängnistor, um die Insassen bei ihrer Flucht mit Kampfgerät auszustatten. Wäre die versuchte Erstürmung erfolgreich verlaufen, hätten die Angreifer ihre Attacken auf die Stadtviertel Xiwêran und Zihûr sowie gegen eine Reihe ziviler und militärischer Einrichtungen der Autonomiebehörde ausgeweitet. Denn dies war ihr Plan.
Tunnel in umliegenden Wohnhäusern gegraben
In einigen Häusern in Xiwêran und Zihûr wurden Tunnel gegraben, um den Angriff zu unterstützen. Auf diese Weise bereiteten die Terroristen den Boden für den Erfolg ihres Plans. Doch zunächst zeigten die Gefängniswärter und unsere Angehörigen großen Heldenmut und kämpften entschlossen, bis sie sich der Karawane der Gefallenen anschlossen. Der Einsatz dieser Kameraden war der Hauptfaktor bei der Vereitelung des durchdachten Plans des IS, der auf die Methode der Überraschung setzte. Die Kräfte der QSD und der Asayîş griffen umgehend ein, bewegten sich in geordneter Weise und zogen einen Belagerungsring um das Haftzentrum. Nach Überprüfung der Sicherheitslage an der Gefängnismauer wurde festgestellt, dass einige Gefangene, denen die Flucht aus den Schlafsälen des Gefängnisses gelungen war, die angrenzende Wirtschaftsfakultät erreicht und sich dort verbarrikadiert hatten, so dass auch dieser Bau eingekesselt wurde. Derweil wurden Xiwêran und alle umliegenden Vierteil vollständig abgeriegelt und durch einen breiten Sicherheitskorridor zum Gefängnis getrennt. Erst dann begann die Angriffsphase unserer Kräfte.
Siyamend Welat (l.), Newroz Ehmed (m.) und Mehmûd Berxwedan
Operation ‚Hammer der Völker‘
Im Rahmen der Operation ‚Hammer der Völker‘ haben unsere Kräfte eine Säuberungsaktion gegen IS-Terroristen in der Umgebung des Gefängnisses, in den Stadtvierteln von Hesekê sowie in Gebieten von Deir ez-Zor und Raqqa durchgeführt. Die QSD und Asayîş haben sich sehr professionell auf die Gruppen der terroristischen Angreifer zubewegt, viele von ihnen ausgeschaltet und andere bewaffnete Angreifer kampfunfähig gemacht. Schlussendlich wurden die Gefangenen wieder festgesetzt und in andere Haftanstalten verlegt.
Um das Leben und das Hab und Gut der Bevölkerung von Hesekê nicht zu gefährden und die ‚Junglöwen des Kalifats‘, die von IS-Söldnern als menschliche Schutzschilde missbraucht wurden, zu schützen, gingen unsere Kräfte mit großer Sensibilität und viel Geduld vor, was den Prozess langwierig werden ließ. Am Ende wurde der Plan des IS dank des Heldentums der Gefängniswärter unter der Führung von unserem Freund Cemal Kobanê, die durch ihr schnelles und hartes Eingreifen eine einzigartige Widerstandskraft bewiesen, und mit Beginn der Räumungsaktion in Hesekê vereitelt und die Situation unter Kontrolle gebracht.
Bei dem Terroranschlag auf das Sina-Gefängnis handelte es sich zweifellos nicht um einen gewöhnlichen Angriff, sondern um ein von langer Hand geplantes und äußerst umfangreiches Vorhaben. Aus den beschlagnahmten Dokumenten und den Geständnissen der gefangenen Anführer der Terroristen geht hervor, dass sie im Falle eines Erfolges auch andere Stadtteile in Hesekê attackiert und den Angriff auf Hol, Şedadê und Deir ez-Zor ausgeweitet hätten, um das Ziel eines zweiten sogenannten Kalifats umzusetzen. Gleichwohl war der Angriff in Hesekê kein lokales Unterfangen und kann nicht auf das Gefängnis allein beschränkt werden. Nach den uns vorliegenden Informationen infiltierten einige der Angreifer die Region Hesekê aus der Besatzungszone um Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad), andere gelangten aus dem Irak in die Stadt. Darüber hinaus zielte dieser Anschlag nicht lediglich auf die Freilassung einer Reihe von Gefangenen ab, sondern auf die Wiederbelebung des Terrors, um die gesamte Region in Dunkelheit zu hüllen.
