Erneut ist es im Sina-Gefängnis im nordostsyrischen Hesekê zu Unruhen gekommen. Erneut mussten die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) sowie Antiterroreinheiten anrücken und gemeinsam mit Sicherheitskräften des Asayîş durchgreifen. In der Haftanstalt sind tausende Mitglieder der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat” (IS) aus 50 verschiedenen Staaten inhaftiert, die auf ihren Prozess warten. Es ist bereits der dritte Aufruhr in dem völlig überfüllten Gefängnis in diesem Jahr.
Am Abend wurde das Gefängnis von Hubschraubern der internationalen Koalition überflogen. Mittlerweile sind alle Wege zu der Haftanstalt gesperrt, das Gebäude ist umstellt. Ein Angehöriger der QSD, der seinen Namen hier nicht lesen will, kritisierte das mangelnde Interesse der Koalitionsländer, einzugreifen und eine dauerhafte Lösung für das Problem zu finden. Ende März hatten alle Insassen im Sina-Gefängnis mithilfe eines von langer Hand vom IS geplanten Aufstands versucht zu flüchten. Nach rund 24 Stunden konnte die Revolte vollständig niedergeschlagen werden. Den zweiten Aufruhr in Sina zettelten die IS-Gefangenen Anfang Mai an.
Etwa 5.000 IS-Gefangene aus 50 verschiedenen Staaten sind in dem Komplex im Stadtteil Xiwêran (Ghweiran) inhaftiert, von denen die meisten beim finalen Sturm auf die letzte IS-Bastion Baghouz im März 2019 gefangengenommen wurden. Der „harte Kern” also, der bis zuletzt in Deir ez-Zor ausharrte. Weitere 7.000 befinden sich in anderen Gefängnissen der Region, hinzu kommen Zehntausende IS-Anhänger in verschiedenen Camps.
Seit Jahren fordert die Autonomieverwaltung ihre Heimatländer auf, sie zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Doch viele Länder weigern sich, Verantwortung für ihre Staatsangehörigen zu übernehmen. Auch ein internationales Sondergericht, wie von den nordostsyrischen Autonomiebehörden vorgeschlagen, scheint in weiter Ferne zu liegen. Und so bleiben die IS-Gefangenen vorerst in Gefängnissen in Nordsyrien – und warten. Die jahrelange Unklarheit über die juristische Auseinandersetzung mit ihnen sorgt jedoch für gefährlichen Zündstoff.
Bereits vor Monaten hatte der QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi Kobanê von der internationalen Gemeinschaft „radikale Lösungen“ für das IS-Problem gefordert. Die Last der IS-Gefangenen dürfe nicht nur auf den Schultern der Autonomieverwaltung und ihrer Institutionen liegen „Unsere Verbündeten müssen eine schnelle und radikale Lösung für dieses internationale Problem finden“, sagte Kobanê.