Letztendlich ist dieser Plan gescheitert, und wie bereits in al-Baguz haben sich die Angreifer kollektiv unseren Kräften ergeben. Die Situation ist vollständig unter Kontrolle gebracht worden. Einmal mehr haben unsere Kräfte ihren Mut, ihre Wachsamkeit und ihre Fähigkeit, Kämpfe zu gewinnen, unter Beweis gestellt, den Geist und die Hoffnung auf einen Sieg für alle Komponenten der Region geschaffen, ihren Wert unter Beweis gestellt und das Vertrauen ihrer Bevölkerung gewonnen.
Rolle der Türkei
Doch der IS-Anschlag von Hesekê kam gewiss nicht aus heiterem Himmel. Nach dem Sieg in al-Baguz und der Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS hat sich die terroristische Organisation wieder formiert und ihre Reihen reorganisiert, um sich an die neuen Bedingungen und Umstände anzupassen, ihre frühere Macht wiederzuerlangen und die Gesellschaft und die Menschen in der Region mit Angst und Terror zu überziehen. Er hat immer wieder versucht anzugreifen, aber unsere Kräfte kämpfen seit mehr als drei Jahren unerbittlich gegen diese Aktivitäten, insbesondere in den Gebieten um Deir ez-Zor, Raqqa, Şedadê und an der irakisch-syrischen Grenze. Und dennoch: wenn der IS heute dennoch in der Lage ist sich zu behaupten und Kräfte für einen Anschlag mit diesem Ausmaß zusammenziehen kann, liegt das an den politischen Bedingungen und der Unterstützung, die er direkt oder indirekt von einigen regionalen Mächten und Staaten erhält. In diesem Zusammenhang scheint die Rolle des türkischen Staates die bedeutendste zu sein.
Der türkische Staat trägt die Hauptverantwortung für den IS-Angriff auf das Sina-Gefängnis und den Fortbestand des IS-Terrors. Die Angriffe und ständigen Drohungen des türkischen Staates gegen Nord- und Ostsyrien verleihen den Terroristen Kraft und Moral und verhelfen ihnen zu neuem Atem. Dadurch wird der Boden für eine Reorganisierung bereitet. Besatzungszonen wie Serêkaniyê und Girê Spî haben sich für den IS zu einem sicheren Hafen erwiesen, in dem er sich organisieren und seine Söldner ausbilden kann. Im Hinblick darauf ist der türkische Staat für die Terroranschläge in der Region verantwortlich.
QSD loben gute Zusammenarbeit mit Koalition
Auf der anderen Seite hat sich eine gute Zusammenarbeit zwischen den QSD und den Kräften der internationalen Anti-IS-Koalition entwickelt. Die Arbeit und der Kampf gegen den IS fanden auf einem guten Niveau statt, wobei die Operationen koordiniert und gemeinsam durchgeführt wurden.
Es bleibt jedoch dabei, dass die Zerschlagung des Kalifats durch die tausenden IS-Gefangenen und zehntausende ihrer Angehörigen im Lager Hol eine schwere Last auf den Schultern der QSD und der Autonomieverwaltung darstellt. Der jüngste Anschlag hat bewiesen, dass der IS weiterhin eine große Bedrohung für die Sicherheit ist – nicht nur in unseren Regionen, sondern der ganzen Welt. Dieser Angriff hat gezeigt, dass eine globale militärische und politische Unterstützung, insbesondere durch die internationale Koalition, für die QSD und die Autonomiebehörde dringend erforderlich ist, und dass die Unterstützung durch die Bereitstellung fortschrittlicher Technologie intensiviert werden muss, um die Terrororganisation auszuschalten und diese drohende Gefahr für den gesamten Globus zu stoppen. Der Kampf gegen den IS muss gemeinsam geführt werden, ebenso wie eine Lösung für die IS-Familien gefunden werden muss. Diese Verantwortung liegt bei den QSD, der Autonomieverwaltung und der Anti-IS-Koalition.
Denn dieser Anschlag hat einmal mehr gezeigt, dass radikale Lösungen für das Problem der IS-Familien in Camp Hol gefunden werden müssen, da sich dieses Lager zu einer tickenden Bombe mit herausgezogenem Stift entwickelt hat. Die Gerichtsverfahren gegen IS-Terroristen und die strafrechtliche Verfolgung ihrer Verbrechen muss endlich durch die Einrichtung eines internationalen Tribunals beschleunigt werden. Je länger es dauert, bis vor Ort umsetzbare Lösungen für diese Probleme gefunden werden, desto mehr profitiert der IS von der Phase des Nichtgeschehens.
Dank an die Bevölkerung
Unsere Bevölkerung in Hesekê, ob Kurden, Araber, Syrer und Assyrer, insbesondere diejenigen, die in den Vierteln Xiwêran, Zihûr, Neşwe und in allen Vierteln der Stadt leben, haben in der vergangenen Woche eine beispiellose Zusammenarbeit mit den QSD und Einheiten der Asayîş an den Tag gelegt, indem sie ihre Viertel verteidigt und den Sicherheitskräften schnell Informationen geliefert haben. Die vergangene Woche hat auch bewiesen, dass der Sieg unvermeidlich ist, wenn sich Kämpfer und Bevölkerung zusammenschließen. Dies ist ein leuchtendes Beispiel für diese Tatsache, die wir erfahren haben. Wir danken daher unserer Bevölkerung von Hesekê für ihre Wachsamkeit und ihren Opfergeist sowie für ihre Hilfe und ihren würdevollen Umgang mit ihren Kräften. Wir sagen unseren Menschen in Nord- und Ostsyrien, dass es notwendig ist, wachsamer und aufmerksamer gegenüber allen Angriffen des IS und anderen zu sein, und dass sie ihre Organisierung stärken müssen, um ihre Nachbarschaften, Dörfer und Häuser zu verteidigen. Dies ist eine der Lehren, die aus diesem IS-Angriff gezogen werden müssen.
Wir danken noch einmal den internationalen Koalitionskräften, die in der vergangenen Woche koordiniert mit unseren Kräften vorgegangen sind und die notwendige Unterstützung wirksam geleistet haben.
Die QSD und die Asayîş haben ebenfalls eine hohe Opferbereitschaft gezeigt und die Hoffnungen und Pläne des IS im Keim erstickt. Bei dieser Operation haben eine Reihe unserer Mitglieder den Rang eines Gefallenen erreicht. Auf dieser Grundlage gedenken wir mit allem gebührenden Respekt und Stolz aller Gefallenen der Operation ‚Hammer der Völker‘ und versprechen ihnen, den Sieg zu erringen, und wir beglückwünschen unser Volk und alle unsere Kämpfer und Kommandierenden zum Erfolg dieser Operation.
Wir rufen die Öffentlichkeit und alle relevanten Parteien dazu auf, den QSD, der Bevölkerung und den Teilen Nord- und Ostsyriens sowie der Autonomen Verwaltung verstärkt Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, damit sich der Alptraum eines neuen IS-Kalifats nicht wiederholt und die Terrororganisation sich nicht wieder neuformieren kann. Je mehr politische, militärische und wirtschaftliche Unterstützung für die QSD und die Autonomiebehörde, desto mehr wird der IS geschwächt und tritt in den Zustand des Verschwindens ein.
Im Rahmen der Operation ‚Hammer der Völker‘ und in Regionen wie Deir ez-Zor und Raqqa werden weiterhin punktuelle und breit angelegte lokale Sicherheitsoperation gegen die Überreste des IS und seiner Schläferzellen durchgeführt.
Zahlen und Fakten der Operation „Hammer der Völker“
Die IS-Gefangenen im Haftzentrum Sina töteten auf brutale Weise insgesamt 77 Wachleute und andere Angehörige des Gefängnispersonals. Bei den siebentägigen Kämpfen außerhalb des Gefängnisses wurden 40 unserer Kämpferinnen und Kämpfer sowie vier Zivilpersonen getötet. Insgesamt sind damit 121 Sicherheitskräfte, Gefängnisbedienstete und Zivilist:innen ums Leben gekommen. Wir erinnern an sie mit Liebe, Respekt und Dankbarkeit.
Die Zahl der getöteten IS-Terroristen beläuft sich auf 374.“